Pressestim
men zu Lu
lu. Die Büch
se der Pandora

 

Göre, Girlie, Biest und Hure

„Es war der Abend von Fritzi Haberlandt. Sie spielte eine Lulu von grausamer Komik und zerrender Trauer. Ihr gelang der schnelle Wechsel von Freude zu Entsetzen, von Hysterie zu Furcht. Göre, Girlie, Biest und Hure.

Als sie am Schluss auf dem Londoner Straßenstrich Freier aufgabelt, trägt sie schwarz, ein Bild des Jammers. Der scheinbar freundlichste Freier ist Jack the Ripper. Er tötet Lulu, als sie sich fast geliebt glaubt. Endlich ein Bild der Leinwand: Ganz langsam gerinnt die Unschärfe zu einem überdimensioniertem Auge, schließlich ein Portrait der lächelnden Lulu.

Regisseur Michael Thalheimer verließ sich zu Recht auf das Ensemble bei diesem Drahtseilakt des Minimalismus (Bühne: Olaf Altmann). Die Rollen waren glänzend besetzt, vom coolen Dr. Schöning (Norman Hacker) über seinen Sohn Alwa (Felix Knopp) bis zu Schigolch (Markus Graf) und dem unheimlichen Jack the Ripper (Michael Benthin).

Maren Eggert gab Gräfin von Geschwitz verzweifelte Größe, gekonnt unterspielte sie ihren Part. Hervorragend auch die akzentuierten Kostüme von Barbara Drosihn. Großer Beifall am Schluss für Ensemble und Regie - und Jubel für die Hauptdarstellerin.

                                                           Werner Theurich, in DER SPIEGEL, 29.2.2004

 

Die kostbare Blöße

„Am Thalia Theater hat Michael Thalheimer Frank Wedekinds groteske Tragödie Lulu inszeniert. Gemeinhin wird Lulu als "Urgestalt des Weibes", als "des Lasters Kindereinfalt", als "unsre Schlange" inszeniert (mit diesen Begriffen stellt sie im Stück ein Tierbändiger vor). Gemeinhin ist Lulu eine "Teufelsschönheit" (so sagt im Stück Dr. Schön, der später von ihr erschossen wird), die ihrem Trieb folgt und ihn mit Nacktheit beglaubigen muss. Bei Thalheimer aber ist Lulu die einzige Person, für die Nacktheit nie infrage käme. Es sind die Männer, die vor ihr Form und Scham verlieren. Grauen Anzugsherren rutschen die Beinkleider auf die Knöchel, traurige Hodensäcke bimmeln uns die Ballade von der sexuellen Hörigkeit. Maler Schwarz, Dr. Schön – unglückliche Entblößte, die in runtergelassenen Hosen wie in Betonsockeln stehen. Der Slapstick des "alten Rein-raus-Spielchens" (so hieß das in Kubricks Uhrwerk Orange) ist zu einer körpersprachlichen Extremkurzschrift geworden, welche nur noch das Rauf und Runter des Gürtels kennt.

Fritzi Haberlandt  ist der Hauch einer Lulu, die Idee der Lust eher als ihre Verkörperung. Ein Puck, keine Medusa. Die Nacktheit der Männer steigert nur ihre Keuschheit. Die Bühne ist leer wie ein Radarschirm, auf dem ein einziges ihre Keuschheit. Die Bühne ist leer wie ein Radarschirm, auf dem ein einziges Objekt schwebt, Lulu.“

                                                                       Peter Kümmel in DIE ZEIT, 4.3.2004