Die Protoko
lle von Toul
ouse

„Ich glaub dir kein Wort“
 
Schüsse von drinnen, noch bevor der Einlass beginnt. Dann: Dunkelheit, das imitierte Geräusch von tropfendem Wasser. Zwei Jungs in Jeans, auf einer mit bunten Lampen ausgeschmückten Tribüne, die von Anfang an kumpelhaften Umgang miteinander pflegen. 
„Die Protokolle von Toulouse“ in der Gaußstraße – das ist die gekürzte Fassung des ursprünglich mehrstündig andauernden Gesprächs zwischen Hassan (Rafael Stachowiak) und Mohammed Merah (Thomas Niehaus) am 21. März 2012. Hassan ist französischer Polizist nordafrikanischer Abstimmung – und Muslim. Genau wie Mohammed, der in der Woche zuvor sieben Menschen erschossen und sich nun in seiner Wohnung verschanzt hat, schwer bewaffnet und noch immer zutiefst davon überzeugt, dass er im Recht ist. Spannender Stoff.
So neugierig ich auf diesen Abend war: Schnell wird deutlich, dass er in erster Linie aus nett vorgetragenem und, schon allein von einem voyeuristischen Standpunkt aus, interessantem Text besteht. Da reden zwei Männer über ihren Glauben, über das Leben, über ihre jeweilige Situation. Es fallen Sätze, die vor Emotionen fast platzen: „Für mich geht das hier um Vertrauen“, sagt Hassan einmal. Und Mohammed: „Das einzige, was ich bereue, ist, dass ich nicht noch mehr Menschen getötet habe.“
Die inszenatorischen Einfälle sind meines Erachtens jedoch eher rar gesät. Ich erinnere mich an Folgendes: Die Tribüne wird irgendwann in zwei Teile geteilt. Es gibt mäßig erhitzte Gemüter. Fröhliche Musik unterstreicht in regelmäßigen Intervallen die allgemeine Plauderton-Atmosphäre. Außerdem ist da dieses ganze Kumpelding, klar. Die scheinbare Nähe zwischen Polizist und Terrorist, die ständige Körperlichkeit, wenn Hassan und Mohammed sich umarmen, miteinander tanzen, sich tief in die Augen schauen.
Ich habe schlichtweg Ideen vermisst, eine zweite, möglicherweise überraschende Ebene, die in meinem Denken Neues anstößt. Etwas, das mich berührt, abseits der rein gesprochenen Worte.

Rebecca Martin