ArabQue
en oder Das and
ere Leben

Ein Leben zwischen zwei Welten

 

In der Garage der Gaußstraße spielte die Berliner Inszenierung „ArabQueen“ von Nicole Oder. Einzig die drei Schauspielerinnen Sascha Özlem Soydan, Inka Löwendorf und Tanya Erartsin spielen Mariam, Fatme, Lena, Tante Hayat, die Eltern der Mädchen, Ercan, die Friseurin und die Gemüsehändler. Im Raum steht eine kleine Bühne, die als Küchenplatte, Bett, Sportplatz, Tanzfläche und anderes genutzt wird. Die passende Atmosphäre zum jeweiligen Ort schaffen Licht, Musik und Kostüme.
Mariam, das junge arabische Mädchen, muss der Mutter beim Putzen und mit den Einkäufen helfen. Nebenher hört sie sich ihr Gejammer über die undankbare Jugend, die Faulheit der Männer und das Fremdgehen des Vaters an. Mariams Vater ist eine äußerst aggressive und autoritäre Person, die man kaum kennenlernt. Hin und wieder sieht man ihn sich für das Gebet waschen, aber sonst hört man ihn nur herumbrüllen. Ihre Schwester Fatme entschließt sich, in Zukunft Kopftuch zu tragen. Später wird sie vom Vater misshandelt, weil sie es ablegt. Das neue Nachbarsmädchen Lena ist stark an einer Freundschaft zu an Mariam interessiert. Sie versucht alles, um an sie heranzukommen. Mariam ist skeptisch und befürchtet deswegen Ärger zu bekommen. Aber die Mädchen verstehen sich gut. Sie haben nicht immer gemeinsame Gedanken und Interessen, aber das Anderssein verbindet sie. Mit Jungs will Mariam zunächst nichts zu tun haben. Aus Angst und Schamgefühl möchte sie nicht einmal aufgeklärt werden. Erst als sie mit Lena in Berührung kommt, lernt sie ihre Gedankenwelt neu zu ordnen. Auch wenn sie sich zunächst dagegen sträubt, scheint sie nicht abgeneigt zu sein, die andere Welt zu erkunden. Sie muss aber Lügen, um Freiheit zu erleben. Sie wird in Todesangst getrieben, wenn sie zu spät nachhause kommt. Und es scheint so, als werde sie halbgesteinigt, als sie mit einem Jungen erwischt wird.
Nun soll sie ihren Cousin aus der Heimat heiraten. Sie steht allein und verstört auf der Bühne. Von der einen Seite ruft Lena nach ihr und von der anderen Seite redet ihre Mutter auf sie ein. Das Licht geht aus, sie ist weg. Ist sie geflohen, tot oder einfach nur aufgelöst zwischen zwei Welten? Diese Frage bleibt offen. Das Publikum überschüttet die drei großartigen Schauspielerinnen mit Beifall.

Im Publikumsgespräch fallen einige sehr unterschiedliche Aussagen. Auf der einen Seite heißt es, jetzt verstehen wir sie besser. Auf der anderen Seite höre ich ein Schulmädchen ihrer Freundin zuflüstern „ach Mensch, wieso müssen wir armen Ausländer immer so schlecht gezeigt werden?!“. Ich denke nicht, dass das der Sinn dieses Stückes ist, ein „Wir“ und ein „Ihr“ zu konstruieren. In der Darstellenden Kunst geht es darum, etwas darzustellen. Es ist keine soziologische Abhandlung, der man den Wert einer Allgemeingültigkeit schenken könnte. Die Geschichte von Mariam ist eine von vielen und sie spielt in einem bestimmten sozialen Milieu. Diese Geschichten sind unheimlich von Bedeutung und dürfen keineswegs geleugnet werden, weil es solche Mariams gibt. Aber auch von Bedeutung ist, dass diese Geschichten zu spezifisch sind, um sie wahllos auf alles Fremde zu übertragen.


Mozhgan Rabbany