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Für Jugendliche

 

re:mundi. oder: ein voodookinder-epilog

 

Wir sind Sternenstaub, wir sind die Erinnerungen und Spuren, die wir in der Welt hinterlassen. Erinnerungen, Begegnungen, Wir. Aber das Wir wirkt. Darum geht es. Um das Wirken in Raum und Zeit. Gestern bauten wir Lego-Universen, heute kreieren wir mithilfe künstlicher Intelligenzen digitale Welten und morgen leben wir unseren Traum: Das Wir als Urknall einer Utopie. Wir sind mehr als drei Buchstaben. Wir können mehr, als Wir glauben und glauben weniger, als Wir können. Alles ein Kreis, der aus dem richtigen Winkel als Spirale erkennbar ist. Gleichzeitig sich nach oben streckend und nach unten fließend. 360°-Bilder in höchster Auflösung und in den knalligsten Farben finden blitzschnell ihren Weg an unseren Sehnerv und von dort aus in Millisekunden in das eigene Synapsen-Gewitter. Die Bilanz: Klimawandel, Sein oder Nicht-Sein, Erinnerungskulturen, ein Mädchen mit Schal, die eigene Sterblichkeit und der Traum eines Miteinanders. Alle Themen abgearbeitet? Wohl kaum. Was bleibt noch übrig? Der Kern. Das Wir. Die Voodookinder.

 

 

Die Reihe zwie:licht wird unterstützt und gefördert durch die Stiftung Kulturglück und dem Fonds für inklusive Projekte “Kultur für alle!”

 

Künstlerische Leitung Steffen Siegmund (Thalia-Schauspieler)

Künstlerische Mitarbeit und Theaterpädagogik Fiona Sonnemann

 

Ab 31.8.2024, jeweils Sa 15.30 -19.30 Uhr

Zusätzliche Wochenendproben, Endproben und Vorstellungen im Frühjahr 2025 nach Vereinbarung.



Thalia Probebühne, Gaußstraße 190, 22765 Hamburg

 

Das projekt ist leider bereits ausgebucht.

Rede von Steffen Siegmund zur Deep-Dive-Veranstaltung “Theaterwelten: Der Kleine Prinz im neuen Gewand” der Stiftung Kulturglück im Spiegelsaal (Museum Kunst und Gewerbe Hamburg), Montag, 13.05.2024

Die Voodookinder, das sind Lina, Lavinia, Pilar, Oskar, Amelie, Lena, Dimitrij, Pauline, Coco, Alex, Dara, Mustafa, Mila. Die Voodookinder, das sind aber auch diejenigen, die diese Gruppe seit 2019 als Spielerinnen und Spieler geprägt haben. Die Voodookinder das sind also auch Helena, Maxi, Estrelle, Jonas, Jessie, Ariyaneh, Elias, Caro, Arthur, Gretha, Lucy, Lisa, Lisa, Annabel, Feline, Lara, Jascha, Lennie, Licie, Enken, Marilou und für ein Jahr war das auch die 66-jährige Gertrud. 35 junge und/oder junggebliebene Persönlichkeiten, die in bisher fünf (mit dem KLEINEN PRINZEN dann sechs) Projekten für und als herausragend tolle Gruppe auf der Bühne standen und mit denen ich seit November 2019 zusammenarbeiten kann und darf.

35 Spielerinnen und Spieler, so groß ist in etwa das Ensemble des Thalia Theaters. Und dieses, unser Voodookinder-Ensemble ist in der Zusammenstellung der individuellen Persönlichkeiten mindestens so unterschiedlich und spielfreudig, wie meine Kolleginnen und Kollegen am Thalia es sind; und diese Zusammenstellung unterschiedlichster Menschen ist für mich als Projektleiter, als Mensch, Spieler und Persönlichkeit, als Motivator, als Regisseur, als Ansprechpartner, also eben einfach auf allen Ebenen, die Sie sich nur vorstellen können, ein bereicherndes Theaterglück.

