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Orphe
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28. September 2018, Hamburg

Genieße es wie ein Gedicht.
Eine sehr moderne, mit Livemusik und Drama durchzogene Interpretation nach dem griechischen Mythos „Orpheus“, mit witzigen aber auch etwas verstörenden Szenen in petto, war eine kulturelle Achterbahnfahrt der Gefühle wie Liebe, Verlust und Verzweiflung.

„Orpheus“ in einer freien Interpretation vom Regisseur Antú Romero Nunes, erzählt die Geschichte von zwei Liebenden, im Stück von zwei Frauen verkörpert, die sich treffen, lieben lernen, durch Tod getrennt und somit auf eine Reise in den Hades geschickt werden.
In das junge Liebesglück mischen sich die Götter ein. Eurydike wird vom Göttervater Zeus umgebracht und Orpheus, anstatt es hinzunehmen, folgt ihr in den Hades um sie zurückzubringen. Am Ende darf sie Eurydike sogar, unter der Bedingung sich nicht umzudrehen, mit ins Leben zurück nehmen. Doch wird Eurydike Orpheus folgen?

Nach einer 30 minütigen Einführung vor dem eigentlichem Stück, die man auf jeden Fall gebrauchen kann, vor allem wenn man sich gar nicht mit dem Mythos auskennt, ist man schon besser informiert und kann mit etwas Vorwissen in den Theaterabend starten.
Dieser beginnt mit einem für Nunes typisch reduzierten Bühnenbild, das nur aus Klavier, und einer Person, Orpheus, die auf einer im Boden integrierten Drehscheibe geht, besteht. Schnell gesellt sich eine weitere Person , Eurydike, dazu und es beginnt eine Kennlernphase zwischen der tauben Eurydike und der musikalischen Orpheus, die schnell zu einem Liebesspiel wird.

Die Götter tauchen auf, untermalen den Streit zwischen den Liebenden und Zeus verführt Eurydike erst und bringt sie dann um. Mit einer sehr bildgewaltigen Szene verschwindet sie ins Totenreich, wo sie später dann auch ihr Gehör und ihre Stimme wieder bekommt.
Von Amor bekommt Orpheus die nötige Hilfe in Form von bunten Pillen, um ins Schattenreich zu gelangen, was man als eine Art Drogenrausch interpretieren kann.
Mit ihrem Gesang überwältigt sie den Wächter des Hades und findet so zu ihrer Liebe.

Alles mit Gesang und Tanz von den Darstellern und mit wenig Sprache begleitet. Die Texte sind oftmals sehr philosophisch und tiefgründig. Szenisch ist, trotz spärlichem Bühnenbild, alles ausgeschöpft, sehr kraftvoll ausgedrückt und mit viel dramatischen Lichteffekten dargestellt.

Besonders in Erinnerung geblieben sind mir die weiß gepuderten Gestalten der Götter und die expressionistischen Tanzeinlagen.
Mein Fazit ist, dass man sich auf das ganze einlassen muss und nicht versuchen soll alles zu verstehen, dann ist es ein absolut gelungenes Stück.

Mimi Bergmann, Jürgen-Fuhlendorf-Schule Bad Bramstedt, Jg 10

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Orpheus. Eine musische Bastardtragödie - Rezension

5. Oktober 2018, Hamburg. Gegensätze ziehen sich bekanntermaßen an. Und so ist es auch bei dem Popstar der Antike, Orpheus, und ihrer taubstummen Geliebten Eurydike der Fall. Ihre Liebe währt jedoch nicht lange, und nachdem Eurydike stirbt, macht sich die trauernde Orpheus in die Unterwelt auf, um ihre Geliebte zu retten. Leichter gesagt als getan, denn auf dem Rückweg in die Welt der Lebenden darf sich Orpheus nicht einmal zu Eurydike umdrehen. Da die Sage um Orpheus schon tausende von Jahren alt ist, kennt auch jeder das tragische Ende: Orpheus dreht sich um. Eurydike bleibt tot.

