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Schulbotschafterinnen und Schulbotschafter verfassen regelmäßig Rezensionen

“Was waren das für Leute, meine Leute?”


Herkunft erzählt die Geschichte und das Leben von Sasa Stanisić. Es erzählt das Schicksal in einem Land geboren zu sein, aus dem man fliehen muss, weil es nicht sicher genug dort ist. Ein Land, welches es bald danach nicht mehr gibt. Es ist die Suche nach einer Heimat, nach einer Herkunft, nachdem der Ort des Anfanges genommen wurde. Es ist eine Geschichte von Zusammenhalt über Grenzen hinweg und Getrenntheit trotz Beisammensein. Es ist das Sammeln von Erinnerungen. Den eigenen, denen der Familie und den Erinnerungen des Landes. Es ist Abschiednehmen, Begrüßen, Neuanfänge, Neuanfangen und Neuansetzen. Wo beginnt, wo endet man?


Doch es ist nicht nur die private Vergangenheit von Sasa Stanisić, es ist Gegenwart, die uns alle beeinflusst, die uns alle etwas angeht. Die Inszenierung von Sebastian Nübling konzentriert sich auf die Beziehung von Sasa Stanisic (Sebastian Zimmler) und seiner Großmutter Kristina (Lisa Hagmeister), welche auch in dem Roman eine zentrale Rolle spielt, und nutzt diese als „roten Faden“. Das Verblassen der Erinnerungen der Großmutter durch das Alter nimmt Sasa als Anlass sich mehr mit seiner Geschichte zu beschäftigen.


“Als meine Großmutter Kristina Erinnerungen zu verlieren beginnt, beginne ich, Erinnerungen zu sammeln.” Durch Besuche, Telefonate und den Erzählungen der anderen Figuren (verkörpert durch Vernesa Berbo und Maike Knirsch) arbeitet Sasa sich durch das Geschehene und versucht seinen Umgang damit zu finden. Die Inszenierung orientiert sich an dem assoziativen Erzählen, welches Sasa Stanisic in der Roman-Vorlage verwendet. Man springt von Szene zu Szene, scheinbar keinem sichtbaren Leitfaden folgend, und kommt trotzdem verständlich voran. Zentraler Ort des Geschehens ist die Wohnung der Großmutter, immer wieder kehrt Sasa an diesen Ort zurück, wird herausgerissen aus seinen Gedanken-Ausflügen und immer wieder hat er durch seine Großmutter eine neue Alltags- und Alters-Herausforderung zu meistern, die ihn aber nicht selten auf eine neue Reise schicken.

 

Das Bühnenbild (Evi Bauer) besteht aus vielen, schwarz gestrichenen Möbeln und Requisiten. Es bildet den Hausstand der Großmutter, die Gräber der Ahnen und die neue Heimat in Deutschland. Durch die monochrome Farbwahl stechen die Schauspieler*Innen stark hervor und setzten sich visuell durch. Das Licht leitet die Zuschauenden durch die einzelnen Szenen. Durch Nebel, die Musik (Polina Lapkovskaja) und natürlich das Spiel wird man hineingezogen und mitgerissen, die Reise, die Sasa und die anderen Figuren durchleben, mitzuerleben.

 

Die Inszenierung findet einen sehr liebevollen Umgang mit dem Roman und der doch sehr persönlichen Gesichte Sasa Stanisićs. Es bringt die Erfahrungen der einzelnen Mitwirkenden, von Regie und Dramaturgie (Julia Lochte), Musik und denen der Schauspielerinnen und Schauspieler mit und vereint sie zu diesem besonderen Theaterabend.

 

Februar 2022: Hannah Schürmann, 20 Jahre, Studierende Uni Hamburg, ehemalige Schulbotschafterin vom EWG


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