Rezensi
onen zu GRM B
rainfuck

Schulbotschafterinnen und Schulbotschafter verfassen regelmäßig Rezensionen

GRM Brainfuck – zwischen pessimistisch- realistischer Zukunftsprognose und Gegenwartsanalyse

 

Was dort auf der Bühne erscheint kommt einem zunächst nach einem Science-Fiction Film vor und fast fühle ich mich in die Zeiten des Streaming Theaters zurückversetzt als ich auf den großen Bildschirm blicke. Die Science-Fiction ähnliche Kulisse entwickelt sich leider im Verlaufe des Abends zu einem immer klareren Bild gegenwärtiger Abgründe. Die Abgründe einer ganzen Generation: Warum nehmen sich ständig alle das Recht über unsere Zukunft zu entscheiden? Was soll als Nächstes kommen? Was hat uns der Neoliberalismus eigentlich noch zu bieten?
„Das Leben ist ein Geschenk. Aber was ist denn, wenn wir dieses Geschenk nicht haben wollen?“


Für den Einen oder Anderen mag dieser Abend vorhersehbar scheinen. Tanz, Bildschirm und Sprache scheinen sich systematisch abzulösen, aber vielleicht bedarf es genau dieser Systematik. Nicht zuletzt diese Klarheit lässt die Texte an Schärfe gewinnen. Der so leere und große Bühnenraum macht das Geschehen hochkonzentriert und verkörpert geradezu das System, gegen welches die Schauspieler*innen und Tänzer*innen kämpfen und doch so klein wirken. Und die Konsequenzen dieses Systems finden einen großartigen Ausdruck in den Körpern der Tanzenden. Kollektive Wut, Verzweiflung, Druck, Erwartungen, Angst. Überhaupt scheinen die Körper eines an diesem Abend stetig klar zu machen: Es geht um etwas! Dabei ist es wirklich eine Freude zu sehen, dass dem Tanz eine so große Rolle zukommt und den Abend damit besonders zugänglich macht. Alles in einem ein musikalisch sowie tänzerisch sehr gelungener Abend, der den Stimmen einer Generation mit großer Dringlichkeit einen Ausdruck verleiht. Ein Stück mit dem Potenzial, die Schulklassen wieder in den Theatersaal zu holen.


Charlotte, Johann-Comenius-Schule (18 Jahre)


 

GRM Brainfuck

 

Dieses Stück befasst sich mit der Gegenwart sowie der Zukunft, was also jeden anspricht. Mir gefällt das Stück wegen der Kontraste, die gebildet werden zwischen sozialen Schichten oder der realen, sowie der virtuellen Welt. Dinge, die niemand ausspricht. Zu erwarten sind dystopische Zukunftsvorstellungen, aufregende Tanzeinlagen und Musik mit krassen Beats, ein Stück, daß mitreißt und zum Nachdenken anregt. Denn wer weiß schon wie die Zukunft aussieht?

 

Charlotte Brix, Matthias-Claudius-Gymnasium (16 Jahre, Jg. 11)


 

Zwischen Zukunftsdystopie und Grime – ein denkwürdiger Abend

 

Es war wahrhaftig ein Spektakel, was sich am Donnerstag, den 27.10.22 im Thalia Theater in Hamburg ereignete: „GRM Brainfuck“, ein Stück nach dem gleichnamigen Roman von Sybille Berg, nahm das Publikum mit auf eine Reise in ein düsteres Zukunftsszenario des Vereinigten Königreichs: Korrupte Regierungen, Kapitalismus, eine seit dem Brexit gespaltene Gesellschaft und soziale Medien, in denen Datenklau an der Tagesordnung ist. Und mittendrin eine Gruppe jugendlicher Außenseiter, die sich gegen das neoliberale System stellen.


