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Zehn Jugendliche zwischen 15 und 20 Jahren aus Wilhelmsburg gaben in zwei Stücken „Wir, das ist was, womit ich lebe“ und „Unerhört – ungehört“ Einblick in ihre Gedanken, Ängste, Hoffnungen.

 

„Warum werden wir gefragt wo wir herkommen?“, fragt ein Jugendlicher ins Publikum. „Weil wir nicht hierher gehören“, antwortet sein Kumpel. Doch heute gehören sie hierher – auf die Bühne des Thalia Theater in der Gaußstraße. Und sie haben viel zu sagen. Zehn Jugendliche zwischen 15 und 20 Jahren aus Wilhelmsburg gaben in zwei Stücken Wir, das ist was, womit ich lebe und Unerhört – ungehört Einblick in ihre Gedanken, Ängste, Hoffnungen.

Ihre Eltern kommen aus Afghanistan, Albanien und der Türkei. Mit ihren Zitaten thematisieren sie Vorurteile mit denen sie als Ausländer unter Deutschen zu kämpfen haben. „Türken sind brutal, Türken tragen schwarze Bärte und wenn was explodiert dann waren wir es.“ Das Publikum wird leise. Nachdenklich. Vielleicht fragt sich jeder selbst, ob er auch manchmal so denkt. Beide Stücke regen zum Nachdenken an. Zum Nachdenken darüber, ob es wirklich so eine große Rolle spielt, welche Farbe unsere Haut, welche Sprache über unsere Lippen kommt.

Sie reihen Zitate in unterschiedlichen Sprachen aneinander, trommeln dazu, tanzen und rappen. Über die Leinwand flimmern Fotos aus Tirana, Paris, Istanbul, Kabul oder Bagdad. Zerstörte Häuser, Menschen mit Waffen. Im Rap fragen sich die Jugendlichen: „Ist diese Welt so ein Arschloch?“. Mit Tanz, Poesie und Musik machen die zehn klar, dass es nicht um die Herkunft eines Menschen geht, sondern um das, was in ihm steckt. Denn „das Gewand des Lebens“ hat sich keiner ausgesucht, sondern einfach angezogen. Da wird auch mal im Ghettodeutsch über die Heimatstadt Hamburg gerappt oder über den Sinn des Lebens sinniert. Ein aufwendiges Bühnenbild oder viel Inventar brauchen die Jugendlichen nicht, schließlich zählt hier nur der Inhalt.

In der 20-minütigen Performance „Unerhört – ungehört“ werfen drei Jugendliche mit Sprichwörtern aus ihren Kulturen um sich und thematisieren damit aktuelle gesellschaftliche Probleme. „In schnelle Taten wickelt sich der Teufel ein, das sieht man auch an der letzten Bundestagswahl“, sagt einer der Jugendlichen. „Also Leute, beim nächsten Mal: wählt laaaangsam!“.

Kriege, Terror und Religion werden auf humorvolle Weise durch Sprüche aufgegriffen. Mit dem Klischee, dass der Islam Selbstmordattentäter hervorbringen würde, räumen die Jugendlichen auf. Schließlich sei Selbstmord im Islam ein absolutes Tabu. Nach dem zweiten Stück meldet sich eine Frau aus dem Publikum: „Dieser Rap, der hämmerte richtig ins Hirn. Aber ist es wirklich so schlimm mit uns Deutschen?“ „Nicht alle Deutschen sind gleich. Die Deutschen in Wilhelmsburg sind anders als die in Altona“, sagt ein Mädchen aus dem Ensemble. Im Gespräch mit den Jugendlichen wird klar, wie viel Arbeit und Emotionen sie in diese Theaterstücke gesteckt haben. Sie zeigen in ihrem Schauspiel ganz persönliche Seiten und das berührt einen. Die Texte für beide Stücke stammen aus dem Leben der Jugendlichen oder durch die Auseinandersetzung mit philosophischen Texten.

Lange bleibt ein Zitat dieser kreativen Reise von der Vergangenheit über die Gegenwart bis in die Zukunft im Kopf: „Du vergisst die Blumen die du zertrittst während du zur Rose läufst“.


Nina Draxlbauer