Rezensionen zu
Mutter Cou
rage und ih
re Kinder

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Für seine erste Inszenierung am Thalia Theater suchte sich Regisseur Philipp Becker kein geringeres Stück als Bertolt Brechts Klassiker „Mutter Courage und ihre Kinder“ aus – mit vollem Erfolg.
Die Protagonistin Anna Fierling, besser bekannt unter dem titelgebenden Namen „Mutter Courage“, welche grandios von Gabriela Maria Schmiede dargestellt wird, versucht sich und ihre drei Kinder während des Dreißigjährigen Krieges zu ernähren. Dabei zielt sie darauf ab, mit ihrem Handel vom Krieg zu profitieren. Doch auch Mutter Courage und ihre drei Kinder bleiben nicht vor den Schrecken des Krieges verschont.
Die simple Handlung deckt sich mit dem Bühnenbild, welches, typisch für das epische Theater, wie auch in der Inszenierung der „Dreigroschenoper“ am Thalia Theater, karg ist und beinahe auf alle  Requisiten verzichtet. Diese werden zumeist, wie etwa der Wagen der Mutter Courage, pantomimisch dargestellt. Gerade dieses Element ist markant für Brecht und hebt die Inszenierung vom „Herkömmlichen“ ab. Darüber hinaus wird das Schauspiel von einer Band, welche im Hintergrund Platz nimmt, musikalisch unterstützt.
Neben den großartigen Darstellern gibt es eine große Menschenmenge, zu der auch der Kammerchor Altona gehört, die an mehreren Stellen der Aufführung, erscheint. Diese steht als ein Art Treck im starken Kontrast zu dem sonst recht „leeren“ Bühnenbild; manch jüngerer Zuschauer mag sich dabei sogar an eine von Kanye Wests fulminanten Modeschauen erinnert sehen.
Der Chor, sowie insbesondere Darstellerin Gabriela Maria Schmiede wissen gesanglich im höchstem Maße zu überzeugen. Wenn Mutter Courage singt, hat man als Zuschauer zuweilen das Gefühl, dass die Bühne beben würde.
Ich habe Philipp Beckers Inszenierung als äußerst spannend und zugleich kurzweilig wahrgenommen. Genauso haben die Schauspieler und die Band eine großartige Leistung geliefert. Ich kann jedem meine Empfehlung für diese Aufführung aussprechen und einen schönen Abend im Thalia Theater wünschen.
Haris Ljubijanac,  Ida Ehre Schule, Jg 13

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Eine sehr beschreibungsstarke Inszenierung mit kontrastreichen musikalischen Elementen und humorvollen Szenen.
Mutter Courage, gespielt von Gabriela Maria Schmeide, macht sich den Krieg zunutze und verdient mittels Ihres Lebensmittelwagens an den Folgen des Krieges. Ihre drei Kinder Katrin, Schweizer Kas und Eilif werden von ihr als helfende Hände benötigt und eingesetzt.
Gleich zu Beginn singt Mutter Courage mit der für B. Brecht und K. Weil typischen, leicht schiefen Stimme ein episches Lied. Begleitet wird sie von einem stimmungsvollen Live- Orchester, welches sich auf einer Empore, im Bühnenhintergrund, befindet. Es ist faszinierend, wie die Schauspieler in ihren Rollen, trotz leerer Bühne und fehlendem Bühnenbild, durch detaillierte Beschreibungen der Szenerie und durch ihr reichhaltiges Spiel die Bühne füllen und beleben. Der Zuschauer ist völlig in ihren Bann gezogen.
Im Gegensatz zu diesen modernen Elementen der Inszenierung, stellt der archaische Chor einen Kontrastpunkt dar. Der Gesang ist so fein und so geistlich angehaucht, dass der Zuschauer während der Chorpassagen einfach nur genießen kann. Bevor Mutter Courage über die prekäre Lebenslage und über die zunehmenden Tode ihrer Kinder einnehmend zu berichten fortfährt. Es ist ein sehr kontrastreiches Stück. Auch farblich, denn die einfachen Kostüme in hellen Farben wirken vor dem dunklen Bühnenboden noch strahlender. Die Dynamik des Chors, der in Schwarmformationen in variierenden Tempi sich auf der Bühne bewegt, steht im Kontrast zu der Mutter Courage, die meist in der Mitte als ein Fixpunkt steht.
Diese Inszenierung zeigt in allen Facetten die Vereinigung von Schauspiel und Musik und sowie der Modernität mit der Tradition.
Wirklich eine sehr zu empfehlende Inszenierung!
Isabel Dere, Rudolf-Steiner-Schule Nienstedten, Kl.13

