Peer. Gynt. Gedanken.

Von Jan Bosse

Peer Du lügst. Sagt die Mutter. Diesen ersten Satz des Stückes kannst Du nicht mehr ungesagt machen. Kann Ich nicht mehr ungesagt machen. Wie jeden der vielen Sätze, die folgen. Das Wort erschafft Realität. Das Wort ist Tat. Das Wort wird Fleisch. Oder ekliger Schlamm. Oder Blut. Oder Götterspeise. Schuldig durch Gedankenvergehn. Sagt deine Trollbraut.

Lügen. Geschichten. Erfinden. Dichten. Erzählen. Träumen. Utopien denken. Sich wegträumen. Erzähl! Lass uns hören, Peer! Sehnen sich die anderen. Träum für uns! fordern die Utopielosen. Die Trolle. Und: Du lügst, Peer!, werden sie sagen, und Dich hassen, wenn sich deine Luftschlösser als kernlose Zwiebel entpuppen.

Rausch. Verschwendung. Verpulvern. Begeistert Unökonomisch Ausufern Uferlos Freiheit Gier Macht Hybris.

Ich ist ein anderer. Immer ein anderer. Mehrere andere. Die Geister, die Du riefst, wirst Du nicht mehr los. Die Trolle begleiten Dich. Glückssucher. Wahrheitsjäger. Wenn Du’s nicht fühlst, so wirst Du‘s nicht erjagen. Sagt Faust zu seinem Schüler und meint sich selbst.
Mehr. Schreist Du. Weiter. Größer. Schneller. Weg. Weiter. Weg von Dir. Weg von Ihr. Du hast mit der Vergangenheit abgeschlossen, aber die Vergangenheit nicht mit Dir.

Da ist er. Ringsherum, wo ich mich weiß. Wähn ich mich draussen, steh ich mitten im Kreis.

Entweder: Von sich weg. Immer nach außen, in die Fremde, in die Welt, in den Urlaub, in die Bücher, in die Bilder, in die Orgie, in den Rausch, nur weg von hier. Weg von Dir. Weg von Ihr. Mehrere Leben führen. Mehrere sein, Viele sein. Alles sein. Alles können. Gott sein.

Oder: In sich hinein. So tief es geht, nach Innen. Sich spüren. Sich entdecken. Sich finden. Ganz bei sich sein. In sich wühlen. In sich ruhen. Man selbst sein. Sich genug sein. Ganz Ich sein. Ich Ich Ich.

Hin und zurück, das ist gleich weit. Hinaus und hinein, das ist gleich eng.

Die Welt ein Irrenhaus. Das Leben ein haltloses Hamsterrad. Sturm der Gedanken. Den Tod vor Augen. Stille der Leere. Solveig. Die Andere.

„Bei Nacht, im Wald, – was ist da zu sagen.“


Jan Bosse