Rezensi
onen zu
(R)Ev
olution

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Der Weizen ist schuld an der Knechtschaft der KI – Rezension zu "(R)Evolution"
 
Wenn man sämtliche Yuval Harari Sachbücher durchliest und einen Faibel für trashige Since Fiction Filme aus den 80er Jahren hat, dann kommt bestimmt etwas wie das Stück (R)Evolution dabei heraus. Das Stück handelt von den Gefahren, die künstliche Intelligenz, Gentechnik, Robotik, Virtual Reality und weitere zukunftsträchtige Erfindungen und Entwicklungen des Menschen für eben jene Spezies besitzen, und zeichnet mit schrillen Kostümen und witzigen Alltagsszenen eine dystopische Vision einer baldigen Zukunft, in einer nicht weit, weit entfernten Galaxis. Ein abschreckender Ausblick auf die kommenden Entwicklungen im 21. Jahrhundert auf dem Planeten Erde. Dabei erscheint diese Wirklichkeit fremdartig, wie vertraut zugleich. Denn die Ausblicke, die uns das Stück gibt, sind derart unheimlich, dass man sich wünscht, sie würden in einer entfernten Ecke des Weltraums stattfinden. “In den nächsten 20 Jahren, wird sich die Menschheit mehr verändern, als in den letzten 500 Jahren”, so prophezeit die Inszenierung.

Die Bühne ist in einen gewaltigen Echo Dot verwandelt und sieht aus, wie das Wohnzimmer eines Computer Nerds. Alexa ist ein allwissendes und prophetisches Orakel, das von allen Beteiligten befragt und angerufen wird und ihnen Auskunft gibt, seien es Ehetipps oder Psychotherapien. Doch meistens weiß die gottgleiche Sprachassistenz besser über die tiefsten, verborgensten Wünsche, Bedürfnisse und seelischen Konflikte seiner Nutzer Bescheid, als diese, auch wenn sie nicht immer nur zum Wohl für sie handelt, sondern vorallem von ihren Konzern-Interessen geleitet ist. Denn die meisten Figuren sind verwirrt und verloren, in dieser unübersichtlichen und rastlosen Zukunft, in denen Apps und Computer für sie entscheiden und ihr Leben berechnen. Sei es ein Ehepaar, aus einer Mitläuferin, die sich von den großen Versprechungen der Gentechnik hat einlullen lassen, gespielt von Birgit Stöger, und einem resoluten, als Naturalist verunglimpften Freidenker, der von seiner Versicherung das Tragen eines Trackers angeordnet bekommen hat, aufgrund seiner schlechten Gene, grandios gespielt von Andre Szymanski. Sie streiten sich darum, ob sie ihr zweites Kind genetisch modifizieren lassen und es einer Forschung vermachen sollen. Er diskutiert mit seinen Küchengeräten, schimpft auf die Technik und auf den Weizen, den er als Kern des Übels ansieht. Immerhin ist dieses Getreide für die Sesshaftwerdung und neolithische Revolution des Menschen verantwortlich und damit, der Anfang für die Versklavung des Menschen, durch seine eigenen Erfindungen. Die Homo-Ehe krieselt zwischen einem Arzt, gewohnt mittelmäßig gespielt von Tim Porath und einem Virtual Reality Junkie, der gerne in virtuellen Rollenspielen Sex hat, gespielt von einem der Autoren des Stücks, Dimitrij Schaad. Denn, wie die KI schon frühzeitig erkennt, hat er andere Bedürfnisse als sein Lebensgefährte, er ist nicht nämlich nicht nur schwul, sondern eigentlich trans, nicht transsexuell, sondern transhumanistisch und will sich von seiner sterblichen, menschlichen Hülle trennen, sein Bewusstsein in der Cloud hochladen, um für ewig in seinem virtuellen Rollenspiel als Pharao mit drei Penisen oder andere Fantasiegestalt romantische Abenteuer auf den Mount Everest oder im Weltraum zu erleben. Doch besonders hart, hat es die, von Maria Galic gespielte Arbeitslose getroffen, die, bevor sie kriminell werden kann, als potenzielle Terroristin der Naturalisten, die die Abschaffung der Technik fordern, verhaftet wird, weil ihre KI ein erhöhtes Risiko dafür berechnet hat.

