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6.Februar 2019, Hamburg. Dass sich der Mythos um das Findelkind Kaspar Hauser nicht nur für einfallslose Verhaltensbiologie-Abitur-Aufgaben eignet, sondern sich auch als mysteriöser Rätsel-Rate-Krimi fast schon selbst vermarktet, ist so manchem klugen Kopf schon früh eingefallen. Doch Handke kreiert 1968 inmitten der Hochzeit der Studentenbewegungen und DJ Bobos Geburtsjahr ein Werk, welches diese alt gebackene Geschichte aus einer neuen, noch abstrakteren Perspektive zeigt. Wer jedoch glaubt, es kann nicht noch verrückter mit dem armen Kaspar Hauser zugehen, der hat noch nicht diese Inszenierung des Handke-Klassikers „Kaspar“ von Leonie Böhm gesehen.
„Komm mit mir ins Abenteuerland - Der Eintritt kostet den Verstand“. Diese Strophe aus dem Lied „Abenteuerland“ der kleinstädtischen Pop-Band Pur fasst brillant zusammen, was von den Zuschauer*innen bei dieser Inszenierung erwartet wird. Und von Kaspar Hauser. Denn der ist in diesem einstündigen Stück einer Situation ausgesetzt, die Normalsterbliche nur dann erfahren, wenn sie bei einer Logopädie-Nachhilfestunde LSD konsumieren.
Es ist natürlich klar, dass unter diesen Umständen keine wirklich kohärente Handlung zustande kommt. Zwischen Sprachfolter, Technomusik, Lauchsuppe, gefährlichen Stunts, sprechenden Pilzen und einer Nacktschnecke, die auf einem Pferd dem Sonnenuntergang zureitet, ist alles dabei.
Doch wer braucht schon eine sinnvolle Handlung in einem so unsinnigen Stück? Vor allem, wenn man Jörg Pohl auf der Bühne hat. Thalia-Hauptkomödiant verkörpert den verwirrten Kaspar Hauser mit so viel Witz und Genialität, dass man aus dem Lachen nicht mehr herauskommt. Dabei schafft er es, die Figur des Kaspar Hausers nicht ins Lächerliche zu ziehen, sondern verleiht ihr, und der Inszenierung, die nötige Authentizität.
Unterstützt wird Pohl dabei von Live-Musik in Gestalt eines bärtigen, Barfußsandalen-tragenden Mannes namens Johannes Rieder. Dabei agiert Rieder auf der Bühne auf vielfältige Weise mit und es verwundert fasst schon, dass er nicht unter den Schauspielern gelistet ist. Er und Pohl bilden dabei ein absolutes Traum-Duo, welches im Hintergrund eines Blockhauses den Mythos um Kaspar Hauser komplett neu aufleben lässt.
Leonie Böhms Inszenierung von „Kaspar“ bleibt im Kopf. Vielleicht nicht für die lineare Handlung oder die Sinnhaftigkeit. Aber eine solch kreative, originelle Darbietung will man für ihre Besonderheit nicht vergessen. Und eins bleibt klar: Am Ende der Vorstellung wird niemand sagen: „Ich will nicht mehr“; sondern sich eher wünschen, dass es nie aufhört mit diesem Kaspar Hauser.
Luise Lämmerhirt, Leibniz Privatschule Elmshorn, Jg 13