Lessingt
age

Um alles in der Welt – Lessingtage 2017
Theaterfestival
27. Januar bis 5. Februar 2017

Die Lessingtage 2017 sind besonders und anders als bisher: Sie sind, und dies ist sicher eine Überraschung, (vor allem) deutschsprachig. Das ist neu und dem Thema der Lessingtage 2017 geschuldet. Während wir uns in den letzten Jahren mit unterschiedlicher Schwerpunktsetzung vor allem auf interkulturelle Fragestellungen und Perspektiven einer kosmopolitischen Gesellschaft konzentriert haben, ist der Ausgangspunkt 2017 ein Ereignis, das, von Deutschland ausgehend, vor 500 Jahren Europa revolutioniert hat: die Reformation. Sie löste den ersten Schub der Säkularisierung Europas aus, führte zu großen kriegerischen Auseinandersetzungen und mündete 250 Jahre später in der französischen Revolution und Lessings religiöser Toleranzphantasie. Ausgelöst durch die Reformation brachen damals Reiche zusammen, Herrscher mussten abdanken, halb Europa lag in Schutt und Asche und es dauerte sehr sehr lange, bis in Europa keine Kriege mehr im Zeichen der Religion geführt werden konnten. Aber waren das in Europa überhaupt Religionskriege – vom Dreißigjährigen Krieg über den Abfall der Niederlande bis zu den blutigen Auseinandersetzungen zwischen Maria Stuart und Elisabeth von England? Oder ist die Religion nur eine emotionalisierende Ideologie, in deren Namen sich Massen besser mobilisieren lassen, um Machtpolitik zu machen? Von hier aus führen viele Fragen direkt ins Heute: Sind Religionen mit ihrem Absolutheitsanspruch an sich gewalttätig? Sind sie überhaupt reformierbar? Kann Religion sich selbst reformieren? Ist das Christentum reformierbar? Ist der Islam reformierbar? Sind überhaupt Religion und Aufklärung miteinander vereinbar? Und wie verträgt sich all das mit der Identität des einzelnen Menschen, der – ob er will oder nicht – mit seinen religiösen Prägungen kämpft? All dies sind Fragen, die uns beschäftigen und oft ratlos zurücklassen.


Was kommt bei den Lessingtagen 2017? Wie in jedem Jahr steht am Anfang eine große Eröffnungsrede, diesmal von Bundestagspräsident Norbert Lammert. Die 8. „Lange Nacht der Weltreligionen“ findet ausnahmsweise an einem Wochentag statt und beschäftigt sich im grundreformierten Format mit dem Rebellischen von Religionen. Im Großen Haus erwarten Sie drei Inszenierungen: Zwei davon spielen fast zeitgleich während des Dreißigjährigen Kriegs – einmal „unten“ und einmal „oben“. Auf der einen Seite kommt die „Mutter Courage“ mit ihrer Familie unter die Räder, auf der anderen stürzt „Wallenstein“, der militärische Star der damaligen Zeit. Das „Wallenstein“-Gastspiel ist übrigens seit Jahrzehnten der erste Hamburg-Auftritt der Berliner Schaubühne mit einer großen Klassiker-Inszenierung. Eine dritte Aufführung zeigt die Perspektive auf heute: Jette Steckel hat sich 10 Autoren gewünscht, die die 10 Gebote von heute aus befragen. Wir zeigen die Aufführung wenige Tage nach ihrer Berliner Premiere – aktueller geht es nicht! In der Gaußstrasse schließlich stehen ausschließlich heutige Fragestellungen auf dem Programm. Nuran David Calis lässt „Glaubenskämpfer“ verschiedener Bekenntnisse zu Wort kommen, Falk Richter zeigt mit „Città del Vaticano“, wie unannehmbar bestimmte religiöse Positionen in einer freizügigen urbanen Gesellschaft des 21. Jahrhunderts sind und Boris Nikitin inszeniert tatsächlich ein „Martin Luther Propagandastück“. Wir haben das Programm in diesem Jahr wegen der Vorbereitungen zum Festival „Theater der Welt“ auf eine Woche verdichtet. Das Spektrum des Programms ist dennoch groß: Es ist tragisch und heilig, aber auch unverfroren und sardonisch – in allen Facetten, die das Theater hat. Selbst aus dem Ritus entstanden ist das Theater immer wieder beides: der Versuch der Rekonstruktion von Sinn, wie aber auch blasphemische Attacke auf Bigotterien jedweder Art. Nach diesem Programm gehen Sie, verehrtes Publikum, sicher gut vorbereitet in das große Lutherjahr mit all seinen Lutherspielen und können auf eine Luther-Playmobilfigur, ja die gibt’s wirklich, sicher gut verzichten …


Joachim Lux



Die 8. Ausgabe von „Um alles in der Welt – Lessingtage“ wird wegen der Vorbereitungen zum Festival „Theater  der Welt“ verkürzt und kompakt vom 27. Januar bis 5. Februar 2017 stattfinden.

Das Programmheft des Lessingtage 2017 zum Download

 

 

Thalia-Produktionen:

Mutter Courage und ihre Kinder
von Bertolt Brecht
Musik Paul Dessau
Regie Philipp Becker

 

Schnee
von Orhan Pamuk
Regie Ersan Mondtag

 

Srebrenica – „I counted my remaining life in seconds“
von Branko Šimic und Armin Smailovic

 

 

Gastspiele:

HAU Berlin
Martin Luther Propagandastück

von Boris Nikitin
mit dem Performer Malte Scholz und dem Unity Gospelchor Pankow

 

Schaubühne Berlin
Wallenstein
von Friedrich Schiller
Regie Michael Thalheimer

 

Schauspiel Köln
Glaubenskämpfer - Religionssuche zwischen Kloster, Moschee und Synagoge
von Nuran David Calis


Deutsches Theater Berlin
10 Gebote - Ein Theaterprojekt
von Jette Steckel und 11 Autoren*innen

 

Schauspielhaus Wien
Città del Vaticano
von Falk Richter und Nir de Volff/ TOTAL BRUTAL



Lange Nacht der Weltreligionen:

Reformation und Rebellion 

 

Eröffnungsrede von Bundespräsident Norbert Lammert
Förderer der Lessingtage 2017
Kooperationspartner

Akademie der Weltreligionen
der Universität Hamburg
Bundesamt für Migration und Flüchtlinge
Hamburger Schulen sowie
Schulen der Metropolregion Hamburg
Hamburger Volkshochschule
Jugendmigrationsdienst des CJD
Michael Grill

Projektförderer

Udo Keller Stiftung Forum Humanum
Ilse und Dr. Horst Rusch-Stiftung
Berit & Rainer Baumgarten
Nationales Performance Netz
Budnianer Hilfe e.V.

Medienpartner