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Um sich und ihre drei Kinder ernähren zu können, zieht Mutter Courage mit ihrem Wagen dem religiös motivierten Dreißigjährigen Krieg zwischen der katholischen und protestantischen Kirche hinterher. Auf der einen Seite stellt Mutter Courage eine harte und durchsetzungsfähige Geschäftsfrau dar, empfindet aber auf der anderen Seite auch große Zuneigung zu ihren Kindern, die letztendlich alle durch den Krieg sterben. Das wird schon am Anfang der Vorstellung deutlich, als Mutter Courage allen, die dem Krieg zum Opfer fallen werden, ein schwarzes Kreuz auf die Stirn malt. Somit ist das Schicksal der Kinder schon vorherbestimmt und das Zeichen bleibt bis zu ihrem Tod immer präsent.
Dargestellt wird Mutter Courage von Gabriela Maria Schmeide, die es vermag die Position der robusten Geschäftsfrau und der gleichzeitig liebenden Mutter einzunehmen und nach außen zu tragen. Schon in ihrem Auftreten ist sie die typische Mutterfigur, der es aber keineswegs an Energie mangelt. Diese kommt zum Beispiel zum Vorschein, als sie nach dem Tod ihres jüngsten Sohnes Schweizer Kas (Julian Greis) außer sich vor Wut ungefähr 60 mitwirkende Statisten, darunter der Kammerchor von Altona, nacheinander von der Bühne zerrt und schubst, während sie laut und immer wieder “Ich beschwer mich” brüllt. Der Kontrast zwischen der großen Masse an Menschen die einfach ruhig auf der Bühne steht und der umherrennenden und aufgebrachten Courage produziert ein beeindruckendes Bild.

Die Menschenmasse kommt aber nicht nur in dieser Szene vor, sondern ist zentraler Bestandteil der Inszenierung. Immer wieder bahnen sich die vielen Menschen spiralförmig ihren Weg auf und wieder von der Bühne. In der Mitte steht Mutter Courage manchmal mit und manchmal ohne ihre Kinder, die von dem Strudel der Menschen ausgespuckt und wieder eingesogen und mitgenommen werden. Die Vielzahl an Menschen hat eine unglaubliche Kraft. Bilder entstehen, die das Ensemble allein - trotz brillianter Leistung - nicht zu produzieren vermocht hätte. Wenn zum Beispiel alle gleichzeitig mit dem Rücken zum Zuschauerraum auf die Knie fallen und den Kopf senken oder sich alle Beteiligten vom Kammerchor als eine gewaltige Wand vorne am Bühnenrand aufbauen und anfangen zu singen, hat das eine enorme Wirkung. Durch die verschiedenen Formationen ist auch dafür gesorgt, dass das sonst recht karge und dunkel gehaltene Bühnenbild ein bisschen Leben bekommt und die Inszenierung nicht zu regungslos bleibt.

Das Bühnenbild (Bettina Pommer) besteht aus einem Halbkreis, der nach vorne hin leicht abgeschrägt ist. Das Orchester hat im Hintergrund einen erhöhten Sitz, wovor aber auch etwas Platz für die Darsteller bleibt. Abgesehen von den Agierenden bleibt die jedoch Bühne größtenteils leer, da auf Requisiten größtenteils verzichtet wurde. (Wie auch schon bei der Umsetzung von Brechts Dreigroschenoper) Auch der berühmte Wagen der Mutter Courage findet keinen Platz in der Inszenierung, welchen ich aber auch nicht vermisst habe. Somit sind die roten hochhackigen Schuhe der Yvette, die von der stummen Tochter Katrin sehr begehrt werden, das einzig Leuchtende auf der Bühne.

