Rezensi
onen zu
Richar
d III.

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Am Sonntag, den 8. Oktober 2017 besuchten wir die Inszenierung von William Shakespeares Drama Richard III. im Hamburger Thalia Theater.

Es ist zwar nicht mehr der 31. Oktober, doch jetzt schon wird eingefleischten Gruselfans Mord und Totschlag vom Feinsten angeboten; in Shakespeares „Richard III“ mordet sich der namensgebende „Held“ bis zum Königsthron hoch. Der aus dem Krieg zurückkehrende und von Geburt an verkrüppelte Richard hat auch keine andere Wahl; schließlich steht der Nachgeborene in der Thronfolge weit hinten. Und so werden Freunde wie Feinde manipuliert, hintergangen und ermordet, bis endlich „König Richard!“ verkündet werden kann.

Dabei glaubt man zunächst, Mitleid mit dem armselig dastehenden und schmächtigen Richard haben zu müssen; doch in dem Schafspelz steckt ein wahrer Wolf; einer der weiß, wie er die anderen Schafe zu leiten hat. Und so reißt der anfängliche Herzog sich die bleiche Totenmaske vom Kopf und beginnt, den Takt vorzugeben, wörtlich wie bildlich. Seine Mitmenschen tanzen dabei marionettenhaft herum, geleitet von Richards Schlägen auf einer wahrlich riesigen Trommel. Sie erkennen nicht, dass sie nichts weiter als Marionetten sind, welche ausgenutzt werden für das hinterhältige Spiel des Königs in spe. Aber wie sollten sie auch? Unschuldig wirkt er, schützenswert; gerade das ist es, was Richard so gefährlich und interessant wirken lässt.

Obgleich es auch Jörg Pohls gelungener Darstellung dieses Psychopathen zu verdanken ist, dass selbst der aufgeklärte Zuschauer mit dem armen Richard sympathisiert, nur um mit Gänsehaut zu erleben, wie dieser sich in ein skrupelloses Monster verwandelt, für den das Erfüllen seines ausgeklügelten Planes kein zu blutiges Opfer erfordert. Zum Teil wirkt er dabei wie eine inhumane Bestie, welche auf der Bühne herumturnt, hechelt und humpelt.

Dabei können auch die anderen Darsteller in ihren Rollen glänzen und verwandeln dieses Stück zum Teil in eine wahre Tragödie: Denn gerade der Verrat an so empathisch und auch liebenswürdig verkörperten Charakteren macht Richards Aufstieg zum Thron erst wahrlich blutig und hinterhältig. 
Auf der anderen Seite werden die Marionetten Richards auch nicht nur als unschuldige Schafe dargestellt. Gerade die Schlussszene, in der alle (übergebliebenen) Charaktere mit Schwertern auf den entwaffneten Richard eindringen und schließlich Richards Widersacher Richmond nüchtern und krankhaft lachend mit der Krone weggeht, wird deutlich, dass Richard zwar der größte Übeltäter in diesem Stück ist; seine Mitmenschen sind jedoch nicht weniger machthungrig und verdorben.

Wobei noch anzumerken ist, dass die Schauspieler vor eine wirkliche Herausforderung gestellt wurden, in ihren streng viktorianischen Kostümen ihre Rollen so authentisch zu beleben. In Anbetracht der Komik und Moderne, die in dieses Stück eingebracht wurden, ist es fast schon verwundernd, dass auf solche klassischen Kostüme zurückgegriffen wurde, welche zum Teil an eine Mischung aus Karneval und König Victorias Originalgarderobe erinnern. Es wirkt so, als hätte man sich nicht entscheiden können, ob man dieses Werk Shakespeares ganz traditionell oder ganz neu interpretiert vorführen wollte. Und so wird versucht, einen schmalen Pfad zwischen diesen beiden Extremen zu finden; wobei dieser auch teilweise (leider) schon übergangen wurde: So sorgt das plötzliche Blutübergeben König Eduards natürlich für einen überraschten Schreck des Zuschauers, jedoch ist dieses Lebenssaft-Kotzen fast schon zu obszön und übertrieben, um zum vorherigen gehobenen Ambiente zu passen.

