Golden
e Gier

Zu Karin Beiers Inszenierung von Grillparzers "Das goldene Vlies"

 

Expressionistische Eruption gehüllt in überlebensgroße Papierweißmasken. Das Schauspielhaus Köln gastiert im Thalia und nein, es bleibt tatsächlich nicht mehr sehr viel übrig von den fern-finsteren Waldlandschaften des mythenumwobenen Kolchis. Die düster gezeichneten Sagenwelten verkommen zur stilisierten Pose. Wild, anarchisch, rau. In der Inszenierung von Franz Grillparzers Das goldene Vlies wird das Ritual zur primären Metaphorik einer deterministischen Leit- und Leidkultur der Fremde. Laut, aber leer. Die Kölner Regisseurin Karin Beier entrümpelt nicht nur die Bühne sondern auch die Köpfe. Denn die radikal psychologisierten Handlungsmuster weichen einer grotesk anmutenden pantomimischen Theatralität. Grillparzer meets Picasso. Und wenn schon Maskenhaftigkeit, dann aber auch bitte gleich ganz weg mit dem ollen interpretatorischen Vorbau. Weg, weg, weg. Auch der infernalistische Handlungsimperativ von „Sieg und Rache“ verkommt zum verstummten motivischen Credo. In ihrer Inszenierung bleibt wenig übrig von Grillparzers Pionierleistung einer psychologisierenden Mythenschreibung. Was bleibt ist die goldflatternde Dingsymbolik der Gier. Denn die, und nur die begründet heute Abend die Fatalitätskette aus Leid, Lust und Verderben. Während die ersten beiden Teile der Trilogie als fremdkulturellen Diskurs nicht vielmehr als ein verstörendes Exposee bieten, zeigt sich das schlagende Potential der Inszenierung im dritten Stück. Die Gegenüberstellung von Fremde und Zivilisation verkommt zu einer existenzialistischen Selbstreflexion. Was ist, wenn das bekannte Eigene zum eigenen Fremden wird? Home ist dann nun mal nicht mehr nur where your heart ist. Die Entfremdung verbirgt sich hinter einer normativen Doktrin kultureller Symbolik. Und so steht am Ende dann aber auch bitte das zerschlagene Cello. Der Versuch sich zu emanzipieren, der doch nur zu ohrenbetäubender Disharmonie führt.

Das Goldene Vlies wird bei Beier zu einem Lehrstück über Entmenschlichung durch das Diktat der Gier. Opfer dieser Verhältnisse ist Medea und ihre triebhaften Suche nach Wertigkeit. Liebe braucht keine Emotion. Aber all you need is bekanntlich ja doch love, love, love und so ist Medea eine unwissentlich zerrissene zwischen Vater und Ehemann, die beide Sinnbild einer patriarchalischen Konsumgesellschaft sind. Denn letztendlich geht es doch nur um das eine: monetäre Macht. Antrieb jeglichen Handelns ist das begehrte Widderfell in goldgelb. Die Charaktere sind jeglicher sonstiger Motivik beraubt. Und genau das verleiht der Inszenierung den Ausdruck einer existenziellen Reflektion und wird somit zu einem Sinnbild einer Gesellschaft, die sich auf Kosten der gepriesenen Absurdität ihrer eigenen Grundwerte beraubt hat. Und weil Krise ja gerade ein großes Wort ist, ist das gut und reflektiert und irgendwie bestimmt auch subversiv. Und so kommt es wie es kommen muss, zum furchtbaren Schluss. In diesem Fall gerinnt das blutige Ende zur narrativen Struktur und klein wenig Farbspielerei. Nicht zuviel, bitte. Ein paar Spritzer, eine gute Story und vor allem starke Schauspieler. Mehr braucht es nicht und mehr gab es nicht. Reicht aber auch. Von wegen kölsche Frohnatur. Düster ist das im Nachhall. Und es ist wahr, so unendlich wahr, denn: Der Traum ist ja gedichteterweise aus, allein die Nacht noch nicht.


Dennis Sand