Vor Kurzem, bei der Vorstellung der nächsten Thalia-Theater-Spielzeit, hatte ich mit unserem Intendanten Joachim Lux eine Unterhaltung darüber, worum es denn eigentlich geht. Also was bleibt von seinen 16 Jahren, wenn er 2025 das Thalia Theater an Sonja Anders übergibt und sich an diesem (seinem, meinem, unserem) Theater viele Dinge verändern werden. Und wir kamen schnell zu dem Schluss, dass es um Begegnungen geht, die bleiben. Und natürlich denke ich bei Begegnungen an Regisseurinnen und Regisseure, Dramturg:innen, eben an Menschen am Theater, die mir in all den Jahren als Schauspieler begegnet sind, aber wenn mich jemand fragt, was mich zu dem (Theater-) Menschen und Schauspieler gemacht hat, der ich bin, dann muss, will und werde ich auch immer sagen, dass es auch diese Gruppe und die Begegnungen mit diesen Menschen waren, mit denen man sich durch Corona-Zoom-Proben, Krisen und Erfolge, alle Höhen und alle Tiefen geprobt und gespielt hat und von denen ich vermutlich mehr gelernt habe, als sie von mir. Auch wenn ich hoffe, dass es sich zumindest in diesem letzten Punkt dann doch irgendwie die Waage hält. Aber ich muss einmal ganz klar sagen, dass ich durch euch etwas begriffen und wiedergefunden habe, das bei aller Professionalität manchmal verschüttet wird. Und das ist das, was ich dank euch fortan auch immer im Hinterkopf behalten und mit euch verbinden werde: Es geht nur darum, zu spielen. Spielen. Vielleicht auch um kurz aus der eigenen Wirklichkeit aussteigen, sterben und wieder auferstehen zu können, kurz keine Angst haben zu müssen. Oder wie Wolfram Lotz sagt: “Das Theater ist der Ort, wo Wirklichkeit und Fiktion aufeinandertreffen. Das Theater ist der Ort, an dem die Fiktion in Wirklichkeit umgewandelt wird. Dabei darf nicht die Wirklichkeit die Fiktion bestimmen, sondern die Fiktion muss die Wirklichkeit verändern! Oder ist es wirklich unser Wunsch, zu sterben? Was also haben wir zu fordern in unseren Theaterstücken: Dass man uns nicht mehr nimmt, was uns das Einzige ist: Unser Leben. Das unmögliche Theater ist möglich! Das unmögliche Theater ist das fortwährende Scheitern in eine bessere Zukunft hinein und vorwärts in die Vergangenheit! Es ist nicht, wie es ist! Es ist, wie wir wollen, dass es wird! So ist es! So ist es nicht!”

Was sich nach letzten Worten oder nach einem Abgesang anhört, soll bitte von euch und Ihnen als genaues Gegenteil, nämlich als Motivation verstanden werden. Ich bin ja selber großer Fußballfan und finde, dass Theater und Fußball unglaublich vielgemein haben: Einer stellt auf und gibt denen die Anweisungen, die spielen. Die, die spielen, versuchen den kollektiven Plan umzusetzen. Und ein Erfolg ist nur als Teamleistung möglich, im besten Falle sogar auf eine Weise, die einen den Trainer oder die Regie vergessen lässt. Um es einmal plump herunterzubrechen.

Und wenn ich jetzt mal nach einer Mannschaft suche, mit der ich uns ganz spontan und uneitel vergleichen möchte, dann wäre das Bayer 04 Leverkusen. Ungeschlagen durch die Saison, kurz davor das Triple einzufahren und das nach einem großen Umbruch innerhalb der Mannschaft. Aber was für ein Team steht da bitte auf dem Platz, was für Spieler-Persönlichkeiten und was für unfassbare Talente. Und so geht es mir auch mit unserer jetzigen Gruppe: wunderbare Menschen, schon jetzt starke Persönlichkeiten und einfach eine unfassbar talentierte Crew aus Menschen, die sich auf eine Weise hilft und unterstützt, die unglaublich ist. Viele von denen, die Sie hier heute gesehen haben, kennen sich erst seit Oktober 2023, also ein knappes dreiviertel Jahr. Und sich zusammen, als Team, hier so hinzustellen, in diesem Raum und mit einem solchen Mut und mit solcher Freiheit zu spielen, zu singen, sich zu zeigen, das empfinde ich als alles andere als selbstverständlich und das macht mir mehr Mut als die aktuelle Weltlage es vermuten ließe. Ihr seid die Zukunft: Bunt, vielfältig und offen. Klug, verspielt und mutig. Halunken, Gauner und Schlawiner, immer den Schalk im Nacken und einfach mit einer unglaublichen Herzenswärme ausgestattet. Ihr seid die Voodookinder. Aber genug der warmen Worte, worauf will ich hinaus.

