Rezensi
onen zu
Cyrano d
e Bergerac

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2.Mai 2018, Hamburg. An sich ist der Gascogner Kadett Cyrano de Bergerac der perfekte Roman- und Frauenheld: charmant, edelmütig und gewandt mit Wort und Degen wie kein Zweiter. Doch man kommt nicht herum, auch das zu benennen, was nicht ganz so perfekt an diesem Helden ist: sein gewaltiger Zinken. Und so verliebt sich die schöne Roxane nun mal nicht in den hässlichen Cyrano, sondern in den gut aussehenden Christian. Christian, neu bei den Gascogner Kadetten, ist jedoch auch nicht makellos: Worte liegen ihm nicht so ganz. Und so fügt sich beides zusammen; Cyrano wird der Kopf und Christian der Körper, um so gemeinsam Roxane zu verführen.

Edmond Rostand hatte Ende des 19. Jahrhunderts die Abenteuer dieses besonderen Helden mit der überproportional großen Nase niedergeschrieben; doch den berüchtigten Außenseiter Cyrano de Bergerac hatte es tatsächlich gegeben. Geboren 1619 in Paris und 1655 gestorben.
In Leander Haußmanns Inszenierung des „Cyrano de Bergerac“ wird der redegewandte Degenschwinger wieder zum Leben erweckt, mit viel Charme und Humor. Und genauso reanimiert ist auch die Sprache; neben den originalen Reimen im klassischen Versmaß des Alexandriners bekommt man auch viel ordinäres Straßendeutsch zu hören. Dabei ist der Spagat zwischen klassisch und modern sehr gut gelungen; er verleiht der Inszenierung sogar einen ganz eigenen Charme.

Aber nicht nur dieser Kontrast ist so ausschlaggebend für das Stück: Die Handlung pendelt zwischen naivem, zum Teil scherzhaften Liebesgetolle und blutigen Kämpfen. So versucht Christian gerade mit Müh´ und Not, Roxane mit einem Gedicht zu verführen, während Cyrano ihm die richtigen Worte zuflüstert; und dann müssen die beiden Schwerverliebten auch schon eine hundert Mann Armee niederschlagen oder gar in den Krieg ziehen.

Dabei ist es nicht nur die Handlung, die diese Inszenierung unvergesslich macht, sondern auch das Ambiente und die gelungene Umsetzung der einzelnen Szenen. So steht ein knorriger Baum im Hintergrund, der je nach Gemütslage eine dichte Blätterkrone zur Schau stellt, oder diese dann verliert und karg und kahl dasteht. Und währenddessen sorgen Nebeleffekte und ein pittoreskes, mit den Tages- und Jahreszeiten wechselndes Bühnenbild für das wohlgelungene Verbinden von Geschehen und Ambiente.
Dadurch bleiben bestimmte Szenen unvergesslich; so zum Beispiel der Tod Christians. Gerade noch feuert dieser Cyrano an, Roxane seine wahren Gefühle zu gestehen, da bringt ein Soldat die Nachricht über Christians Tod. Fast schon banal verlässt dieser daraufhin die Szene, während im Hintergrund der knorrige Baum friedlich seine Blätter verliert.

Natürlich braucht es für eine so gelungene Umsetzung auch eine fähige Besetzung; und die ist mit Jens Harzer in der Rolle des Cyrano de Bergerac und Sebastian Zimmler als Christian durchaus vorhanden. Gerade die Harmonie zwischen den beiden, macht den Witz dieser Inszenierung aus; so wirkt Cyrano auch wie der große Bruder Christians, der diesen naiven und leichtsinnigen Schönling nicht nur beschützt, sondern auch leitet, während er ihn gleichzeitig um seine Schönheit beneiden muss. Und um die Charaktere so facettenreich darstellen zu können, hat man mit Jens Harzer und Sebastian Zimmler wahrlich die Richtigen ausgewählt.
Doch auch Rafael Stachowiak als eingebildeten Comte de Guiche überzeugt hervorragend als Nebenbuhler und Rivalen des Cyrano.