In kleinen, absurden bis zynischen und humorvollen Alltags-Szenen und Episoden, aus den Leben von Individuen dieser dystopischen Zukunftsvision, schildert uns das Stück mahnend und eindringlich, die Gefahren einer nahenden Zukunft. Auch wenn die schrillen Kostüme und die überzogene Kulisse, die wie ein DJ Pult aus Star Trek aussieht, die Inszenierung etwas lächerlich wirken lässt, ist das Stück eine gelungene und kluge Auseinandersetzung mit dem 21. Jahrhundert und eine Empfehlung für einen nachdenklichen und unterhaltsamen Theaterabend.
 
von Laurence Volquardsen, Mode-Design, HAW Hamburg, Vorstellungsbesuch 12.10.2020
 

 
"(R)Evolution" erzählt drei Handlungsstränge parallel. Vom selbstdesignten scheinbar gänzlich immunisierten Kind, welches so „Up to Date“ wie nur irgend möglich sein soll, über die Frage nach der Realität hin zum völligen technischen Kontrollverlust. Alle drei werden begleitet vom immer anwesenden Alekto, welcher im Stück unter anderem die künstliche Intelligenz in Form einer fliegenden Ebene vertritt. Auch wenn die mögliche Absicht eine Gute ist, anhand dieser schwebenden Ebene die Unerreichbarkeit und den nahenden Kontrollverlust über die künstliche Intelligenz zu symbolisieren, zieht der fliegende Alekto mit all seinen technischen Möglichkeiten die Aufmerksamkeit zu sehr auf sich. Insgesamt ähnelt das Bühnenbild einer Science-Fiction Kulisse.
 
In der Inszenierung zu sehen ist eine großartige Marina Galic, welche als Tatjana Alekto mehr traut als sich selbst und infolgedessen an ihm verzweifelt. Ihr Spiel ist geprägt von einer hohen Authentizität und Ausdrucksstärke. Ebenso gelungen sind die Vermenschlichung der künstlichen Intelligenz und die Darstellung dieser in Person. Der zwar in einigen Szenen wirklich gelungene Humor nimmt an anderer Stelle den Schock über das, was eigentlich kritisiert wird. Einzig der zerstörte Untergrund des Bühnenbildes lässt an der geschaffenen Zukunftsvorstellung zweifeln. So endet der Abend ohne wirklich neu gewonnene Erkenntnisse und ohne große Überraschungen.
 
von Charlotte, Johann-Comenius-Schule, Jg. 11,Vorstellungsbesuch 08.03.2020

(R) Evolution

 

Du suchst einen unterhaltsamen Abend ohne, dass du an alte verstaubte Bücher denken musst und möchtest früh zuhause sein?  Dann empfehlt dir der Algorithmus „(R)Evolution“ unter der Regie von Yael Ronen am Thalia Theater Hamburg.

Dies wäre für die Alltags-KI der zweiten Hälfte des 21. Jahrhunderts absolut keine Herausforderung, aber dies macht das Leben der Menschen jener Zeit auch nicht besser, auch wenn sie scheinbar „Gott“ ist. So streiten sich ein Mann mit seiner Frau, in welcher Form ihr Kind gentechnisch aufgewertet werden soll und dieser Mann kämpft im weiteren Verlauf mit seinen technischen Geräten, welche sein Leben kontrollieren. Seine Ex-Frau leidet unter chronischer Einsamkeit und flüchtet sich in eine Scheinbeziehung mit ihrer KI. Als sie aufgrund eines psychischen Zusammenbruchs ihren Arbeitsplatz verliert, wird sie zur Vernehmung gerufen, da die Daten ihrer KI sie als potenzielle Terroristin eingestuft haben. Währenddessen leidet der Arzt, welcher das Genengineering verkauft, unter Problemen in seiner homosexuellen Beziehung, da sein Partner eine elektrische Transzendenz anstrebt.

Das Bühnenbild besteht zum einen aus dem Bühnenboden, der einer verfallenen Stadt nachempfunden ist. Darüber schwebt eine quadratische Plattform, die in der Mitte ein Loch hat, während die Rückwand als Projektionsfläche für verschiedene Effekte dient. Das Augenmerk dieser Inszenierung liegt eindeutig auf der Sprache, deren Niveau hoch, aber gutverständlich ist. Sprach-Spiele sind einer der Hauptgründe für den hohen Unterhaltungswert dieses von Yuval Noah Harari inspirierten Werkes.

Diese Inszenierung zeigt sich extrem unterhalten, hat allerdings für Personen, die von Dystopien kognitiv herausgefordert werden wollen und mit Konzepten der Zukunft vertraut sind, wenig zu bieten. 

 

Julius Leonel Himstedt, Stadtteilschule Blankenese, Jg 13