Interview mit Joachi
m Lux im CCTV (Chin
a Central Television)
Ein Gespräch über den interkulturellen Austausch des Thalia Theaters mit China anlässlich des Gastspiels von "NIBELUNGEN! Der ganze Ring" beim Wuzhen Theater Festival am 21.+22. Oktober 2015
Warum pflegt das Thalia Theater so intensiv den Austausch mit China?
Der internationale Austausch ist Teil des Konzepts des Thalia-Theaters. Die deutsche Gesellschaft wird immer internationaler, da kann man in der Kultur, im Theater nicht einfach nationalstaatlich bleiben. Das müssen wir überwinden. Deshalb gastieren wir auf der ganzen Welt: In Russland, in China, in allen europäischen Staaten, aber auch in Südamerika oder Australien.
Der Austausch mit China hat dabei eine besondere Bedeutung: China ist die größte Nation auf dem Globus. Deutschland und China gehören zu den größten Wirtschaftsnationen der Welt. Und Shanghai und Hamburg haben beide gigantische Häfen. Es wäre sehr dumm, den Austausch, die Kenntnis vom anderen nicht zu vertiefen.
Wie sind die Kontakte zu China zustande gekommen?
In China konnten wir an alte Verbindungen zu dem bedeutenden Regisseur Lin Zhua Hua anknüpfen. Ein deutscher Mittelsmann hat uns dann mit einem Theaterenthusiasten in der chinesischen Regierung in Bejing zusammengebracht, mit Chen Ping. Er hat vor Jahrzehnten in Deutschland studiert und ist mittlerweile chinesischer Kulturattachee in Deutschland. Das Hauptproblem war – wie so oft – das Geld. Wir haben keins, die chinesische Kultur hat keins – aber irgendwie haben wir uns durchgetrickst.
Wie wird chinesisches Theater in Deutschland aufgenommen?
Es gibt zwei Erscheinungsformen des chinesischen Theaters, die für die Deutschen und auch für mich weniger interessant sind: 1. Gerade Chinas Exportschlager, die traditionelle Pekingoper, ist für uns oft zu fremd, auch zu touristisch. 2. Künstlerisch ebenfalls uninteressant ist das leider mehr und mehr kommerzielle chinesische Theater, das sich an dem amerikanischen orientiert.
Hochinteressant dagegen finden wir Europäer, wenn das chinesische Theater auf der Basis der eigenen Traditionen für Heute, für die Moderne weiterentwickelt wird. Da gibt es dann ganz plötzlich sehr viele Berührungspunkte, die das deutsche Publikum interessieren können – im übertragenen Sinne sozusagen die ästhetische Kreuzung aus Bejing und Shanghai. Denn wir Deutschen sind ebenfalls eine Mischung aus kulturellem Traditionalismus und moderner, dynamischer Explosion – auf dem Weltmarkt, aber auch in der Kunst.
Ich glaube, da gibt es noch unendlich viele gemeinsame Möglichkeiten!
Hilft der kulturelle Austausch in der Entwicklung der deutsch-chinesischen Beziehungen?
Kultur und die Begegnung von Menschen ist ein ganz wesentlicher Faktor. Er kann Kriege verhindern, er kann wirtschaftliche Verbindungen erleichtern. Dafür gibt es unendlich viele Beispiele. Ökonomisch preiswerter kann man die Verbindung zwischen Völkern gar nicht stiften. Wir brauchen ein großes Kulturprogramm zwischen Shanghai und Hamburg, die ja Partnerstädte sind. 2017 machen wir in Hamburg das Festival „Theater der Welt“. Das Thema ist der Hafen als Ort globaler, dynamischer Entwicklungen. Ich würde mich außerordentlich freuen, wenn wir zu diesem Anlass die Kooperation vertiefen könnten und der chinesische Staat sich dabei engagieren würde.
Welche Rolle spielt das Theater im Kulturleben Deutschlands?
In Deutschland gibt es in der Tat in jeder Stadt ein Theaterangebot. Warum? Das ist eine lange Geschichte, die mit der deutschen Kleinstaaterei zusammenhängt. Als die deutsche Nation noch keinen Staat hatte, gab es zig Staaten mit Fürsten und Herzögen, und jeder war stolz darauf, ein Theater zu haben. Heute pflegt Deutschland diese Tradition immer noch und unterstützt dies finanziell mit viel Geld. Deshalb können diese Orte der Kultur immer noch existieren. Es sind Orte der Bildung, der Auseinandersetzung mit der Tradition, der Auseinandersetzung mit der Gegenwart, und es sind auch soziale Orte. Wie der Marktplatz, die Kirche oder die Sportstätten. Deutschland wird auch mehr und mehr amerikanisiert, aber wir wehren uns zugleich dagegen, dass nur noch Global Player das Stadtbild beherrschen.