Rezensi
onen zu Brüste un
d Eier

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Brüste und Eier

Das Stück „Brüste und Eier“ ist wohl das beste Theaterstück, dass ich seit langem gesehen habe. Die Geschichten der Hauptfigur und aller anderen Figuren sind berührend. Die lebhaften Erzählungen lassen mich in die mir eher fremde Welt eintauchen.

Ein so authentisches Erlebnis, wie man es nur selten durch Film und Fernsehen bekommt. Die tollen Kostüme, die Schauspielerinnen und Schauspieler und die Bühnenbilder sowie die Musikwahl sind alle wunderbar abgestimmt.

Ein Stück, dass so zum Nachdenken anregt und einen erreicht, wie es bei mir selten ein Stück geschafft hat.

 

Charlotte Brix, Matthias-Claudius-Gymnasium (16 Jahre, Jg. 11)


 

Brüste und Eier von Mieko Kawakami Regie Christopher Rüping

 

Hier ist der Name Programm und dennoch werden meine Erwartungen in dieser Inszenierung  unter der Regie von Christopher Rüping am Thalia Theater Hamburg übertroffen.

Der Abend beginnt mit der an die Zuschauer:innen gerichteten Erzählung des Kindes von Natsuko, warum seine Mutter sich dazu entschied, ein Kind zu bekommen. Diese Erzählung, die teilweise in Deutsch und teilweise in Japanisch gesprochen sind, leitet durch ihren mehr als 20 jährigen Lebensweg. Damit möchte sie das Trauma des Verlustes aller Elternfiguren überwinden und sich den Herausforderungen einer alleinerziehenden Mutter stellen. Nach einer Einführung ihrer Herkunft aus der japanischen Unterschicht, seit der Flucht des Vaters vor dem organisierten Verbrechen, lebt Natsuko mit Schwester und Mutter bei ihrer Großmutter.
Infolge des Todes von Mutter und Großmutter arbeiteten sie und ihre Schwester Makiko (Hans Löw) im gleichen schmierigen Etablissement wie ihre Mutter. Mit inzwischen 30 Jahren lebt Natsuko als mäßig erfolgreiche Schriftstellerin in Tokio und bekommt zum ersten Mal Besuch von ihrer älteren Schwester und deren Tochter (Julian Geist), da Makiko eine Brustvergrößerung vornehmen will.
Der Umgang der beiden erzeugt nach Aussage des Erzählers den Wunsch nach einem eigenen Kind in Natsuko. Aufgrund ihrer Asexualität spekuliert sie über eine Samenspende, nach einer sehr unangenehme Begegnung mit einem Sperma-fixierten Spender (Nils Kahnwald) und dem Erfahrungsbericht eines Spenderkindes, entscheidet sich die inzwischen erfolgreiche Autorin gegen eine Samenspende, ändert allerdings zum Ende hin ihre Meinung und entscheidet sich für eine Samen - Spende von einem Bekannten.

Das Bühnenbild ist schlicht und beinhaltet ein Spielhäuschen, rollbare Zimmer, Stofftiere und Teile der Musiktechnik. Da verschiedene Schauspieler:innen das Sprechen der Texte übernehmen und Schauspiel und Text teilweise getrennt werden, entsteht ein Gefühl, die Erzählung im Kopf einer Person zu erleben.

Durch die Verwendung einer Choreografie zu ABBAs “Lay all your love on me” wird nicht nur gezeigt, dass Saori Hala nicht nur alibimäßig an der Inszenierung beteiligt ist,  sondern auch, wie eine Choreografie sich gut einfügt um die Stimmung zu unterstreichen.

Natürlich kämpft die Inszenierung mit ihrem Charakter als Romanadoption und sicherlich ist die japanische Kultur und Lebenswelt nicht perfekt wiedergegeben, dennoch liegt in der Darstellung einer japanischen Themenrezeption in Verbindung mit westlicher Themenrezeption eine besondere Stärke der Inszenierung.

Durch die Verschmelzung der klassischen Dramentheorie mit dem Einsatz eines retardierenden Momentes, und einem postdramatischen Elementen, wie z.B. der Entpsychologisierung, Musikalisierung, dem Spiel mit der Dichte und dem Einbruch der Realität zeigt „Brüste und Eier“ ein gutes Gespür für eine zeitgemäße Darstellung, ohne zu einem dogmatischen Zwang zu verfallen, auch wenn der Bruch der vierten Wand im Thalia zu inflationär eingesetzt wird.

Demnach lässt sich eine eindeutige Empfehlung für diese Inszenierung für alle Personen aussprechen, welche über 16 und nicht nur Interesse an klassischen europäischen Ansätzen sondern an internationalen Themen haben.                         

 

Julius Leonel Himstedt, Stadtteilschule Blankenese, Jg 13


 

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