Im Zentrum der Inszenierung steht ein grell leuchtender Videoscreen, auf dem zeitweise die beiden Hauptdarsteller (Tim Porath und Gabriela Maria Schmeide) zu sehen sind. Sie verkörpern in dem Stück die grässlichsten aller vorstellbaren Baby-Boomer, mit Gedanken voll von Vorurteilen gegenüber der Krisengeneration Z und berichten pausenlos über das zukünftige und vollständig digitalisierte Leben. Ihre übertriebene und teilweise roboterartige Mimik und Gestik gepaart mit Elementen, wie VR-Brillen verleihen dem Stück einen futuristischen Beigeschmack. Von permanent grellem Licht in Szene gesetzt wird die sich unter dem Bildschirm befindliche Drehbühne zum Schauplatz des zunehmenden Widerstands der Jugend gegen das Leben, das ihnen von der Gesellschaft aufgezwungen wird. Ausdruck ihres Aufstands ist der Grime und so ziehen die Tänzer und Tänzerinnen, die zwischendurch im Zuge der Informationsflut verlorengehende Aufmerksamkeit des Publikums immer wieder auf sich, sobald die Musik einsetzt. Diese wird laut und passend eingespielt und lädt ein, das Visuelle und Auditive miteinander zu verbinden. In Kombination mit den energetischen Bewegungen, den verschiedenen Choreografien des die Jugendlichen vereinenden Tanzstils, erschafft sie eine kraftvolle Kulisse und reißt das Publikum mit in eine Periphere, in der das Tanzen das Einzige ist, das zählt. Die anhand der Tanzeinlagen sowie der Dialoge zwischen den beiden Hauptdarstellern und dem chorischen Sprechen der Jugendlichen erläuterten Konflikte zwischen den rebellischen Außenseitern und dem Establishment sind der rote Faden, an dem sich die Handlung teilweise etwas schleppend entlanghangelt. Das Ganze mündet schließlich in einen gescheiterten Hackerangriff der Jugendlichen auf das digitalisierte System und dem finalen Sieg der Neoliberalen über ihre humanistischen Kritiker


Was am Ende wohl beim Gros der Zuschauer hängen bleibt, ist ein Gefühl des wahrhaftigen „Brainfucks“, nicht jedoch ein großer Teil der vermittelten Information. Denn vor allem diejenigen, die den gleichnamigen Roman noch nicht gelesen haben, werden von der Informationsflut dermaßen überrollt, dass es ihnen schlichtweg nicht möglich ist, an einem einzelnen zentralen Gedanken auch nur länger als ein paar Sekunden festzuhalten. Im Nachhinein betrachtet, besteht der Gedanke hinter der gewählten Inszenierung jedoch mit einer großen Wahrscheinlichkeit in dieser im ersten Moment ermüdenden und verwirrenden Wirkung des Stücks auf das Publikum, diese ist demnach gewollt.


Nina Quast, Kath. Sankt-Ansgar-Schule (Jg. 11)


 

GRM Brainfuck – Gleichheit oder Individualität?

 

Gleichheit oder Individualität?

Dass beide dieser zwei Werte von erheblicher Bedeutung sind, liegt wahrscheinlich jedem nah. Doch welcher dieser Werte ist wichtiger? Und welchen dieser Werte sollten wir als Menschheit als Basis unserer Zukunft wählen? Unter anderem diese Fragen beschäftigen mich nach dem Besuch des Stückes „GRM Brainfuck“, einer Verkörperung der Gegenüberstellung von Gleichheit und Individualität. Die „Gleichheit“ wird von zwei Figuren (auf einem Medium) verkörpert, die durch schlichte, gleiche Kleidung, sowie eine monotone Ausstrahlung ein Beispiel für die Menschheit einer solchen Zukunft darstellen, die von Gleichheit und „Fairness“ geprägt ist.

Doch ist Gleichheit wirklich fair, wenn der Preis für sie ein Individualitäts- & Identitätsverlust ist?

Den Gegensatz zur Gleichheit stellt die Individualität dar, die durch mehrere Figuren verkörpert wird, die mittels unterschiedlicher, ausgefallener, bunter Kleidung zeigen möchten, wie falsch jene liegen, die sie in ihrer expressiven und individuellen Lebensweise kritisieren. Ihre Expressivität tragen sie in ihren beeindruckenden Tanzeinlagen aus und sorgen für eine entsprechende Stimmung im Publikum. GRM Brainfuck ist sowohl durch den Tanz und die Musikwahl, als auch in der visuellen, sprachlichen und förmlichen Gestaltung so modern, dass ich es Schüler:innen ans Herz legen möchte, insbesondere dann, wenn sie kein Interesse an „typischem“ Theater haben.

Ein Stück, das zum Nachdenken anregt und dennoch Unterhaltung garantiert.

 

Negin Asadi, Matthias Claudius Gymnasium, Jg 12


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