Schw
arze Milch

Kuh-Doku

 

Die lettische Milchwirtschaft könnte Vorlage für eine fulminante EU-Kritik sein, die gnadenlos mit irrwitzigen Verordnungen, Richtlinien und der Bürokratie im Allgemeinen abrechnet. Ebenso würde es sich anbieten, die Ohnmacht lettischer Bauern gegenüber dem Sog der Globalisierung darzustellen und ihren Frust auf die Bühne zu bringen. Doch Alvis Hermanis überrascht mit einer völlig anderen Perspektive auf Kuh, Milch und Bauern. „Schwarze Milch" bricht nämlich weder eine Lanze für lettisches Landleben, noch setzt es auf Quoten bringendes Selbstmitleid. Dem Zuschauer wird nüchtern Einblick in die Welt der lettischen Kühe und Bauern gewährt. Ohne künstliches Drama und aufgesetzte special effects, stellt die Inszenierung dokumentarisch die innige Beziehung zwischen Kühen und Bauern in Vergangenheit und Gegenwart dar. Hermanis\' puristische Entscheidung für den Alltag auf Bauernhöfen wirkt frisch, authentisch und kommt wohl nicht von ungefähr. Ob seine Kritik sich auf die mangelnde Wertschätzung des Landlebens bezieht oder einfach eine Antwort auf hochtrabendes Theater ist, wird ganz dem Zuschauer überlassen. Hermanis diktiert nicht, zwingt nicht, er lässt den Zuschauer Raum sich mit verschieden Bauern und Kühen vertraut zu machen, zu schmunzeln und nachzudenken.
 
Mich hat vor allem die schauspielerische Leistung überzeugt: von 6 vollbusigen Kuhdamen und einem Bauern, die es verstehen, den schmalen Grad zwischen humorvoller Darstellung und ernsthaftem Bauernhof-Flaire zu vermitteln und überrascht mit skurrilen Bildern aus dem Alltag.

Said Haider