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Rezension „Tartuffe“ vom 17.11.2017

Ein Rezept für eine gute Komödie? Wie wäre es mit zahlreichen, eigenwilligen ABBA-Interpretationen? Oder mit einer zirkusartigen Rundbühne, umhüllt von kupferfarbenen Vorhängen? Vielleicht reicht das schon um zu überzeugen und doch sind die einzigen Attribute, die mir von jenem Theaterabend im Gedächtnis geblieben sind, die Worte schrill, schief und flach. Genauer gesagt gab es schrille Kostüme, schiefes Singen und flache Charaktere. Inhaltlich konnte mich Regisseur Stefan Pucher jedoch nicht überzeugen mit seiner Inszenierung eines Klassikers von Molière aus dem Jahre 1664. Gezeigt wurde der Familienvater „Orgon“, der den Betrüger Molière vergöttert und ihm jeden Wunsch erfüllt. Zuerst gab Orgon ihm Unterschlupf, dann seine Tochter und zuletzt seinen gesamten Besitz, wobei schlussendlich die Gerechtigkeit siegt. Eigentlich ein spannendes Thema, wie ein ungeschliffener Diamant. Doch Stefan Pucher gelingt es nicht, ihn zum Glänzen zu bringen. Obwohl das Stück oberflächlich mit den Kostümen und der Bühnenkonzeption zu überzeugen weiß und eine grandiose Einleitung abliefert, wartet man als Zuschauer vergeblich auf inhaltliche Tiefe. Man erfährt wenig über die Charaktere, insbesondere die Motive ihres Handelns bleiben dem Zuschauer verborgen. An diesem Eindruck ändern auch die „interessanten“ Tonlagen nichts, die verwendet wurden, um gefühlt das gesamte ABBA Gold-Album mit der Inszenierung zu verflechten. Doch wo bleibt der Sinn? Mit einem Fragezeichen und den drei genannten Attributen ging ich aus der Vorstellung – keineswegs gelangweilt oder nicht unterhalten, aber doch  auf eine Weise unterfordert. Um das Stück mit einer Frage zu bewerten, würde ich fragen: Wars das?
Lucas Timm, Jahrgang 12, Elsa-Brändström-Schule Elmshorn

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10.November 2017, Hamburg.

Schrille Kleidung, knallbunte Frisuren und ABBA-Musik. Was an eine 70-er Jahre Themenparty erinnert, findet sich im Thalia-Theater auf der Bühne wieder. Stefan Puchers Inszenierung von Moliéres „Tartuffe“ macht von außen her einen amüsanten Eindruck; die Familie Orgons, um die es in diesem Stück geht, hat aber überhaupt nichts zu lachen. Schließlich hat der Betrüger Tartuffe sich bei ihnen eingenistet, und mit vorgehaltener Frömmigkeit und ein ausgeprägtes Bewusstsein für die Bedürfnisse seiner Mitmenschen treibt er die Familiensippe ins Chaos.

Vor allem der Familienvater Orgon verfällt der Heuchelei Tartuffes. Wie von allen Sinnen kümmert er sich aufopfernd um den Parasiten in seinem Haus; vermacht ihm sogar sein Vermögen und die Hand seiner Tochter Mariane. Dabei ist es gerade die Sprache, die diese bitterernste Situation ihren urkomischen Charakter verleiht; mit Wortspielereien und schlagfertigen Antworten wurde schließlich nicht gespart. Zum Beispiel wenn Orgon sichtlich aufgelöst nach Tartuffe fragt, während ihm die Zofe Dorine von den Leiden seiner Ehefrau Elmire und Tartuffes offensichtlichem Wohlbefinden berichtet. „Der arme Mann!“, schreit Orgon dann und das Publikum kann nur lachen bei diesem Wahnsinn.

Tartuffe ist wahrlich ein guter Verführer, der den gottesfürchtigen, frommen Mann mimt. Ja, er geht sogar noch einen Schritt weiter: Päpstlicher als der Papst ist dieser Betrüger; im wahrsten Sinne des Wortes. Das Licht geht aus, der Vorhang fällt herunter und im Rampenlicht steht Tartuffe im extravaganten, goldenen Gewand, neben dem sich jeder katholische Priester mickrig fühlen würde. Anstatt aber nun die Sonntagsmesse zu beginnen, fängt dieser Papst an zu tanzen und zu singen. Also mehr hätte man diese religiöse Andeutung nicht dramatisieren können; wobei unklar bleibt, ob in diesem riesigen Gewand auch eine Kritik an die Kirche steckt oder doch nur der fanatisch religiöse Tartuffe?

