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Von Politik und Strategie zu Menschlichkeit und Treue
 
453 vor Christus – es herrscht Krieg in China. Damals ist China in mehrere kleine Länder geteilt. Der Minister Zhi Bo vom Land Jin will den König Zhao töten. Doch König Zhao kommt Zhi Bo zuvor.
 
Die Inszenierung des bekannten chinesischen Regisseurs Lin Zhaohua fängt mit dem Tod Zhi Bos an. Einer von Zhi Bos Beratern, Yu Rang, schwört, Rache für ihn zu üben und versucht mehrere Attentate auf König Zhao, jedoch ohne Erfolg. Der von Pu Cunxin (einer der berühmtesten chinesischen Schauspieler) verkörperte König Zhao zeigt mehrmals seine Großzügigkeit und lässt Yu Rang fliehen. Aber Yu Rang (von Gao Yalin gespielt) bleibt seinem Herrn Zhi Bo treu und versucht immer wieder, wenn auch vergeblich, König Zhao, zu ermorden.
Gao Yalins sehr tiefe Stimme symbolisiert Yu Rangs extreme Treue. Das rote, wie Blut scheinende Licht baut mit jedem neuen versuchten Attentat auf Zhao die Spannung auf, unterstützt von atemberaubender Musik (von Tan Dun), geprägt von natürlichen Klänge von Wasser und Bambus.
 
Immer wieder wird Yu Rang gefragt, warum er alles opfert, um Zhi Bo zu rächen. Seine Antwort lautet: Zhi Bo habe ihn wie einen Staatsmann behandelt, aus diesem Grund diene er Zhi Bo in angemessener Weise.
Ist Yu Rangs Insistieren ein Versuch der Bewahrung der Menschlichkeit oder ein Beweis seiner Dummheit?
Die Geschichte endet nicht mit Yu Rangs Tod, sondern mit der Vergewaltigung seiner Frau durch mehrere Männer. Der Mann, der seine Loyalität seinem Meister gegenüber sein Leben lang bewahrt, schafft letztlich nicht einmal, seine eigene Frau zu beschützen. In dieser Szene zeigt sich die ganze Ironie des Schicksals von Yu Rang.
 
Der Attentäter ist der zweite Teil einer Trilogie des Regisseurs Lin Zhaohua. Während es im ersten Teil, „Der Unterhändler“, um Politik und Strategien geht, so handelt „Der Attentäter“ von der Menschlichkeit. Dabei zeigt „Der Unterhändler“, eingeladen zu den Lessingtagen 2011, meiner Meinung nach mehr schauspielerische Leistung als der zweite Teil. Trotz des schwächeren zweiten Teils bin ich gespannt, wie der Autor Xu Ying den dritten Teil schreiben, und wie Lin Zhaohua ihn inszenieren wird.
Und spannend bleibt: was wird das Thema des dritten Teils sein?

Yu Chen