Antú Romero Nunes Inszenierung von „Orpheus“ folgt dabei dem Sprichwort: Reden ist Silber, Schweigen ist Gold. Anstatt Gelabere und langen Dialogen gibt es Musik auf die Ohren und körperliche Ausdruckskraft der Charaktere. Und so werden auf der Bühne wirklich geniale Bilder kreiert, die mit Liebesgedudel bis hin zu Electrobeats unterlegt werden. Die musikalischen Einlagen mögen dabei nicht jedem gefallen, aber sie passen jedes Mal zum Ambiente und erschaffen die gewünschte Atmosphäre; und wenn es nun eben oberkörperfreie Götter sind, die zu bassverstärkten Technobeats einen wahnsinnigen Rave veranstalten.

Und wenn man schon dabei ist: Während die einzigen „sterblichen“ Figuren, Orpheus und Eurydike, recht normal gekleidet sind, hat man bei den Göttern der Antike keine Mühen gescheut, sie als wahnsinnige Egomanen hinzustellen. Die meiste Zeit mit freier Brust, dafür aber wie in einen Schminkkasten gefallen oder in weißer Wandfarbe gebadet, ähneln die fünf Göttern eher komischen Bodybuildnern oder dem unangenehmen Repertoire einer Dorfdisco. Dennoch passt diese interessante Gestaltung der Schicksalsbestimmer auch zu deren Handlungen: denn zu einem egoistischen, fehlerhaften Gott passt irgendwie die Darstellung als selbstverliebter Muskelprotz.

Natürlich darf man bei den Charakteren nicht nur auf die Äußerlichkeiten achten; denn bei dieser Inszenierung stechen vor allem die Leistungen der einzelnen Schauspieler heraus. So ist Marie Löcker in ihrer Rolle als taubstumme Eurydike durchaus überzeugend und unterhaltsam, vor allem als sie für eine kurze Zeit nicht taubstumm ist und sofort ununterbrochen lossabbelt. Und auch Björn Meyer als pummeligen Liebesgott Amor vergisst man nicht so schnell; und wenn es nur die urkomische Szene ist, in der der arme Gott nicht ganz so hoch fliegen kann wie sein Götterkollege Hermes.

Tatsächlich ist diese Inszenierung getränkt von komischen Elementen, die der eigentlichen düsteren und traurigen Atmosphäre die richtige unterhaltsame Würze geben. Und wenn es eben nur im Hintergrund stattfindende Scherze sind, so gehören sie auf jeden Fall zu einer Inszenierung von Antú Romero Nunes dazu. Dabei wird die ernste Handlung auch nie aus den Augen verloren; die simple Komödie mancher Szenen reiht sich perfekt zu der todernsten Tragik anderer Szenen an.
Ein gutes Beispiel dazu ist wohl, wie das gesamte Publik dazu getrieben wird, zu glauben, das Stück sei zu Ende; schließlich geht das Licht wieder an und die Götter haben sich händchenhaltend mit Zahnpastalächeln aufgereiht, um ihren (verdienten) Applaus entgegenzunehmen. Doch in dieser durchaus bizarren Situation, während die Zuschauer wie wahnsinnig klatschen, beginnt Orpheus (sehr gut dargestellt von Lisa Hagmeister) über die Bühne zu rennen, und nach ihrer Eurydike zu betteln und zu schreien.

Dabei ist natürlich nicht jede Szene perfekt gelungen. Für einige Verwirrung sorgt zum Beispiel die anscheinende Schwangerschaft, bzw. Fehlgeburt Eurydikes, die natürlich auch nicht weiter erklärt wird (wie auch in einem Stück, das größtenteils auf Sprache verzichtet?) und letztendlich komplett irrelevant ist. Dennoch bleiben solche Szenen in dieser Inszenierung (zum Glück) die Ausnahme.

Letztendlich ist Antú Romero Nunes Inszenierung von „Orpheus“ gefüllt mit urkomischen und ernstlich tragischen Elementen, die eine unglaublich einzigartige Atmosphäre kreieren. Dabei wird dem Zuschauer nicht nur etwas Interessantes und Besonderes für die Augen geboten, sondern auch die Ohren kommen aufgrund zahlreicher Musikeinlagen ziemlich gut weg. Dementsprechend ist die Inszenierung ein voller Erfolg, und das, obwohl jeder das Ende dieser tragischen Sage kennt.

Luise Lämmerhirt, Leibniz Privatschule Elmshorn, Jg 12