Dabei muss man zum Einen allgemein die Kleidung kommentieren, die die Schauspieler da tragen. Nun gut, Moliéres „Tartuffe“ wurde vor knapp 300 Jahren uraufgeführt und so ist es selbsterklärend, dass das Theater es sich zur Aufgabe gemacht hat, jenes Stück auch mehr an die momentane Gesellschaft und deren Eigenarten anzupassen. Nur lebt die momentane Gesellschaft im 21. Jahrhundert und die 70er Jahre sind so auch schon seit knapp 40 Jahren vorbei. Trotzdem sieht man auf der Bühne Haare in allen knalligen Farben und so viele glitzernde, fast schon fantastische Kostüme, dass jede Glam Rock Band von damals neongrün vor Neid anlaufen würde.
Zum anderen kommt dann noch die passende Musik aus dieser Zeit dazu, vornehmlich ABBA. Abgesehen von der fragwürdigen gesanglichen Leistung einiger handelnder Charaktere bleibt die Frage nach dem Wieso?. Denn es ist nicht wirklich selbsterklärend, wieso man die Zuschauer mit gekrächzten 70er Jahre Songs quält. Bei der durchaus interessanten Kostümwahl kann man schließlich noch anmerken, dass dies schon so ironisch wirkt, dass es wieder komisch ist.

Und dies muss man doch an der Inszenierung loben. Der Grad zwischen lustig und bitterböse wurde perfekt gefunden und gelungen umgesetzt. Dabei sind es nicht nur, wie schon angemerkt, die sprachlichen Spielereien, sondern auch die bemerkenswerte schauspielerische Leistung, die es schaffen, diese beiden Extreme zu vereinen. Gerade Victoria Trauttmansdorff glänzt in ihrer Rolle als provozierende und freche Zofe Dorine, die das falsche Spiel Tartuffes schon lange entlarvt hat und nun mit knallharten, provokanten Sprüchen versucht, ihren Mitmenschen die Wahrheit reinzuhauen. Und auch die anderen Schauspieler bringen die Eigenarten ihrer Charaktere gekonnt rüber, sodass jede Szene trotz ihrer Dramatik auch zur Komödie wird.

Dabei muss man anmerken, dass es für die Schauspieler durchaus schwer gewesen sein muss, ihre Rollen so gekonnt darzustellen. Gerade Jörg Pohl in der Rolle des Tartuffes gab wohl sein Bestes, diesen als verführerischen Wolf im religiösen Schafspelz darzustellen; jedoch lässt die Inszenierung selbst keinen bissigeren, bösartigeren Tartuffe zu. So wird zuerst viel Spannung über diesen heuchlerischen, parasitären Betrüger aufgebaut und dann erscheint Tartuffe in Realität zum Teil sehr einfach gestrickt und fast schon armselig, da kaum eine Möglichkeit gegeben wurde, die Psyche dieses Charakters gerechtfertigt darzustellen. Darauf kann man nur mit „Schade“ antworten, da so viel Potential ungenutzt blieb.

Letzten Ende war es zum Teil doch ein Genuss, die Machenschaften und letzten Endes die Überlistung des durchaus dreisten Tartuffes verfolgen zu können; gerade da dieses Stück in unserer heutigen Zeit auch ein wesentliches Problem anspricht. Schließlich kann jeder so wie die Familie Orgons in die Falle lügender und heuchlerischer Betrüger gelangen und so Wahrheit nicht mehr von Lügen unterscheiden. Ob diese Moral nun mit 70er Jahre Musik und schrillen Kostümen dargestellt werden muss, bleibt offen. Und auch, ob man nicht anstatt der Äußerlichkeiten mehr das Innenleben der Figuren, allen voran Tartuffe, dramatisiert hätte sollen.
Trotz allem wurde man bei Moliéres „Tartuffe“ gut unterhalten und es war eine Freude, diese Inszenierung genießen zu dürfen.
Luise Lämmerhirt, Max Markowski, Marcel Mansouri, Leibniz Privatschule Elmshorn, JG 12

