Pressestim
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ego!

„Die letzte Thalia-Premiere in dieser Spielzeit ist ein Wagnis: Das Stück "Fuck your ego!" basiert auf Leben und Werk des russischen Reformpädagogen Anton Makarenko, der in den 1920er Jahren eine Kolonie gründete, in der aus jugendlichen Straftätern "neue Menschen" gemacht werden sollten. Darin wurde jeglicher Egoismus unterbunden, notfalls mit Gewalt. Das estnische Regie-Duo Tiit Ojasoo und Ene-Liis Semper inszeniert zum ersten Mal in Deutschland. Und das Stück dauert fast drei Stunden - ohne Pause. Überraschend ist deshalb, wie kurzweilig dieses leicht wahnsinnige Projekt über die Bühne der Gaußstraße fegt. Die sieben Darsteller spielen Mitglieder dieser "Gorki-Kolonie", und als solche tarieren sie immer wieder die Grenzen zwischen Gruppenzwang und Rechten des Individuums aus. Dabei stoßen sie auch an die Schmerzgrenze: Gerade die Momente, in denen das zerbrechliche Gleichgewicht der Machtverhältnisse einer Gruppe sehr körperlich und genau choreografiert dargestellt wird, sind die besten des Abends. Dazu gibt es viel Humor und Mut zum Unsinn. Ein ausuferndes Spektakel, ein durchaus passender Rausschmeißer aus der Saison.“ - Hamburger Morgenpost

 

„Die estnischen Theatermacher Tiit Ojasoo und Ene-Liis Semper haben die poetischen Texte des russischen Reformpädagogen für eine Art  Improvisation im Hamburger Thalia Theater genutzt. Anhand einer siebenköpfigen Kommune wird der Weg zur Gleichheit aller und zurück porträtiert. […] Die estnischen Theatermacher interessiert der Impuls, der am Anfang steht - die Befreiung, die in der Gleichheit liegt; eventuell sogar als Ausweg für die Welt von heute, deren globales Grundprinzip die Ungleichheit ist. […] Cathomas, Alexander Simon und Sebastian Rudolph, Julian Greis und Sebastian Zimmler, Birte Schnöink und Franziska Hartmann, einander immer ruppig mit dem eigenen Nachnamen und "Du" anredend, also ziemlich privat, zeigen den welthistorischen Erziehungsdiskurs als ziemlich freies, auf der Bühne befreiend wirkendes Spiel mit Gedanken, Ideologien und Strategien. Das macht diese Begegnung mit den estnischen Erneuerern so speziell - unüberhörbar geht es ihnen um etwas, und unübersehbar wird in ihrer Theater-Vision ein furioses Spiel daraus.“ - dradio.de
 
Der Titel ist schon mal klasse. "Fuck your Ego!", das geht aggro in die Fresse, "Nimm dich mal nicht so wichtig!", und verschleiert in seiner Schnoddrigkeit charmant, dass das Ficken des Ego eben auch bedeuten würde, das Selbst zu verleugnen, sich einzuordnen ins Kollektiv. Und das klingt dann schon nicht mehr so schnoddrig, sondern mit einem Schlag gefährlich schillernd. Die estnischen Theatermacher Tiit Ojasoo und Ene-Liis Semper, als Leiter des Theaters NO99 in Tallinn mit einer gewissen Festivalprominenz gesegnet, inszenieren erstmals in der Bundesrepublik: den Roman "Ein pädagogisches Poem" des frühsowjetischen Reformpädagogen Anton Makarenko. […] "Fuck your Ego!" ist eine Überforderung. Zu lang, zu viel, zu laut, zu klug, zu läppisch. "Fuck your Ego!" ist aber auch auf eine ganz großartige Weise konsequent. Wie Makarenkos Traum vom "neuen Menschen" scheiterte, erst zu Stalin und dann in den Gulag führte, so scheitert auch diese Inszenierung. Am Ende bleibt nur noch ein erschreckendes Bild von Bruno Cathomas, der halbwahnsinnig Strategien linken Widerstands durchdekliniert, ohne zu wissen, wogegen er eigentlich widerstehen soll, am Ende bleibt eine E-Mail an den slowenischen Philosophiestar Slavoj Žižek, dass man ihn zitieren wolle, ob das okay sei, am Ende bleibt Žižeks desinteressierte Antwort? Der neue Mensch: ein Witz. Ein blutiger, dreckiger, viel zu langer Witz, ein irgendwo ganz großartiger Witz.“ - nachtkritik.de
 
