Herzzentrum

Dein Name
Ein Februarabend, der auf einen nasskalten Februartag folgt. Heute auf dem Spielplan: Herzzentrum III. In Kooperation mit dem Deutschen Schauspielhaus. Ich freue mich seit Wochen darauf. Letzten Herbst bin ich schon einmal dabei gewesen, aus purem Zufall, ich hatte einfach Karten für das Stück am kommenden Wochenende gekauft. Umso schöner die Überraschung: Der Abend wurde zu einem der besten, die ich je im Theater erleben durfte.
Als ich eintrete, ist das Geschehen bereits in vollem Gange. Livemusik im Foyer, schummrige Beleuchtung, Leute mit Weingläsern vereinzelt an den Tischen, ein ständiges Kommen und Gehen. Mittendrin immer wieder ganz in schwarz gekleidete Gestalten, die um den Hals einen Packen mit Kärtchen tragen: Die Schauspieler, auf der Suche nach ihrem neuen Publikum.
Gegenstand der Inszenierung ist der preisgekrönte Roman Dein Name von Navid Kermani, der auch selbst als Akteur auftritt.
Auf verschiedene Themen und Räume verteilt lesen die Schauspieler Passagen aus diesem Buch, erzählen Geschichten und Anekdoten, spielen Tonbänder mit Gedichten ab oder performen kleine Musikstücke.
So wie Janning Kahnert, auf dessen Kärtchen schlicht „Name“ steht und darunter: „Unsere Geschichten beginnen vor unserer Geburt und enden nicht mit unserem Tod. Wüßten wir sie alle zu erzählen, wäre es die Ewigkeit.“ Im Bandprobenraum liest er erst von der Schwierigkeit, eine Samenspende auf Knopfdruck abzugeben und spielt anschließend eine Strophe aus seinem bayerischen Lieblingslied.
Bis 23 Uhr sehe ich insgesamt sechs solcher Fragmente. Sie tragen Titel wie Mystik, Afghanistan, Seufzen oder Köln. Ich stehe in der Stehlampenecke mit Marina Wandruszka, ich sitze im Schneidersitz auf einem Teppich und esse Kekse, ich erfahre etwas über die große Liebe und lausche Carl Hegemann, der in der Küche seine Gedanken zum Atmen und Sterben formuliert.
Zum Abschluss schließlich amüsieren Kinga (eine weitere Pfadfinderin, Anm. der Red.) und ich uns bei Bernd Grawert, Scherzartikel im Gesicht, und seinem in breitem Dialekt gesungenen Text über Köln: „Immer wieder ein Stoßtrupp blau- oder rotuniformierter älterer Herren mit Spitzhut und Degen, eine Schar von Indianern oder eine Horde halbnackter Hunnen.“ Der einzige Auftritt, den ich schon letztes Mal gesehen habe, damals als allererste Station.Letzten Herbst standen wir später draußen, rauchten, tranken Bier und aßen Spieße vom Grill, während drinnen weiter gefeiert und musiziert wurde. Heute zittern wir danach ein bisschen an der Bushaltestelle, fahren mit der S-Bahn nachhause. Wo ich nachdenklich, aber wieder einmal sehr beseelt ins Bett falle. Ein magisches Erlebnis ist dieses Herzzentrum, voller Weisheiten und Wahrheiten. Ich kann es wärmstens empfehlen. Denn das Beste ist: Es wird ein viertes Mal geben!

Rebecca Martin