Rezensi
onen zu
Faust
I + II

Schulbotschafterinnen und Schulbotschafter verfassen regelmäßig Rezensionen

 

 

Faust I

 

„Welches Buch lest ihr gerade in Deutsch?“ „Faust.“ „Mein Beileid.“ Eine typische Schulflurkonversation in der Oberstufe.
Doch das hat dieses Werk nicht verdient und hier kommt Nicolas Stemann - potentieller Hoffnungsträger vieler Deutscher Schüler*innen - ins Spiel, der es mit seiner Inszenierung am Thalia Theater schafft, Goethes, in der Schule tot analysiertes, Drama auf der Bühne wiederzubeleben. Verflochten in die übliche Handlung des Faust, liefert er Humor, starke Metaphern, Alltagsbezüge und einen packenden Spannungsbogen, den die Lehrer*innen wohl zwischen den Zeilen verloren haben. Grundlegend besetzt Stemann die Rolle das Faust mit Sebastian Rudolph, Mephisto mit Philipp Hochmair und Gretchen mit Patrycia Ziolkowska, was allerdings nur als grobe Orientierungshilfe dient, da die Rollen im Verlauf des Stückes von den Spieler*innen gelöst und somit diejenigen Zuschauer, die das Drama nicht gelesen haben, ins Land der Träume entlassen werden. Durch das Vermischen der Texte und Rollen, können die Beziehungen und Annäherungen zwischen den Figuren, deren verworrene Schicksale maßgeblich voneinander beeinflusst werden, besser dargestellt und der Fokus ganz simpel auf eine Person oder Situation gelegt werden: Von Anfang an gleich gekleidet spricht Mephisto Faust nach der Pause den Text vor und bald verhalten sich die beiden wie ein altes Ehepaar, was nun auch den letzten Theatergänger verstehen lassen sollte, dass die beiden Figuren gegen Ende nicht mehr voneinander zu trennen sind, weil Mephisto den Doktor fast bedingungslos eingenommen hat. Durch einfache stilistische Mittel wird also der größte Horror unter den Schullektüren herunter gebrochen und in humanere Schranken gewiesen. Sehr angenehm ist außerdem, dass für die Handlung unwichtige Szenen ausgelassen, größere vermischt und abstrahiert oder übertrieben dargestellt werden, was sich den Zuschauer während der dreistündigen Vorstellung kaum langweilen und die Kausalzusammenhänge der Handlungen und deren Folgen deutlich werden lässt. Um hierbei nicht den Überblick zu verlieren, steht der jeweilige Name der Szene auf einer Leuchttafel über dem Geschehen.
Sebastian Rudolph und Philipp Hochmair liefern vor der Pause eine wahre Glanzvorstellung auf der Bühne mit perfektioniertem Rollenwechsel, herausragender Präsenz und dem Pakt zwischen Faust und dem Teufel als Höhepunkt der Inszenierung, woran nach der Pause leider nicht angeknüpft werden kann, da Patrycia Ziolkowska, die die meiste Einsatzzeit in der zweiten Hälfte bekommt, es nicht schafft, sich aus dem Schatten ihrer Kollegen zu spielen, was allerdings auch die negative Stimmung bis zum Ende der Tragödie vermittelt.
Nicolas Stemann gibt den Charakteren des Dramas eine Persönlichkeit und erweckt den Dramentext mit schauspielerischem Genie, sinnvollen Verknüpfungen, Satire, der Darstellung von Schmerz, Begierde und Sehnsüchten zu neuem Leben. Er zieht das Wesentliche aus dem Drama, abstrahiert es und bringt es auf die Bühne.
Zoe Glandien, Wolfgang-Borchert-Gymnasium Halstenbek, Jg 11

___________________________________________

 

Das Magnum Opus der deutschen Literatur. Das Werk, das zwar fast kein Schüler mehr lesen muss, aber trotzdem jedem einzelnen den kalten Angstschweiß aus den Poren treibt. Das geballte Werk des Deutschtums.

Die Geschichte von Heinrich Faust, dem Allgelehrten, der alles Weltliche weiß. Auf ihn wetten Gott und Mephisto – wird er dem Weltlichen nachgeben?
Mephisto nimmt ihn auf eine Reise durch die deutschen Landen und zeigt ihm die kleine Welt.
Aber das alles lässt Faust kalt, also guckt er sich ein Mädchen aus, verjüngt sich, macht ihr ein Kind; dieses tötet sie, sie landet im Kerker und wird dann errettet. So oder so ähnlich ist Faust I im Schnelldurchlauf.
Eigentlich wäre die Geschichte gar nicht so kompliziert, wäre die Sprache normaler und die Reime weggelassen – aber das macht das Werk auch gerade so gut.

