Flüchtlinge

Flücht
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Fotos: Fabian Hammerl

Singapore Inc. – ein Land als Firma. Aber was macht der Mensch im perfekt funktionierenden Stadtstaat?

 

Öffentlicher Wohnungsbau, Programme für die Verbesserung der Höflichkeit und für ein gleichberechtigtes Zusammenleben der verschiedenen Kulturen: Singapur, der kleine Inselstaat in Südostasien, bemüht sich um eine funktionierende Gesellschaft. Freizeit, Verkehr und Sauberkeit sind geregelt und es herrscht nahezu Vollbeschäftigung. Dass beim Modellbauen der Mensch zur Playmobilfigur wird, ist keine Absicht...

 

Eine chinesische Familie in Singapur. Der Sohn will nach seinem Wehrdienst Architekt werden. „Damit man, wenn man im Zug sitzt, auch das Gefühl hat, dass man von einer Stadt in eine andere fährt“. Er sucht die Subkultur der Stadt und wird als Muslim zum Mr. Liberal. Seine Mutter ist jetzt Christin und wünscht sich einen Fernseher mit eingebauter Kamera – dann würden beim Familienfoto endlich einmal alle lächeln. Der Vater hat seinen weißen Mercedes an einen Inder verkauft. Musste er, denn ein Malaye hat seine Firma übernommen und er selbst fährt nun Taxi. Zumindest muss er dann nicht die Metro nehmen. Mit dieser fahren die Tochter und ihre Freundin zum Flughafen und warten auf ein Unglück: „Ich wollte einfach wissen, wie sich das anfühlt.“ Und der Großvater? Der Großvater sitzt zuhause am Altar und wartet auf die Erscheinung der toten Großmutter.

 

Alfian Bin Sa’at schreibt in „Flüchtlinge“ über seine Heimat Singapur. Im Konflikt zwischen ordnendem System und kreativer Individualität, zwischen Effizienz und Emotion, letztlich zwischen Modell und Leben, findet jedoch auch die westliche Großstadtwelt ihr Spiegelbild.

 

Premiere 13. Mai 2010, Thalia Gauss (Garage)

PRESSESTIMMEN

„Nachwuchsregisseur Jonas Zipf entschied sich bei der deutschsprachigen Erstaufführung des Stücks "Flüchtlinge" vom in Singapur lebenden und dort für seine Literatur mehrfach preisgekrönten Malayen Alfian Bin Sa'at nicht für eine Eins-Zu-Eins-Über-und Umsetzung, sondern für die szenische Annäherung an das Fremde. Das Fremde als Gleichzeitigkeit von Nähe und Ferne. Das Produkt dieser Gleichzeitigkeit bedeutet für die vier Darsteller eine Form beweglicher Objektivität, Das macht ihre Figuren so komisch abstrakt und erlaubt ihnen auch eine erfrischend ironische Distanziertheit, die Brüche und private Kommentare durchaus mal zulässt. Zum Beispiel, dass das Umziehen für eine Rolle schon stattfindet, während der Darsteller noch als andere Figur agiert. [...] Alfian Bin Sa'ats Figuren suchen nach Wegen der Orientierung, und Regisseur Jonas Zipf überträgt dieses Suchen nach Wegen in seiner Inszenierung im Probenstil. Es ist nachvollziehbar, sehr kurzweilig - nämlich eine Stunde - wie auch komisch. - nachtkritik.de