Phil
otas

Eine Vater-Sohn-Tragödie

 

Heute gibt es während der Lessingtage endlich ein Stück von dem Herrn Festivalnamensgeber persönlich. Kein besonders berühmtes, sondern den Einakter „Philotas“, welchen Lessing im Jahre 1759 während des Siebenjährigen Krieges als Antwort auf diesen schrieb. Gebannt wartend auf dieses selten gespielte Stück tummelt sich die Masse bereits im Foyer der Gaußstraße. Gegen sieben werden wir vom Inspizienten in die kleine Spielstätte „Garage“ geführt, wo höchstens einhundert Stühle um die Bühne herum platziert sind, von wo aus sich das Bühnengeschehen in intimer Atmosphäre beobachten lässt.

Dort ist ein minimalistisch und durch das Dimmerlicht fast gemütlich angehauchtes Gefangenenzimmer zu vernehmen. Ein Bett auf der einen Seite, zudem Dusche, Klo und Fernseher inklusive DVD-Sammlung. Es ist eng, denn die Enge spiegelt auch die Situation des von Simon Kirsch gespielten Protagonisten Philotas wider. Dieser Soldat und Prinz wurde auf dem Schlachtfeld des Krieges durch den gegnerischen König Aridäus in Gefangenschaft genommen und damit in sein Lebensdilemma gestürzt. Denn er erfährt, dass sich auch der Sohn des Aridäus in Gefangenschaft seines Vaters befindet. Plötzlich steht auf absurde Weise Gleichstand zwischen den beiden sich bekämpfenden Staaten und Frieden scheint durch einen Rücktausch der Söhne möglich. Philotas plagen jedoch Selbstzweifel, die Frage nach der wahren Entscheidung in seiner Gefangenschaft und Schuldgefühle. Er will für seinen geliebten Königsvater natürlich das Richtige tun und kann sich innerlich nicht mit dem Ergeben und Gleichstand zufrieden geben, sondern strebt danach seinen Fehler wieder gut zu machen und diese Zweifel und das Verlangen nach der guten Tat endet schlussendlich doch im tragischen Selbstmord. Die Suche nach dem Frieden endet offensichtlich in einer Zwickmühle.

Der Plot scheint schnell erzählt, doch das von Michael Höppner am Wiener Burgtheater inszenierte Stück hat es durch seine ungekürzte Fassung in sich. Monologe und Dialoge bestimmen die Intensität und Ausdrucksweise des Abends. Vom Zuschauer wird teilweise Konzentration gefordert um den Worten zu folgen, schließlich ist es ursprünglich ein Prosastück, teilweise erklingt Musik und lässt Raum zum Nachdenken. Spannend ist, dass das Stück von den Figuren vierer Männer lebt, kein weibliches Wesen erscheint oder erhält explizite Erwähnung. Interessant ist, dass die drei Männer in ihren antik anmutenden Gewändern und Ritterrüstungen, die Philotas in seinem Gefangenengemach besuchen, auf gewisse Art sanft zu ihm sind. Ihnen ist bewusst, dass Philotas jung und in seiner Situation überfordert ist. Er ist auf der Suche nach der heroischen Männlichkeit und scheint sie doch nicht zu verkörpern. Alle bilden für ihn eine Art Vaterfigur, wo seiner derzeit doch so weit weg scheint und die Angst ihn zu enttäuschen umso stärker ist.

Trotz dieser heute kaum vorstellbaren Situation ist Philotas als moderner Mensch angelegt. Seine Situation lässt sich darauf übertragen, dass heutzutage oft Entscheidungen von Außen durch die Gesellschaft gefordert werden, die nicht immer von Innen heraus gefällt werden können, wodurch Anpassungsdruck entsteht. Darüber hinaus ist es spannend Lessings Geschichte als Antikriegsstück zu vernehmen und so wiederum zu merken, dass seine Ideale folglich bis heute gelten. Der Selbstmord hätte verhindert werden können und Kriege schaffen bloß eine Verkettung von noch mehr Leid und ausweglosen Situationen.

Insgesamt schafft die Inszenierung einen unkonventionellen und intimen Abend und zeigt starke Schauspieler.


Lea Toporan