Kontr
akte des Kaufm
anns

Was haben Laurie Anderson, Sophie Calle, Stephane Hessel, die Onassisstiftung und Elfriede Jelinek gemeinsam? Kontrakte des Kaufmanns in Avignon

Im Sommer 2012 hat das Thalia Theater als erstes Hamburger Theater in der 66jährigen Geschichte beim Festival in Avignon gespielt. Es ist ein Festival der Superlative: Dort gastieren neben den besten europäischen Theatern zeitgleich hunderte von Off- und Off-Gruppen, so dass man mühelos von morgens um elf bis nachts um 1 Uhr pausenlos Theater ansehen kann. Bespielt wird alles: der große Papstpalast, den Avignon dank Schisma hat, (die Pont D’Avignon allerdings wird nicht bespielt), zahllose Theater, aber auch Hallen und Schulhallen und sogar Open air in den vielen riesigen alten Höfen. Da die Regenwahrscheinlichkeit bei null liegt, ist open air anders als in Hamburg kein Problem – dachten wir. Aber ausgerechnet bei „Kontrakte des Kaufmanns“ vom Thalia Theater wehte der Mistral so heftig von Afrika her (schätzungsweise Windstärke 6), dass die Bühnentechnik das Bühnenbild in maßgeblichen Teilen aus Sicherheitsgründen abbauen musste. Trotzdem war die Premiere und auch die insgesamt fünf Vorstellungen ein voller Erfolg, der die allabendlich 800 Besucher nicht schreckte, so dass sie erst gegen 1 Uhr nachts Jelinek- und Finanzkrisetrunken nach Hause taumelten. Erstaunlich, denn die Anforderungen ans Publikum (Jelinek auf französisch mit Übertiteln) waren nicht gerade klein. Allerdings ist der Schauwert der Inszenierung ohnehin hoch und half über die eine oder andere Verständnisschwierigkeit hinweg. Zusätzlicher Schauwert entstand überdies dadurch, dass den Schauspielern mistralbedingt die Blätter mit den Jelinektexten buchstäblich um die Ohren flogen, wenn auch nicht ganz so schlimm wie die derzeitige Finanzkrise den Politikern. Der Innenhof zog die Jelinektexte wie ein Kamin nach oben in den provencalischen Himmel. Angezogen fühlte sich auch Simon Mc Burney - ein europäischer Regisseur von Rang, der den Künstlern nach der Vorstellung begeistert gratulierte.
Mit von der Partie war auf der Bühne Stephane Hessel aus Paris via skype, aber die Sensation war, dass Sophie Calle plötzlich bei der Aufführung mitspielte und sich statt Elfriede Jelinek von den Wölfen fressen ließ. Laurie Anderson wollte Ähnliches tun, kam aber leider, leider zu spät (kein Scherz). Anders als die Onassisstiftung, die das Stück jetzt unbedingt in Griechenland zeigen will (ebenfalls kein Scherz). Woher das Geld kommt, um das zu finanzieren? Darüber müsste Elfriede Jelinek ein neues Stück schreiben….
Ach ja, Francoise Hollande und Angela Merkel, für die wir eigentlich spielen wollten, waren leider nicht da…

Joachim Lux