Darauf, dass es wichtig ist, zu tun, was wir tun und wie wichtig es ist, dass es Partnerinnen und Partner gibt, die uns dabei unterstützen, dass die kulturelle und künstlerische und damit auch die politisch-demokratische Zukunft gewahrt und gefördert wird.

Wen meine ich mit Partnerinnen und Partnern? Also: Zunächst ein Theater und eine Theaterleitung, die uns Möglichkeiten bietet. Eine Abteilung wie Thalia jung&mehr unter Leitung von Herbert Enge, ohne den die Voodookinder niemals ins Leben gerufen worden wären. Einen Partner wie Michael Schulte-Markwort, der als Projektpate, den Kontakt zur Marzipanfabrik und die damit verbundenen Schreibworkshops unter professioneller Begleitung ermöglicht hat.
Meine Partnerinnen und Partner, mit denen ich die letzten fünf Jahre die Gruppe leiten konnte und die die Gruppe als Unterstützung in den gemeinsamen Arbeiten begleitet haben (wenn auch nicht im Raum vor Ort, deshalb trotzdem einen Dank an Janka, Pascal, Luca und Leandra, an Hannah, Nadine, Tom und Nadja, aber auch an die vor Ort, also an Gretha und Fruzsi, ganz und insbesondere aber ein großes Danke an Johanna, Peter, Flora und Fiona.)
Und natürlich braucht es auch Menschen, die es möglich machen, dass wir nicht komplett ehrenamtlich arbeiten müssen und uns Mittel zur Verfügung stellen, mit denen wir arbeiten und von denen vor allem die freischaffenden Künstler:innen leben und zusammen mit dem Jungensemble ihre Visionen verwirklichen können. Deshalb ein großes Danke an Sie heute vor Ort: Ohne Ihre finanzielle Unterstützung wären diese Theaterprojekte, aber auch alle anderen Projekte der Stiftung Kulturglück, in dieser Form nicht möglich. Und natürlich braucht es diese großartige Stiftung, die uns unterstützt, materiell, finanziell, aber vor allem auch menschlich und die im gemeinsamen Dialog Räume schafft, in denen wir denken und uns frei ausprobieren können. Deshalb DANKE STIFTUNG KULTURGLÜCK und insbesondere danke an die unfassbar tollen Menschen, die ich kennenlernen und treffen durfte. Danke an Nicola, Steffi, Diana und Katja. Ohne euch wäre es irgendwas, aber sicher keine Theater-WELTEN, kein Theater-GLÜCK.

Eine letzte Sache noch von mir, bevor wir dann mit Michael Schulte-Markwort, Ingo und Nicola noch einmal in eine Gesprächsrunde gehen:
Mein Anspruch war und ist immer das Politische im Theater. Und wenig ist für mich politischer als die Arbeit mit jungen Menschen, die wichtige Entwicklungsschritte und Erfahrungen während einer Pandemie gehen und machen mussten oder eben auch nicht gehen und machen konnten, weil ein Großteil der Entwicklung nicht auf Partys oder im Miteinander, sondern notgedrungen fast ausschließlich in den eigenen vier Wänden oder in nicht-gelüfteten Schulen (“Ihr könnt ja das Fenster aufmachen.”) stattgefunden hat. Wenig ist für mich politischer als mit jungen Erwachsenen über die eigene psychische Gesundheit und damit die Gesundheit einer Gesellschaft nachzudenken. Wenig ist politischer als mit diesen Menschen über die eigene Sterblichkeit zu sprechen und nur wenig ist politischer als mit der Zukunft, denn nichts anderes sind diese Menschen, die heute und in allen Thalia jung&mehr-Spielgruppen, auf der Bühne stehen, als mit der Zukunft eine utopische neue Welt zu denken, die zunächst einmal die alte Weltordnung einreißt und dann vielleicht aus dem inneren Kind eines kleinen außerirdischen Prinzen eine Rose ohne Dornen wachsen lässt.

Also: Danke, liebe Voodookinder für euer Vertrauen und euren Mut, eure Kraft und einfach für euch, jetzt beißen wir nochmal fünf Wochen die Zähne zusammen und holen uns dann mit unserer Premiere am 23.06. das Triple. Und zwar wie Bayer Leverkusen: ungeschlagen. Und damit zurück ins Studio zu Ingo Zamperoni.
Danke.