Die Marx-Saga

Die Marx-S
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von Juan Goytisolo / Regie Christiane Pohle / Uraufführung
Fotos: Armin Smailovic

Er ist schon wieder vorbei, der kleine „Marx-Boom“, den die internationale Finanzkrise vor wenigen Monaten auslöste. Kein Wunder, denn die Theorien des deutschen Philosophen werden spätestens seit Mitte der 1990er Jahre als derart obsolet wahrgenommen, dass selbst vollständig kollabierende Geldmärkte keinen Anlass für eine substantielle Renaissance zu bieten scheinen. Man fragt sich, wie Karl Marx selbst wohl reagieren würde, wenn er in diesen Tagen auf die Folgenlosigkeit seines Lebenswerkes blicken könnte? Erstaunlich gelassen. Dies zumindest behauptet der spanische Schriftsteller Juan Goytisolo, der in seinem Roman „Die Marx-Saga“ alle historischen Realitäten aufhebt und den Autor des „Kapitals“ im Kreise seiner Familie vor den Fernseher setzt. Dort muss er mit ansehen, wie entkräftete Flüchtlinge auf iberischen Sandstränden landen und nur von einem einzigen Gedanken beseelt sind: Endlich vollwertiges Mitglied der westlichen Kapitalismusgesellschaft zu sein! Während Marx die Fernsehbilder elegant zu übersehen versucht, wird viele Kilometer entfernt ein Journalist mit der Aufgabe betreut, das ultimative Buch über Karl Marx zu schreiben. Einen Bestseller, den die Welt noch nicht gesehen hat. Der Journalist zögert keine Sekunde und macht sich auf, dem großen Denker persönlich zu begegnen. Als Marx darum bittet, sich mit ihm an seinem Grab auf dem Londoner Friedhof zu treffen, geraten alle linearen Zeitvorstellungen endgültig ausser Kontrolle. Ein Besteller wird sie wohl nicht werden, diese „Marx-Saga“, sondern das überraschende Dokument eines real exisitierenden Familientreffens der dritten Art.

 

Uraufführung 31. Oktober 2009, Thalia Theater

PRESSESTIMMEN

„Die Inszenierung macht die Probe aufs Exempel: Sie schickt Familie Marx in historischen Kostümen auf die Bühne und dämmt das Licht. Das sieht wie 19. Jahrhundert zwar aus, doch Jenny Marx (Oda Thormeyer) versichert glaubhaft, dass sie nie so gekleidet war und so nie geredet hat. In solchen Szenen deutet sich die Klugheit des Abends an, der sich über gängige (pseudo)künstlerische Erzählweisen nicht erhebt, sondern sie aufgreift und so ihren ideologischen Kern freilegt. Um nicht selbst in diese Falle zu tappen, predigt die Inszenierung zwar keine Renaissance des Marxismus, dessen wichtigsten Thesen bringt es gleichwohl zu Gehör. Und ohne Hintersinn ist es wohl nicht, dass am Ende auf der Anzeigentafel under construction steht: im Bau. Ob die Regisseurin deshalb so viele laute Buhs bekam? Der Bettler zieht aus den langen Gesichtern, die ihm entgegenkommen, derweil seinen eigenen Schluss: „Da sehe ich aber schwarz“, kommentiert er die Aussicht auf eine milde Gabe. Manchmal wirkt das Theater eben doch direkt.“ - Der Freitag

 

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