Rezensi
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Schulbotschafterinnen und Schulbotschafter verfassen regelmäßig Rezensionen
Der Idiot
Fürst Myschkin, gerade aus einem Schweizer Sanatorium entlassen, kehrt nach St. Petersburg zurück in eine Gesellschaft, die sich gewandelt hat. Und so geht es an diesem Abend um die großen Themen. Um Liebe und Geld, um Glück und Bösartigkeit, um Täuschung und Endlichkeit, um Glaube und Moral. Jens Harzer trifft ebendiese Fürstenfigur mit kindhafter Leichtigkeit und Neugierde und lässt damit einen manchmal so tief notwendigen puren Blick auf die Welt und eine ungehemmte Fragerei aufblühen. Und dennoch entwickelt sich die Bühne samt Ensemble nach und nach zu einem Mikrokosmos, welcher ein Eigenleben zu führen scheint. So manch einer, der zu Beginn noch mit der Hoffnung den Saal betritt, über kurz oder lang das Geschehen wieder greifen zu können, geht daran verloren. Zum einen erfordert das Stück eine inhaltliche Grundlage, um den Figurenkonstellationen folgen zu können. Zum anderen scheint das Publikum spätestens nach der Pause auch für die auf der Bühne Agierenden verloren. Nicht nur für mich kommt es nach einiger Zeit zum Disconnect, der die Frage mitschwingen lässt: Für wen wird hier eigentlich gespielt?
Es entsteht der Eindruck, dass die Zuschauenden für das Bühnengeschehen im Verlauf des Abends an Relevanz verlieren. Dass sich die Spielenden im Wahnsinn verlieren, der jedoch mehr ihnen selbst als dem Publikum zu gelten scheint. Meine Vermutung bestätigt sich, als zwei Zuschauende noch vor der Pause aufstehen und den Saal verlassen wollen. Und damit nicht genug: ein ähnlicher Anblick bietet sich mir nach der Pause, als ich den Blick in die deutlich geleerten Reihen neben und vor mir richte. Über knapp vier Stunden erstreckt sich das Geschehen und trotzdem bleibt der Eindruck, die großen Gesellschaftsthemen würden mehr abgearbeitet und in ihrem Gehalt reproduziert als zu einer wahrhaftigen Problematik. Was bleibt ist dennoch ein Abend, der von einem großartigen Ensemble zu unangefochtener schauspielerischer Brillanz getragen wird und alle Spielenden in höchstem Maße fordert. Dabei würdigt ein wohlverdienter Zwischenapplaus den scheinbar nicht nur für die Rolle des Ippolit existenziellen Monolog Ole Lagerpuschs.
Charlotte, Johann-Comenius-Schule (18 Jahre)
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