An anderen Stellen wurde jedoch eine gute Balance zwischen konventionell und modern gefunden: So treten die Charaktere des Öfteren aus ihren Rollen heraus. Ursprüngliche  Regieanweisungen werden so gesprochen und Richard sagt auch mal für das Publikum an, wann eine andere Person auftritt. Jörg Pohl springt dabei auch mal mitten im Satz aus seiner Rolle heraus und spielt dann nicht nur den machthungrigen Fiesling, sondern auch den Schauspieler dessen. Und gerade dieses Entfliehen der Rolle lässt die Szenerie noch geplanter wirken und stellt den Protagonisten so als Aufgeklärten da, der über den künstlerischen Rahmen des Theaterstückes hinaus über seine Mitmenschen bestimmen kann.

Zudem muss auch noch das Bühnenbild kommentiert werden: Schließlich gibt es kaum eins. Aus nicht mehr als der schon genannten Trommel und schwarzen Vorhängen wird mit Wind, Nebel und Bewegung ein wahrlich episches Ambiente kreiert. Und es ist fast schon verwundernd, dass aus so wenigen Elementen so viel herausgeholt werden kann: Während König Richard die Trommel auch als Thron benutzt, gibt er mit ihr gleichzeitig den Takt an oder lässt auch seine Wut an ihr aus.

Schlussendlich ist zu sagen, dass man eine solche gelungene und sehr kreative Inszenierung von Shakespeares Drama „Richard III“ selten findet und Jörg Pohl in seiner Rolle als listigen und manipulierenden Richard wahrlich glänzt. Auch alle anderen Darsteller verstehen es, ihre Charaktere in Szene zu setzen. Jedoch muss man infrage stellen, ob es eine gute Idee war, das Stück sowohl traditionell als auch modern zu inszenieren, da so zu oft die Inszenierung selber unter der lauwarmen Vermischung beider Richtungen leidet. Letzten Endes muss man jedoch feststellen, dass es definitiv ein Genuss war, eine solche grandiose  Inszenierung des hinterhältigen und blutigen Aufstiegs Richard III erleben zu können.
 Max Markowski und Luise Lämmerhirt, Leibniz Privatschule Elmshorn Jahrgangsstufe 12

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Humpelnder Fastthronerbe, geschickter Wortverdreher und später grausamer Tyrann. Das ist Richard III. Das gleichnamige Theaterstück von William Shakespeare unter der Regie von Antú Romero Nunes, lässt das Große Haus des Thalia Theaters unter den Paukenschlägen des intrigant aufsteigenden neuen König Richard erbeben. Körperlich verkrüppelt und geistig in einen Strudel aus Egozentrik, Selbstgefälligkeit und Weltherrschaftsplänen gerissen, spaziert er über die Leichen, der ihn vorhergehenden Thronerben und rückt in der Erbfolge immer weiter auf, bis er schließlich am Ziel ist. Sein so hart erkämpftes Königreich England führt er zuerst in einen Krieg und tauscht es dann gegen ein Pferd ein.
Der Zuschauer wird vom Bühnengeschehen eingesogen, wird Komplize, Mitwisser, wird manchmal auf der Strecke gelassen nur um dann wieder abgeholt und weitergezogen zu werden. Und auch er bleibt von Richards Manipulationen nicht verschont...
Das puristisch gehaltene Bühnenbild aus schwarzen, bei Szenenwechseln sich drehenden Tüchern, bietet den unfassbar wandelbaren und ausdrucksstarken Schauspielern-allen voran dem Hauptdarsteller Jörg Pohl- genügend Raum, um sich vollends zu entfalten.
Auffällig ist, dass bei der Inszenierung immer wieder Bögen vom Alten zum Neuen geschlagen werden. So stellt das Bühnenbild einen stimmigen Kontrast zur poetischen, hochgestochenen Sprache dar. Kostüm und Maske beherbergen diesen Kontrast ebenfalls: Zwar ist der altertümliche Stil beibehalten, aber einzelne Elemente, wie ein halbdurchsichtiger Unterrock mit einem barocken Korsett, wirken fast futuristisch. Ein Aspekt, der die These, Shakespeares politisches Drama sei auch auf eine heutige, in den Medien sehr präsente Situation anwendbar, zulässt. Denn auch wenn Shakespeare lange tot ist und sich die engländischen Adelshäuser lange nicht mehr um einen Thron von so hoher politischer Bedeutung kriegerisch auseinandersetzen müssen, so gibt es doch immer wieder Beispiele von aktuellen Politikern, über deren körperliches Erscheinungsbild gelacht, über deren Weltansicht der Kopf geschüttelt oder dem die Strafe der Welt nachgesagt wird.
Nina Niesche, Gebrüder-Humboldt- Schule in Wedel. Jg 12