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Eine ekstatische Performance der Hexe

Meine Großmutter hat immer gesagt, wenn du nichts Gutes über jemanden sagen kannst, sag lieber gar nichts. Da ich mich aber in der misslichen Lage befinde euch etwas über Hänsel & Gretel zu berichten, fange ich zunächst mal mit den nicht ganz so schlechten Dingen an.

Die Rolle der Hexe hat gute Texte und war sehr unterhaltsam. Die Maskenbildnerin hat mit diesem Stück definitiv ihre Künste unter Beweis gestellt. Das Bühnenbild war zwar überwiegend spartanisch. Mir hat gefallen, dass öfter mit einem Art Splitscreen gearbeitet wurde, das Geschehen nur bruchstückhaft durch die Fenster der Kulisse zu erkennen war und zeitgleich von Steadycams aus dem Inneren auf eine heruntergefahrene Leinwand projiziert wurde. Dabei waren die Nahaufnahmen für meinen Geschmack etwas zu übertrieben.

An dieser Stelle sollte ich vielleicht kurz anmerken, dass ich kein Rammstein-Fan bin und dementsprechend mit der Musik nicht viel anfangen konnte. Allerdings gab es direkt im ersten Video einen sehr coolen Überblendeeffekt, den die Kameramänner zusammen mit dem Video Editing offensichtlich live gemacht haben. Was die Technik alles möglich macht. Und auch das zweite Musikvideo hat eine ansprechende Ästhetik, die etwas für die akustische Untermalung entschädigt. Der Höhepunkt des Stücks war für mich die fast ekstatische Performance der Hexe, die zurecht mit langem und lautem Zwischenapplaus gewürdigt wurde.

Eigentlich eine gute Idee den alten Märchenstoff in die Neuzeit zu holen, sodass die Eltern nun statt auf ihr Netflixabo oder den Zweitwagen zu verzichten, lieber Hänsel und Gretel im Wald aussetzen um sich durch weltliche Güter vermeintliches Glück in ihr trostloses Leben zurückzuholen. Aber warum müssen Hänsel und Gretel dann immer noch Lederhosen und Trachtenkleid tragen?  

C'mon, von dem Grimmmärchen ist eh nicht wirklich viel übrig geblieben. Da hätte man meiner Meinung nach auch bei den Kostümen konsequent sein müssen.

Generell vermiss ich bei dieser Inszenierung das große Ganze. Die Charaktere haben keinen nennenswerten Tiefgang, es wird kaum Einblick zu ihren Motivationen gegeben und eine Entwicklung machen sie auch nicht wirklich durch. Mal abgesehen von Gretels Verwandlung in einen Stein und das Hänsel natürlich fett wird.

Ich hatte aber eher das latente Gefühl, als wolle man in dieser Inszenierung möglichst abgespacte Sachen machen, die es vorher so noch nicht gab, nur um als progressiv zu gelten und auf Teufel komm raus eine Erwähnung in den Feuilletons zu finden. Provokation und Till Lindemanns Name sowie seine tiefe Stimme reichen mir aber nicht aus, um über den fehlenden Tiefgang des Stückes hinwegzutrösten. Fans von Rammstein oder sehr modernem Theater mag diese Inszenierung gefallen, aber ich fand das Stück generell etwas zu langatmig mit vielen Momenten in denen man sich fragt, ob das da wirklich sein muss. Björn Meyer liefert als Hexe erstklassig ab und auch Marie Jungs krankheitsbedingter Ausfall konnte gut kompensiert werden, aber insgesamt hat mich diese Inszenierung nicht überzeugt. 


Thalia Campus Botschafter Martin