Die Verkörperung von Katrin durch Lisa Hagmeister hat mir sehr gut gefallen. Wie Mutter Courage, ist Katrin fast die ganze Zeit auf der Bühne anwesend und auch wenn sie nicht sprechen kann, so ist sie durch ihre Körpersprache zu jeder Zeit präsent und sehr ausdrucksstark. Dadurch bekommt man als Zuschauer sehr gut mit, was in ihr vorgeht. So zum Beispiel ihre Verzweiflung, als sie durch eine Wunde im Gesicht (hier schwarze Farbe) entstellt aus der Stadt wiederkommt. Auch die roten Schuhe, die ihre Mutter ihr nun anbietet, sind ihr zu diesem Zeitpunkt gleichgültig. Aber vor allem eine Szene zum Ende hin ist sehr einprägsam. Um eine ferne Stadt vor dem Überfall von Soldaten zu warnen, fängt Katrin entschlossen an mit den Füßen auf den Boden zu stampfen. Das steigert sich, bis die Schläge - untermauert durch das Orchester - schließlich die Stuhllehne vibrieren lassen. Die Schläge erfüllen den ganzen Raum und dringen tief in die Ohren. Zusammen mit der verzweifelten Katrin alleine in der Mitte der Bühne, ist das sehr beeindruckend. Ihr Einfühlungsvermögen führt durch die Rückkehr der Soldaten schließlich zu ihrem Tod.

Insgesamt hat der Regisseur Philipp Becker große Arbeit geleistet, was die Umsetzung der Mutter Courage angeht. Es passt alles zusammen und fügt sich am Ende zu einem großen Ganzen zusammen. Auch inhaltlich wird die Inszenierung Brechts Drama sehr gerecht. Damit man als Zuschauer den Überblick behält, wird man netterweise immer wieder darüber informiert, wo man sich gerade in der Handlung befindet: Mutter Courage ruft einfach “Bild 4” (oder Bild 2,3,5,6,7...) ins Publikum. Musikalisch gesehen bin ich zum einen von den Gesangskünsten des Kammerchors und vor allem denen der Schauspieler beeindruckt, die alle (auch Katrin) einmal die Gelegenheit bekommen das Publikum mit ihren Stimmen - mit Begleitung des Orchesters - zu beglücken. Belohnt wird dies mit langen und kräftigen Applaus am Ende der Vorstellung.
Nele Wulf, Max-Brauer-Schule (Jg 13)

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26.1.17 

Brechts Klassiker „Mutter Courage und ihre Kinder“ wurde am Donnerstag in der Inszenierung von Philipp Becker das erste Mal aufgeführt.
Der Regisseur Philipp Becker inszenierte erstmals am Thalia Theater und dies, meiner Meinung nach, mit Erfolg.
Gabriela Maria Schmeide versucht in der Rolle der Anna Fierling alias „Mutter Courage“ den dreißigjährigen Krieg zu nutzen, um durch Geschäfte den bestmöglichen Gewinn zu machen. Sie weist die Fähigkeit auf, sich derart gut an den Krieg anzupassen, dass es umso erschreckender wirkt, als Mutter Courage am Ende alles verliert, selbst ihre Kinder.
Die Inszenierung wirkt so simpel und einfach, was ich als Zuschauer sehr angenehm empfinde, da dem Geschehen gut zu folgen ist. Licht und Ton sind fließend und leicht spielerisch eingesetzt. Sie erfüllen somit ihre Rolle, das Gesagte und Gemachte zu unterstützen. Die Live- Musik gefällt mir sehr gut und das ganze Bild ist lebhaft gestaltet. 
Besonders die schauspielerische Leistung von Lisa Hagmeister als „Katrin“ und Gabriela Maria Schmeide als „Mutter Courage“  gefallen mir sehr gut.
Lisa Hagmeister hat die Rolle der stummen „Katrin“ so gut vermittelt, dass ich oft das Gefühl hatte, die Schauspielerin könne wirklich nicht sprechen. Diese Verzweiflung und in sich gekehrte Art und Weise, die Katrin das ganze Stück an den Tag legt,  spielt Lisa Hagmeister  brillant. Mein Blick hing während der gesamten Vorstellung fast  ausschließlich an ihr und ich konnte mich gar nicht satt sehen.
Die schlichte Art und Weise des Bühnenbildes gefällt mir gut.  Die schräge Position der Drehbühne, verleiht hat dem ganzen Bild etwas Statisches.
Auch die fast einheitlich graue oder sandfarbene Kleidung passt zur Farbe des Bühnenbildes. Als Kontrast stechen die roten Schuhe, mit denen Katrin liebäugelte ins Auge.
Plötzlich tauchen Personen auf und verschwinden wieder im Strudel der einheitlich gekleideten Menschen. Diese Lösung, die Charaktere auf die Bühne auftreten zu lassen, finde ich raffiniert, dadurch wirkt alles sehr fließend. Darin liegt ein großer Kontrast zu dem sehr statischen Bühnenbild.
Ich empfinde die Inszenierung fesselnd und spannend. Und würde jedem empfehlen sie sich anzusehen.
Leona Hagel, Lessing Stadtteilschule; 17J;  Jg 12