Schw
arze Milch

Ein Salatkopf als Brautstrauß und so weiter und so fort.
 

Hach, ist das ein einzig großer, wahnsinnig poetischer Spaß. Wunderschöne Frauen in wunderschön geblümten Kleidern und wunderschönen Stöckelschuhen tragen Kuhglocken um den Hals, Lebendohrmarkennummern als Ohrringe (den Begriff habe ich natürlich nachgeschaut), falsche Zöpfe als Schwänze und Haarreifen mit Hörnern auf dem Kopf. Deren Spitzen, wie sich später herausstellen wird, sogar leuchten können! Und zu allem Überfluss macht dieses Ensemble auch noch das gesamte Stück über wunderschön absurde Dinge, die sich zu einer sehr ausdruckstarken, sehr körperlichen Choreographie zusammenfügen.
Okay, irgendwann denke ich, jetzt hat es sich vielleicht langsam erschöpft, dieses Überspitzte, Klamaukige. Dann aber setzt schon der nächste Monolog ein, der von so stiller, berührender Schönheit ist, dass er mit einem Paukenschlag die einsetzende Ermüdung gehörig durcheinander wirbelt.
Ach so: Es geht um Kühe.
Um Kühe, die Zigaretten rauchen und einen starken Charakter haben. Um Kühe und um das lettische Landleben, um die Beziehung zwischen Menschen und Tieren, um das Früher und das Heute, um die jungen Leute, die alle fort sind, um das Tanzen, um Nähe und Zärtlichkeit, um gedrückte Milchpreise und den Fettgehalt von Stadtmilch. Es geht um Europa, um Heimat und um eine Wippe, auf der schallend gelacht wird. Die Simultanübersetzung lässt keinen Zweifel daran, dass Lettisch eine schnelle Sprache ist. Eine, deren Worte ineinander purzeln und ungehalten übereinander herfallen, eine, deren Tonfall schrill ist, laut und fröhlich, eine, die man so uneitel, rotzig-lässig hinausposaunen kann in die Welt und ins Publikum, wie die Schauspieler es an diesem Abend tun. Wenn sie ihre kleinen Geschichten erzählen. Oder eben nur so vor sich hinmuhen.
Echt jetzt: So etwas auf diese Art absurd-schön-klug-naives habe ich noch nie in einer deutschen Inszenierung erlebt. 


Rebecca Martin