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Tartuffe (Jörg Pohl) ist ein Betrüger, das ahnen wir schon, bevor es los geht. Die Fotos und der Trailer sind so pompös, dass man denken könnte, dass man sich direkt im Schloss des Sonnenkönigs befände. „Der Tartuffe“ ist so etwas wie ein Trüffel, aber nicht so ganz – also er sieht nur so aus und tut so, als ob er einer wäre; oder so ähnlich“ So, oder so ähnlich erklärt mir das ein Lehrer.
Es geht also um Tartuffe. Tartuffe ist ein sehr religiöser Mann und jeder der anders denkt, muss ein Lügner sein, dass sagen zumindest Madame Pernelle (Karin Neuhäuser) und Orgon, ihr Sohn (Oliver Mallison).
Alle anderen wissen natürlich, wie es wirklich ist: Tartuffe ist ein elendiger Heuchler, der, so wirkt es zumindest, heiliger als der Papst ist – er gibt das Geld, das ihm Orgon gibt, als er ihn arm neben der Kirche sich mit Weihwasser waschend sieht, denen, die noch weniger haben ( natürlich mit tieferen Absichten) – aber es kommt natürlich alles ein wenig anders. Er liebt die Frau Orgons und soll die Tochter von jenem heiraten, nebenbei noch das gesamte Erbe einstreichen – Orgon hat Tartuffe „wirklich lieb“ – und bevor das alles geschieht, frisst er sich den Bauch voll – er lebt wie Felix Krull in Frankreich!
Die Schauspieler sind wunderbar. Karin Neuhäuser als leicht verdatterte passiv-aggressive Großmutter ist die Personifikation der Rolle, sogar ihre musikalischen Einlagen sind ganz nett.
Jörg Pohl ist die Rolle wie auf den Leib geschneidert, als Hochstapler im Vatermörderkragen schlägt er sich wunderbar durch diese 105 Minuten – er tritt zwar erst nach einer Dreiviertelstunde auf, ist ab dann aber auch fantastisch. Sein leichter Sprachfehler und dieses nasale „Ja“ das ganz norddeutsch hinter jedem zweiten Satz sind einfach schön.
Ganz besonders gefiel mir Steffen Siegmund – für mich ein neues Gesicht. Er spielt den aggressions-gestörten Sohn wunderbar, seine Mimik mit dem Out-Fit sind auch noch in Reihe 17 ein Traum.
Der Einzige, der mir nicht gefällt, ist Bekim Latifi (Valere) er spielt nicht besonders stark, sein Kostüm ist mit Abstand das Langweiligste und er klingt – obwohl es ein wenig zur Rolle passt – wie ein unsicherer Schüler.

Die Musik ist eine der besten Sachen. ABBA Songs werden gesungen und geschrien. Der 70er Sound passt erstaunlich gut zu den schrillen Kostümen und der Geschichte, die so voller Hinterhältigkeiten ist, das George R. R. Martin wahrscheinlich auf dem Reclam Heftchen schläft.
Die Songs sind alle passend zur Lage ausgewählt. So fragt Tartuffe natürlich nach dem „Name of the Game“ und Orgon singt uns etwas von „Money“ ins Ohr.
Alle Schauspieler können mindestens in Ordnung singen – insgesamt sehr schön.

Das Ausstattung ist sehr bunt. In der Mitte steht ein Tisch – äußerst relevant für die Handlung – um ihn herum hängen Stühle. Die Schauspieler tragen eine Mischung aus Gucci und Versace, die so protzig ist, dass man nichts anderes als schmunzeln kann.
Es gibt nur eine Stelle, die ein wenig zu lang geraten ist, das stört an diesem Abend aber eher weniger.

Alles in allem ist das Stück vielleicht keine Hochkultur, aber auf jeden Fall höchst amüsant und darauf kommt es meistens eher mehr an.
Also, tun sie das Richtige – kaufen sie Karten!
Paulo Jamil Sieweck Corvey Gymnasium, Jahrgang 11