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Schulbotschafterinnen und Schulbotschafter verfassen regelmäßig Rezensionen

 

 

6.April 2019, Hamburg. In einer Zeit, in der vielerorts die Kluft zwischen Arm und Reich weiter auseinanderreißt und die Politikverdrossenheit zunimmt, könnte kein Stück aktueller sein: Mit Helge Schmidts Inszenierung von Lutz Hübners und Sarah Nemitz´ Werk „Furor“ werden zentrale Probleme der heutigen Zeit angegangen.

Nämlich in der viel zu kleinen Wohnung der Altenpflegerin Nele Siebolds. Als ihr Sohn Enno von dem Bürgermeisterkandidaten Heiko Braubach angefahren wird, taucht dieser nämlich bei ihr auf, um den Vorfall trotz bestätigter Unschuld ein für alle Mal zu klären. Als gerade ein Kompromiss zwischen den beiden ausgehandelt wurde und alles geregelt hätte sein können, kommt Neles Neffe Jerome vorbei. Als „Kämpfer der Gerechtigkeit“, genährt mit Halbwissen und Elitenhass, lässt der Paketbote Jerome den Konflikt zwischen ihm und Braubach, zwischen Arm und Reich, so richtig eskalieren.

Dabei macht es die Inszenierung einem nicht leicht, zwischen „Gut“ und „Böse“; „Richtig“ und „Falsch“ zu unterscheiden; sowohl Braubach als auch Jerome scheinen viel Wahres zu erzählen, gleichzeitig sind beide aber auch in Ungereimtheiten verstrickt. Wie in der echten Welt kann man nur schwer Fakenews, Halbwahrheiten und Vermutungen von den wirklichen Fakten unterscheiden. In diesem Fall kommt Nele Siebold auf den einzig belegten und wichtigen Fakt zurück: Dass ihr Sohn Enno verkrüppelt im Krankenhaus liegt.

Das Bühnenbild wirkt ebenso beklemmend wie die allgemeine Stimmung in dieser Inszenierung: Hohe graue Wände, wenig Platz und eine laut ratternde Waschmaschine sorgen für dieses minimalistisch-unangenehme, wie auch realistische Ambiente.
Doch auch die drei Charaktere reagieren zunächst passend verklemmt auf die Situation. Schon zu Beginn, als Tim Porath als Braubach und Victoria Trauttmansdorff als Nele mit mechanischen Bewegungen ihre jeweiligen Vorstellungen vorsingen oder alle drei Figuren ein seltsam künstliches Lachen ablassen, wird passend auf die unangenehme Stimmung eingegangen.

Richtig ernst wird es erst, als Nele den Raum verlässt und die Jalousie geschlossen wird. In einem heftigen Wortgefecht wird gezeigt, dass auch Politiker Menschen sind, die irgendwann die Nase voll haben. Oder „die verstehen, warum Diktatoren gerne ihre Untertanen unterdrücken“, wie es Tim Porath als Braubach ausdrückt. Als nun Jerome, lebhaft porträtiert von Steffen Siegmund, mit einem Handy belastendes Material für Braubach gesammelt hat, scheint die Situation außer Kontrolle zu geraten.

Sie diskutieren weiter, Hasstiraden treffen auf Ignoranz. Irgendwann schäumt sinnbildlich die Waschmaschine über, eine Versöhnung beider Kontrahenten scheint ausgeschlossen.
Anders als in der echten Welt wird letztlich das Wortgefecht von Nele mit mitgebrachtem Kuchen und mütterlicher Sturheit beendet. Der Konflikt ist so natürlich nicht behoben, er grollt weiterhin vor sich hin; nur für den Moment scheint er vergessen.

Helge Schmidts Inszenierung von „Furor“, inhaltlich eher trocken, läd zum Nachdenken über heutige Konflikte ein. Durch das passend verklemmte Ambiente und erschreckend realistischen Charakteren kommt man nicht daran vorbei, sich selber Meinungen, Vermutungen, Anschuldigungen zusammen zu spinnen und diese doch als ebenso unnütz und gefährlich zu entlarven. Noch mehr Gegenwart geht wohl nicht.

Luise Lämmerhirt, Leibnitz Privatschule Elmshorn; Jg 13