Diese Grenze wird aber komplett gesprengt. Sebastian Rudolph, Patrycia Ziolkowska und Philipp Hochmair machen den Text nahezu komplett verständlich. Jeder Vers wird zerquetscht und mit Aussage und Bedeutung gefüllt. Sätze, die beim Lesen schwer verständlich sind, werden mit einer Leichtigkeit vorgetragen. Die Reime und das Metrum kunstvoll umgangen – einfach nur perfekt.

Nicolas Stehmann inszeniert Faust als eine Art Wahnsinnigen. Er rastet ständig aus und wirkt dem Zusammenbruch nahe. Auch so stellt er sich die Frage, ob die Welt um Faust herum echt ist? Existieren Mephisto, Margarethe oder Orte wie der Auerbachs Keller wirklich, oder nur in Fausts Kopf – wurde zumindest in der Einführung so gesagt, dem will ich mal Glauben schenken! Übrigens gehe ich stark davon aus, dass jeder echte Theaterkritiker diesen wunderbaren Trick anwendet.
Die drei Schauspieler, die wechselnd alle Rollen spielen, mal im Dialog, mal an einander vorbei oder ellenlange Dialoge und auch Monologe alleine, brillieren hier.

Das Stück ist einfach wunderbar, jeder, der auch nur im geringsten Gefallen an Faust findet, muss dieses Stück gucken. Jeder, der sagt, dass ihm Faust schon in der Schule nicht gefallen hat, muss diese Inszenierung gucken – er wird Faust lieben. Jeder muss dieses Stück gucken.
Am Ende will man nur noch sagen: „Verweile doch, du bist so schön!“
Paulo Sieweck, Corwey Gymnasium , Jg 11

____________________________________________

 

Faust I und II hintereinander aufzuführen ist schon eine Hausnummer. Zuerst fragten meine Begleitung und ich uns, ob wir es wirklich schaffen, acht Stunden lang ruhig in einem Theater zu sitzen.
Doch durch drei Pausen und die durchgehende Spannung während der Aufführung, kamen uns diese acht Stunden gar nicht mehr so lang vor.
So ein Marathon verlangt ja schon viel Anstrengung, aber nicht nur für das Publikum sondern natürlich extrem für die Darsteller, die meiner Meinung nach eine hervorragende Leistung auf der Bühne gezeigt haben. Z.B.  Sebastian Rudolph, der so gut wie die gesamte erste Stunde, alleine                  als Faust auf der Bühne,  eine spannende „Performance“ geliefert hat.  Patrycia Ziolkowska, ihre Auftritte waren durchgehend packend und natürlich Philipp Hochmair, der sich der Rolle des Mephisto auch auf humoristische Art und Weise genähert hat.
Besonders die Modernität an der Inszenierung hat mir sehr gut gefallen und in Faust II, der Bezug zur heutigen Welt.
Goethes Faust war kein gelbes Reclam-Heftchen mehr, welches auf einem Lehrplan steht und daher im Unterricht behandelt werden muss, nein auf einmal sah ich Faust`s  Welt direkt vor mir. Das geschah  mit sehr wenigen Requisiten,  wodurch ich mich auf die Darsteller konzentrierte, die dadurch  ihre schauspielerischen Fähigkeiten nochmals unter Beweis stellen konnten.
In Faust II wurden mehr Requisiten benutzt und die Handlung als wesentlich schwieriger vorausgesagt. Doch auch bei Faust, Zweiter Teil (ungestrichen !) blieb die Spannung vorhanden und durch das Anzeichnen von Strichen, pro hundert Versen von Schauspielerin Barbara Nüsse, die sich jedoch offiziell als Johann-Wolfgang von Goethe vorgestellt hat, wusste ich ja genau, wie viele Verse mir noch bevor stehen.
Nachdem die Vorstellung vorbei war, verließen wir beeindruckt und müde das Theater (15.30-23.45 Uhr), jedoch hätten wir bei solch  einer Aufführung noch zwei weitere Stunden im Theater bleiben können.
Ich kann auf jeden Fall jedem empfehlen sich beide Teile (Faust I und II) im Thalia Theater anzusehen.
Totale „Theaterneulinge“ sollten aber noch nicht in den Marathon gehen.
Michéle Lichtenstein,  Marion-Dönhoff-Gymnasium Mölln, Jg 10

