Der Entertainer

Der E
ntertainer

von John Osborne / Regie Christiane Pohle
Fotos: Krafft Angerer

Heute muss man sie mit der Lupe suchen, jene Allround-Künstler, die noch vor wenigen Jahren riesige Theaterhallen und Music-Halls füllten und ihr Publikum als Musiker und Komödianten begeisterten. Billy Rice war einer von ihnen. Einer der größten. Einer, dessen Name stets in großen Leuchtbuchstaben auf den Anzeigetafeln der Erinnerung aufglimmt, wenn vom goldenen Zeitalter des Entertainments die Rede ist. Jetzt befindet er sich im Ruhestand und muss tatenlos dabei zusehen, wie die wenigen verbliebenen Exemplare seines Berufszweiges ein beschämendes Dasein als Alleinunterhalter auf Goldenen Hochzeiten und Betriebsfeiern fristen. Mitten unter ihnen: sein Sohn Archie, der mit letzter Kraft das Erbe seines Vaters weiterzuführen und zu verteidigen sucht: „Our true intent is all for your delight!“. Vergebens. Er wird einfach nicht mehr gebucht. Ein Zustand, an dem Archie und seine ganze Familie zu zerbrechen drohen. Nicht des materiellen Verlustes wegen, sondern weil man ihnen entzieht, was für die ganz besondere Kunst der Familie Rice von lebenswichtiger Bedeutung ist: das Interesse. Ihrer existenziellen Leidenschaft beraubt, blicken sie auf einmal mit anderen Augen auf sich und ihre nächsten Verwandten. Und müssen feststellen, dass sie sich nicht mehr erkennen.

 

Premiere 27. Februar 2010, Thalia Gauss

PRESSESTIMMEN

„Familie Rice ist auf einem absteigenden Ast: Oberhaupt Archie (Bernd Grawert) ist ein Alleinunterhalter mit vielen schlechten Witzen. Zudem ein notorischer Ehebrecher, Steuerhinterzieher und Säufer. An seinen Vater Billy (Christoph Bantzer), der etwas verwirrt auf dem Altenteil sitzt, wird er nie herankommen. Mit Frau Phoebe (Victoria Trauttmansdorff), Tochter Jean (Franziska Hartmann) und Sohn Frank (Rafael Stachowiak) gibt es sowieso häufig Trouble. So dysfunktional diese Familie auch ist, hängt ihr unaufhaltsamer Niedergang in großem Maße von den äußeren Umständen - und eben der Wirtschaftslage - ab.“ - Hamburger Morgenpost

 
„Regisseurin Christiane Pohle ist eine souveräne, wenngleich etwas lange Inszenierung gelungen. Größter Pluspunkt der Veranstaltung ist dabei Bernd Grawert: Der ist als abgewrackter Entertainer - ein großer Entertainer!“ - Hamburger Morgenpost

 

„Tiefer sinken geht nicht. Endstation ganz unten, da, wo die schäbig glimmenden Reste einer strahlenden Vergangenheit als kaputte Music-Hall-Leuchtschrift am Boden liegen und Menschen sich wie Penner aus Stoffbündeln und Schlafsäcken schälen. So sieht er aus, "Der Entertainer" von John Osborne, so wie Regisseurin Christiane Pohle ihn im Thalia in der Gaußstraße inszeniert hat. "Wir sind nicht wirklich zum Lachen. Dazu sind wir zu langweilig", sagt Archie, der Alleinunterhalter auf dem Niveau von Kaffeefahrten-Witzereißern. Zum Lachen sind sie wirklich nicht, langweilig aber ganz und gar nicht. Weil dieses bittere Stück über Lebenslügen und Lebenssucht alles andere als langweilig ist im Sinne einer inneren Leere.“ - Die Welt