"Alles i
st mit al
lem verbunden"

Heute starten zum ersten Mal die Lessingtage. Ein Theaterfestival, das sich dem Thema Religionen und Kulturen widmet. Bei der Eröffnung beeindruckt Ilija Trojanows Vortrag "Weltbürgertum heute".

 

Neu, anders, mutig – all das sollen die Lessingtage 2010 sein. „Ein Theaterfestival, wie es es in Hamburg noch nie gegeben hat“. Mit diesen Worten eröffnet Joachim Lux (Intendant) heute die „Lessingtage 2010“. Ein Themenfestival, das sich, „was heute sehr selten ist“, so Lux, „nur mit einem Thema auseinandersetzt“: Den Kulturen und Religionen dieser Welt. Besonders wichtig: „Die Lessingtage sind keine Ansammlung von Gastspielen, sondern ein Festival, das sich dem Thema auf unterschiedlichste Art nähert“, erklärt Lux.

Über 60 Veranstaltungen in den nächsten 14 Tagen. Gastspiele aus Berlin, New York und Tel Aviv. Dazu Konzerte, Diskussionen und Stadtführungen. Die Öffnung des Theaters zur Stadt, den Menschen und der Realität bezeichnet die Hamburger Kultursenatorin Karin von Welck in Ihrer Rede als „ mutig und begrüßenswert“.

Mit der Begeisterung für diese Thematik sind Karin von Welck und Joachim Lux nicht allein. Denn das Thalia Theater am Altsertor ist „gut besucht“, wie ein Mann im Publikum richtig bemerkt. Um den Titel des Festivals „Um alles in der Welt“ zu erklären greift Joachim Lux in die von ihm betitelte „Fundgrube Lessing“. Laut der ein Titel dann gut ist, wenn er möglichst wenig vom Inhalt verrät.

Lessing: eine Fundgrube. Lessing: ein Aufklärer und Verständiger. Lessing: „So aktuell, wie schon lange nicht mehr.“ Diese Worte fallen nahezu identisch von Joachim Lux und auch von Ilija Trojanow, der heute die Eröffnungsrede hält. Denn die Fragen, die Lessing vor über 200 Jahren anstieß, sind heute vielleicht wichtiger denn je. Insbesondere eine der Fragen des 21. Jahrhunderts: Wie können die Religionen und Kulturen dieser Welt mit- und nebeneinander leben?

Einen sehr guten Startschuss zu dieser Debatte gab heute der Autor Ilija Trojanow mit seiner Eröffnungsrede zu einer kosmopolitischen Kultur. Anhand von Lessings Ringparabel aus „Nathan der Weise“ erklärt er beispielhaft die Vermischung und Komplexität der Kulturen und Religionen der Welt. Mit sehr anschaulichen Beispielen erzählt Trojanow die Ursprungsgeschichte der Ringparabel, in der drei Ringe, die nicht zu unterscheiden sind, stellvertretend für die drei großen Weltreligionen stehen. Trojanow erklärt wie viele Väter die Parabel hat. Aus welchen Religions- und Kulturkreisen sie stammen und dass man sich bei ihr daher nicht nur fragen sollte: „Wer ist im Besitz der Wahrheit?“, sondern vor allem auch: „Wer erzählt hier eigentlich?“.

Trojanow schafft es immer wieder das aktuelle Geschehen mit der Geschichte zu verbinden und somit auch Lessing ins Heute zu holen und uns zu erklären, warum es so wichtig ist, sich mit ihm zu beschäftigen. Die Welt, in der wir leben, ist so komplex, „da alles mit allem verbunden ist“, so Trojanow. Der Kosmopolit in der heutigen globalisierten Welt ist daher, so Trojanow, „verständlicher, migrativer und vielsprachiger“, nur mache er sich das nicht immer bewusst. Er erklärt es damit, dass sich die Menschen immer noch an ein systematisches Denken klammern und in allem eine Ordnung suchen. Viel einfacher wäre es, sagt er, wenn man im Chaos jedem Element eine gleich wichtige Rolle zukommen lassen und nichts beschränken würde.

Zum Ende seiner Ausführungen schließt Trojanow den Kreis und kommt zu Lessing zurück. Schon er habe erkannt, dass Empathie die wichtigste Voraussetzung für einen guten Menschen sei. „So geht es bei der kulturellen Vielfalt nicht nur darum sie zu sehen, sagt Trojanow, sondern vor allem sie zu verstehen.“

Nach Trojanows inspirierenden Worten (Livestream-Aufnahme hier) kann ich nur hoffen, dass mir die Lessingtage helfen werden, bei dem, was doch so wichtig ist: Verstehen.


Katharina Finke