Rezensi
onen zu
Der S
andmann

Schulbotschafterinnen und Schulbotschafter verfassen regelmäßig Rezensionen

„Das ist ein böser Mann, der kommt zu den Kindern, wenn sie nicht zu Bett gehen wollen, und wirft ihnen Händevoll Sand in die Augen, dass sie blutig zum Kopf herausspringen…“ Nathanael lebt in einem Käfig. Ein Käfig, den niemand ausser ihm fassen kann. Ein Käfig, aus dem niemand ihn befreien kann. Ein Käfig aus Erinnerungen. Ein Käfig – ein Trauma. Zwischen tief dunkler Atmosphäre, den ironischen Klängen einer festlichen Band, Wahnsinn und Verzweiflung - „Der Sandmann“ nach E. T. A. Hoffmann ist ein packendes Stück, das einen so schnell nicht mehr loslässt. Mit exzellentem Schauspiel werden Themen wie Misshandlung, Familie, Beziehungen und Feminismus auf abstrakte Weise und in eleganter Sprache aufgearbeitet und präsentiert.


Den Zuschauenden wird der Zugang in eine Welt voller, sich überschlagender Gefühle und Verstrickungen gewährt, die unter den lenkenden Klauen des „Sandmanns“ noch undurchdringlicher scheinen. Eingebettet in grausame, sich im Kreis windende Festlichkeit, wird Nathanaels düstere Geschichte erzählt und von anderen Charakteren beleuchtet. Teilweise war es sehr anspruchsvoll, dem Geschehen auf der Bühne zu folgen, weshalb ich das Stück definitiv nur Menschen empfehlen würde, die Lust haben, sich ein wenig verwirren und entgeistern zu lassen. Alles in allem ist „Der Sandmann“ ein wirklich lohnenswertes Stück, das fesselt und tief unter die Haut geht! Denn es ist nicht gewiss, bei wem der Sandmann demnächst zu Mittage isst.

 

Yolanda, Gebrüder-Humboldt-Schule Wedel, 18 Jahre (gesehen im Feb. 2023)


Der Sandmann

 

Dieser Sandmann ist weder das kleine Männchen aus dem Kinderkanal noch ähnelt er der monströsen Gestalt des Mr. Lordi. Er ist ein italienischer Butler. Nathanael sieht in dem Mann (André Szymanski), den er auf der Feier seines Professors Spalanzani (Gabriela Maria Schmeide) trifft, wohl das Monster, das Tomi Putaansuu auf der Bühne porträtiert. Dies führt zu einer Rückerinnerung an Vorfälle, die zum Tod von Nathanaels Vater führten und die über eine Briefform vermittelt werden.

Es zeigt sich, wie verheerend fehlerhafter Umgang mit Traumata sein kann. Konkret führt dies bei Nathanael dazu, dass er sich mit seiner Verlobten Clara (Toini Ruhnke) überwirft und seine Liebe auf die künstliche Tochter Olympia (Toini Ruhnke) des Professors fokussiert. Das Trauma rührt letztendlich aus der Verknüpfung der Schreckenserzählung über den Sandmann und dem Auftreten von Coppelius, einem Anwalt und Partner des Vaters bei dessen alchemistischen Experimenten, welche zu dessen Tod führten.

Das Stück spielt in den 50er Jahren in einem amerikanischen Setting, was sich auch im Bühnenbild wiederfindet, welches in eisblau gehalten ist und neben Plastikstücken auch opulente Kuchen beinhaltet. Das Setting wird weiterhin durch die Kleidung der Live-Band unterstützt, welche außerdem für die musikalische Untermalung von Nathanaels Emotionen verantwortlich ist, was wiederum zur Bezeichnung "Musical" führt.

Leider fehlt dieser Inszenierung eine durchgehende und klar ersichtliche Geschichte, und die Objektivierung der Frau wird nur am Rande angeschnitten. Dennoch ist „Der Sandmann“ am Thalia Theater durch seine hohe Qualität im Schauspiel, Bühnenbild und musikalischen Aspekten für Freunde des Musicals durchaus eine Empfehlung.

 

Julius Leonel Himstedt, Stadtteilschule Blankenese, Jg 13