Und obwohl es für Augen und Geist sehr angenehm ist, dieser Inszenierung beizuwohnen, kann man dasselbe nicht immer für die Ohren sagen. Es ist natürlich eine gute und eventuell auch wohlüberlegte Intention gewesen, die originalen Reime im klassischen Alexandriner vortragen zu lassen; jedoch wird es irgendwann anstrengend, zuzuhören, wenn diese Reime ungekürzt und in voller Länge aufgesagt werden; egal wie ausgeklügelt und poetisch sie auch sein mögen.

Letztendlich ist Leander Haußmanns Inszenierung von „Cyrano de Bergerac“ aber ein gelungenes, bildgewaltiges Werk zwischen Humor und Tragik und sprachlich irgendwo zwischen Großstadtgasse und vornehmen Poesieolymp angesiedelt.
Luise Lämmerhirt, Leibniz Privatschule Elmshorn, Jg 11


Ausgestattet mit großer Wortgewandtheit, treffsicher wie sein Degen, einem Charme und Esprit, dem die Frauen zu Füßen liegen- zumindest bis sie ihn gesehen haben. Denn Titelheld „Cyrano de Bergerac“ von Edmond Rostand und unter der Regie von Leander Haußmann, hat einen großen Makel: Seine riesige Nase entstellt ihn und ragt wie ein unförmiger Fels aus seinem Gesicht hervor. Cyrano, der sich dieser Schwäche durchaus bewusst ist und jeden Spott in Extase mit Wort- und Fechtkunst parriert, kann aufgrund eben dieses Zinkens nicht bei seiner großen Liebe Cousine Roxanne landen. Die sehnt sich zwar nach Charisma, Esprit und Intelligenz, sucht aber eher nach einem Schönling wie Baron Christian. Dieser wiederum ist zwar schön von Gestalt, aber nicht die hellste Kerze auf dem Kronleuchter. Und so schreitet Cyrano zur Tat, leiht dem geistlosen Christan sein Liebeswort, schreibt in seinem Namen blumige Liebesbriefe, um die Angebetete letztendlich glücklich zu machen. Doch auch dieses verlogene Glück ist angesichts des nahenden Krieges und des  listigen Verehrers Graf Guiche nicht sicher.
Französisch, so lautet das Stichwort. Passagen gesprochen mit französischem Akzent, herrlich romantische Balkons, die auf die Bühne projiziert werden und die Darsteller in Federhut und Gehrock gehüllt und mit Degen und schulterlangem Haar ausgestattet. Ein einzelner knorriger Baum, der sich mit der Drehbühne knarzend dreht und auf dessen hölzerner Schaukel die in wallende Gewänder gekleidete Roxanne schaukelt, ist das einzige dauerhafte Element des Bühnenbildes. Je nach Stimmung rieseln einzelne Blütenblätter langsam auf den Boden, Gewitterwolken entladen sich, Kriegsgeschehen bildet den Hintergrund. Das Bühnenbild stellt einen Spiegel des Stücks dar: Tragisch, tiefromantisch, urkomisch- und doch ein roter Faden der sich durch das Stück spannt. Und gespannt bleibt, wie der ungeduldige Zuschauer, der die Pause doch lieber übersprungen hätte.
Sympathie für Cyrano wächst im Herzen des Zuschauers – erst ein kleines zarten Pflänzchen der Zuneigung, dann ein raumfüllender Baum. Angesichts so viel Hingabe, Aufopferung und Selbstvergessenheit für seine Liebste schrumpft sogar seine gewaltige Nase, in den Schatten gestellt von so viel charakterlicher Stärke. Und auch wenn Cyrano kaum die Bühne verlässt, selten das Kostüm wechselt, scheint er dem Zuschauer am Ende doch weniger abstoßend, als noch zu Anfang. Sogar Roxanne begreift am Ende, wie viel mehr das Innere zählt...
Nina Niesche; Gebrüder-Humboldt- Schule in Wedel; Jg 12