Pressestimmen
zu Judasevangeliu
m oder Verrat is
t deine Passion

„Beschämende Direktheit (...) Jonas P. Lang heißt der Theaterregisseur, der mit seiner Truppe nicht mehr klarkommt, und auch mit dem plötzlichen Ruhm, den ihm ein Theaterpreis beschert. In der Rede dazu war so ziemlich alles gelogen, sagt er, und schwadroniert lange darüber, dass man außergewöhnlichen Menschen, anstatt sie umzubringen, auch Theaterpreise verleihen kann. Ob dieser heruntergekommene, in seinem eigenen Saft schmorende Regisseur, dessen redselige Verzweiflung Tilo Werner schön lakonisch spielt, vielleicht ein Bruder im Geiste des berühmten Fritz Lang ist oder ein Alter Ego des Regisseurs dieses Stückes, des 34jährigen schmalen Ungarn Kornél Mundruczó, sei dahin gestellt. Fest steht, dass Mundruczó auf der europäischen Bühne bislang mehr als Filmemacher aufgefallen ist und als solcher im vergangenen Jahr einen Preis bekommen hat, den Kritikerpreis in Cannes für seinen Film "Delta". Als die Theatertruppe mit Glückwünschen und Kuchen hereinstürmt, stößt sie der Regisseur vor den Kopf, indem er die Zusammenarbeit aufkündigt. Nicht ohne ihnen aus einem staubigen Karton seinen Preis zu präsentieren: ein billiger Regiestuhl aus Stoff mit Namensaufdruck. Der Muff von ein paar Jahren (...) Aus dieser Konfliktlage entwickelt Mundruczó in Zusammenarbeit mit Yvette Biró eine monströse Groteske, die zur Spielzeiteröffnung des Thalia in der Gaußstraße uraufgeführt wurde. Die Zuschauer befinden sich verteilt in Wohnzimmer, Bad und Küche einer vollgestopften ärmlichen Wohnung und können, wenn die Regie es will, mithilfe von Kameras und Bildschirmen in alle Räume hineinschauen. Das ist als Theaterbühnenidee (von Márton Ágh) nicht neu, aber als Parodie auf die Hinterlassenschaften des Sozialismus doch so zwingend, dass man den Muff beinahe riechen kann. Herr Lang lebt immer noch bei seiner ungarischen Mutter, einem zur Schlampe mutierten Ex-Filmstar (hinreißend gespielt von Lili Monori) und seinem Stiefvater, der im Laufe des Abends ermordet wird. Immer unüberschaubarer und temporeicher wird das Geschehen, und soll es auch, bis es sich das Thema des Judasevangeliums überstülpt, das behauptet, Judas habe Jesus verraten, weil der es so wollte. Bis es auch hier zum Verrat aus Liebe kommt, hat Mundruczó uns tiefe und intime Einblicke in die Verlorenheit seiner Figuren erlaubt, die mit fast beschämender Direktheit ihr persönliches Desaster ausbreiten, sich gegenseitig quälen und dabei irritierend alltäglich wirken. Ein wenig erinnert das an die verstörenden Stücke Werner Schwabs. Mit seiner filmisch gebrochenen Unmittelbarkeit überschreitet Mundruczó jedoch eine neue Grenze.“ - Frankfurter Rundschau

 

„Márton Agh hat diese großartig muffige, ungarische Plattenbauwohnung auf die Probebühne des Thalias in der Gaußstraße gestellt. Seine Zimmer riechen eindeutig nach Osten, sind möbliert mit gammeligen Sofas, billigen 50er Jahre Stühlen, wackeligen Stehlampen und schäbigen Jalousien. Alle Räume sind mit Kameras und Monitoren ausgestattet, die Übertragung aus den anderen Zimmern ist gewährleistet. … Trocken und beiläufig … erzählt Kornél Mundruczó all diese merkwürdigen Begegnungen … mit eindringlichen Schauspielern. … Der Zuschauer bleibt wachsam, ist stets auf der Hut, und fragt sich, ob diese befremdlichen Konstellationen Teil eines undurchsichtigen Probenprozesses jener Schauspieltruppe oder traurig-bitterer Ernst sind.“ - nachtkritik.de