___________________________________________



Mich hatte das Stück sehr Interessiert da ich die Verfilmung von Gustaf Gründgens aus dem Jahre 1960 gesehen habe. Die Figur des Mephisto fand ich ganz, ganz toll!
So kam ich auf den Gedanken, mir den Faust 1 im Theater anzusehen.
Natürlich wird es Modern sein, mir war klar, dass ich etwas anderes zu erwarten hatte als ich vorher gesehen habe.
Es fängt mit Faust an, er hält den Monolog mit sich selbst, doch gleichzeitig wirkt es als würde er den Text aus dem Buch vorlesen.
Karg ist das Bühnenbild! Ein Tisch und ein Stuhl, nichts weiter zu sehen.
Faust wird in der trüben Zeit seiner Selbstfindung und Hinterfragung sich mit bunter Farbe beschmieren, die er auch an eine Leinwand und Tür bespritzt und sich dann mit Wut und Verzweiflung mit Benzin zu übergießen. Da sein Feuerzeug versagt, liegt seine Kraft darin eine andere Lösung zu finden sich das Leben zu nehmen.
Was er dann auch tut, mit einer Pistole.
Jetzt kommt die Zeit für Mephisto der es treibt wie ein Schelm und zu Anfang auch aus dem Textbuch vorliest. Wie er die Wette abschließt und sein Spiel beginnt, um sich Faust zu krallen.
Manchmal werden die Rollen von den Schauspielern doppelt gesprochen, was ich etwas verwirrend fand.
Jeder der Gestalten (Faust, Mephisto, Gretchen) sprechen von jedem den Text.
Es sind später im Weinkeller und zur Walpurgisnacht einige Darsteller dazu gekommen auf die Bühne.
Was mir gefallen hat ist das in dem Moment wo Faust mit Gretchen spricht, Gretchen mit ihm  Fragen über den Glauben und der Liebe spricht...
In diesem Moment, ist Mephisto an der Seite von Faust, weicht nicht von ihm und spricht auf ihn ein, so das Faust auf manche Frage anders Antwortet als er eigentlich möchte. Es war richtig zu merken wie der Zwiespalt in Faust zu nagen anfängt. Denn er merkt die Veränderung und doch ist er sich nicht ganz klar was da mit ihm geschieht.
Es war textgetreu, doch die Umsetzung hat mir nicht gefallen!
Es war zum Teil sehr laut, dann auch zu laut geschrien sodass der Text unterging.
Es ist ein langes Theaterstück, das ich in seiner Ladung an Lautstärke und moderner Handlung erst einmal verdauen musste.
Kulturbotschafterin Kira Papenbruch 9a, Franz von Assissi Schule

_______________________________________________



Eine großartige Inszenierung, schauspielerisch hervorragend und technisch sowie sprachlich sehr originell.
Faust, der reine Geisteswissenschaftler, geht mit dem Teufel Mephistoles einen verheerenden Pakt ein:  Er, Mephisto dient ihm in unserer Welt, dafür wird Faust der Seinige nach dem Tod. Faust lässt sich von dem Teufel verführen und er taucht in die Welt des Vergnügens ein. Diese neunen Aspekte des Lebens verändern den Charakter des ehemals lebensmüden Faustes und er begeht so manche Schandtat...
Die Inszenierung ist wirklich gelungen: Wenige Requisiten, dafür besondere, ungewöhnliche Hilfsmittel wie Acrylfarbe, lange Lichterketten und Videos werden zur Gestaltung der jeweiligen Szene verwendet. Auch die Dialoge werden humorvoll aufgearbeitet, sodass der Zuschauer häufig etwas zu lachen hat...
Die Szenen im Studierzimmer und in Gretchens Zimmer, haben mir besonders gut gefallen. In der anfänglichen Szene in Fausts Studierzimmer, werden die Zerstreutheit, der innere Kampf um den Selbstmord, das Erscheinen des Teufels und die Schließung des Paktes durch das Licht, die "chaotische" Kulisse und die vielen Farben, unabhängig von der schauspielerischen Leistung, dramatisch gesteigert.
In Gretchens Zimmer hat mir der Aspekt gut gefallen, dass die wertvollen Geschenke von Faust an Gretchen abstrahiert werden durch die Lichterketten, die von der Decke auf die Bühne gelassen werden, und somit die Dekadenz auf eine ungewöhnliche, interessante Art betonen.
Außerdem gefällt mir der klassische Gesang, welcher das Altertümliche unterstreicht und im Gegensatz zu den modernen Filmen steht.
Die Schauspieler haben wirklich gut gespielt und ihre Rollen absolut überzeugend verkörpert, sodass es spannend ist ihnen zu zuschauen. Ab und zu ist es etwas herausfordernd für den Zuschauer den Rollenübergängen zu folgen und diese auf Anhieb zu begreifen.
Insgesamt ist,  das Theaterstück Faust Teil 1 ein absoluter Erfolg, spannend, modern, fesselnd, leidenschaftlich, aber sprachlich eine Herausforderung für alle, die nicht mit der Ballade vertraut sind. Aus diesem Grund, empfehle ich diese Aufführung an die weiter, die sich bereits mit der Geschichte auseinander gesetzt haben.
Isabel D.; Rudolf-Steiner Schule HH-Nienstedten, Kl. 10