Hamburger des Jahres 2022 in der Kategorie Kultur

Laudatio von Matthias Günther auf Mohammad Ghunaim (Ziko) anlässlich der Auszeichnung Hamburger des Jahres 2022 in der Kategorie Kultur

 

Der große Socrates sagte einmal: „Zico ist der beste Spieler, mit dem ich je zusammengespielt habe.“ Socrates und Zico waren die populärsten brasilianischen Fußballer, die niemals Weltmeister wurden. Aber beide wurden Fußballer des Jahres: Sokrates einmal. Zico zweimal. Das war in ferner Zeit, in der Fußballantike der achtziger Jahre. Und jetzt kommst du Ziko, Freund, Genosse: Hamburger des Jahres 2022 in der Kategorie Kultur. MEGA!, wie man heute in den sozialen Netzwerken zwitschert. Das gibt gleich mal eine Tüte voller Herzen und jede Menge Smileys. OMG - Oh mein Gott. Und Gott ist ein DJ im Radio Al Madina, eine jener Veranstaltungsreihen, die du kreiert hast, um Leute zusammenzubringen. „Al Madina“ heißt im Arabischen „die Stadt“ und im Radio Al Madina können wir Musiker und Musikerinnen aus unterschiedlichsten Herkünften dabei zuhören und zusehen, wie sie eine imaginäre Stadt aus Musik bauen: Hamburg meets the world, Damaskus und andere Städte - live im Nachtasyl und weltweit im Stream.



„Tell me about last night in Damaskus“´, steht auf einem Post in deinem Instagram-Account. Damaskus, deine Stadt, die du so vermisst. Gemeinsam mit deinem Bruder hast du deine Heimat verlassen müssen.
„We're just two lost souls / Swimming in a fish bowl“, zitierst du Pink Floyd. In einer Notunterkunft spielt und singt ihr das Lied auf einer geliehenen Gitarre, als ihr Europa erreicht.
In Deutschland kommst du in Köln an. Am Bahnhof. Und verstehst nicht mal das Wort „Bahnhof“ sagst du.

 

Von B Nach B. Vom Bahnhof nach Börninghausen. Wo bitte ist Börninghausen? Dein Beginn in Deutschland mitten im Winter 2016.

 

Weißes Zuhause,
irgendwo im nirgendwo,
schneebedeckt.
Vor der Tür dein Fahrrad
eingeschneit.
„When the street was close;
we took the short wild way.“
Durch den Forest.
Du bist ein Polarbär.


Das beste Geschenk damals: ein handgemachter Coffeemaker.
Der Duft von Damaskus. Vielleicht liegt der Unterschied im Kaffetrinken.
Wie trinkst du deinen Kaffee?

 

Du besuchst Hamburg – moin und tschüss;
und du versprichst wiederzukommen.

 

Du schreibt:
„Hamburg, smells so good
I love this city
missing damascus
me the syrian“

 

Und dann schreibst du:
„Wohin du auch gehst
Osten, Westen, Norden oder Süden,
betrachte es als eine Reise in dich selbst!
Wer in sich selbst reist, bereist die Welt.“

 

Und du bereist Deutschland, gibst Workshops, zeigst Jugendlichen wie man mit einfachen Mitteln zum künstlerischen Ausdruck kommt.
Filmemachen mit dem Handy. Politische Arbeit.

 

Stehst du vor einem Berg, erklimmst du ihn.
In den Ötztaler Alpen in Österreich liegt auf 2759 m die Braunschweiger Hütte. Dort schaust du in die Ferne und schreibst:
„Eine ganze Welt voller Stimmen und Klänge
von Geräuschen und Tönen?
Ein verborgenes Reich der Sinne;
Rundherum meist unerreichbar für uns?
Eine Welt, die vielleicht noch berauschender
und geheimnisvoller ist als die sichtbare Welt?“


Und dann gehst du von der Braunschweiger Hütte im Ötztal zur Braunschweiger Straße nach Hamburg. Und du bleibst in Hamburg. Die Stadt wird im November 2017 dein neues zu Hause. Du wirst Koordinator der „Embassy of Hope“ im Thalia Theater in der Gaußstraße. Es gibt viel zu tun.

 

Und der andere Sokrates, der Philosoph, der sich nie nur als Athener oder Grieche sah, sondern sich als Weltbürger bezeichnete, sagte: „Sein ist Tun.“ Und das ist, was dich auszeichnet. Freund, Kollege. „Sein ist Tun.“ Du bist ein Macher. Ein außergewöhnlicher und großartiger Netzwerker. Gemeinsam mit dem Theaterkollektiv |AII Das|, erfindest du gerade ein Theater der Zukunft. Es ist seit Oktober 2020 am Start und es sind eine Reihe von Produktionen entstanden. Es gelingt Euch, dem Kollektiv, immer wieder, komplexe gesellschaftliche und politische Verhältnisse auf sehr sinnlich erfahrbare Weise mit einer formalen, poetischen und komödiantischen Vielfalt in ungewöhnlichen Konstellationen und Räumen – von der Studiobühne über Straßentheater bis zu Spielstätten mitten in der Stadt – zu initiieren, zu produzieren und aufzuführen. Und tolle Titel haben die Abende: „Ziegenkäse in Streich­holzschachteln“ / „Sokak oder die kunst darin straßenkatzen nicht aufzuwecken“ / „Eine Brise Flucht in Pistazienschalen“ / „RückenBrücken“ oder mein absolutes Lieblingsprojekt: der Salon Tülüfülükülümülü.

wulubu ssubudu uluwu ssubudu tumba ba- umf

„Sein ist Tun.“

 


Ziko, Du hast mich mit so wunderbaren Leuten zusammengebracht.
Ich danke dir dafür. Wenn du jetzt für deine unglaubliche Arbeit ausgezeichnet wirst, dann wird ein Einzelner benannt, aber auch eine neue Idee von Kollektiv. Manchmal haben Kollektive für den Moment auch ein Kollektivsingular: Ziko dafür stehst du und die anderen stehen fest an deiner Seite: Nail, Sophie, Samieh, Shahin und Solomia und alle anderen.

 

Ich küsse deine Augen.