„Bewundernswert, diese sieben Schauspieler, die sich knapp drei Stunden auf der Bühne verausgaben. Sie exerzieren, übergießen sich mit Wasser, einer landet kopfüber in einer halb gefüllten Tonne, zwei springen als Pferde durch den Raum, es wird Wäsche gewaschen, Holz gehäckselt, mal ist Bockspringen angesagt, mal werden ellenlange Monologe gehalten, man streitet über die gerechte Verteilung von Essen und darüber, ob Schnaps erlaubt ist (ist er nicht), man prügelt sich aus Neid und Eifersucht, man spielt als Roboter verkleidet Theater, wischt den Boden oder durchpflügt Späne anstelle eines Kartoffelackers. Es gibt viel zu tun. Das Leben hier ist kein Streichelzoo. Die Truppe lebt in einer Kolonie und arbeitet mit vollem Einsatz an der historischen Utopie vom besseren Menschen. Am Ende hat man den Eindruck, an einem irrsinnigen, komischen, fesselnden Unternehmen teilgenommen zu haben. […] Wenn das Kollektiv entscheidet, dass Schnaps verboten werden soll, aber nicht jeder mitmachen will, wenn es zu wenig anzuziehen gibt und einer ein T-Shirt klaut, dann werden Straflektionen erteilt, gibt\'s Klassenkeile. Zimmler fängt sich Ohrfeigen ein, bekommt einen glühend roten Kopf. Cathomas wird die Hose heruntergezogen. Er muss sich für seinen dicken Bauch entschuldigen, wo doch die anderen hungern. Hartmann und Schnöink spielen die wunderbarsten Pferde, die man je auf einer Bühne gesehen hat, sie springen, schnauben, scharren, schmiegen sich an, sprinten davon. Die kleine Schnöink mit dem dicken Cathomas auf dem Rücken - ein Bild himmelschreiender Ungerechtigkeit. Rudolph hält einen Wahnsinnsmonolog über die Sechs-Felder-Wirtschaft, Cathomas irrlichtert über linken Widerstand. Der Abend ist eine aufregende, unterhaltsame, mutig konsequente Ansammlung von tollen Nummern über das schwierige Leben miteinander, über das Scheitern des Kommunismus und anderer Träume. Er zeigt Wettkampf, Leid, Ausgrenzung, Macht und Widerstand in lebhaften Bildern und toller Körperchoreografie. Nie langweilig, selten nervig, meist amüsant. Theater, wie man es selten sieht.“ - Hamburger Abendblatt
 
„Thalia Intendant Joachim Lux hat Ojasoo und Semper nach zwei erfolgreichen Gastspielen während der zurückliegenden Lessing-Tage eingeladen, ihre erste deutsche Inszenierung an seiner Bühne für zeitgenössische künstlerische Betrachtungsweisen einzustudieren. Zwei Monate verbringen die beiden Esten nun damit, an der Uraufführung von "Fuck your ego!" (nicht ganz so rüde wie im Originial übersetzt heißt das in etwa: "Vergiss Dein Ego") zu arbeiten. […] "Wir wussten, dass es mit der Sprache schwierig wird, dass der kulturelle Kontext anders ist und dass wir Dinge anders wahrnehmen als das Ensemble. Was wir nicht wussten, ist, dass die Unterschiede so groß sein würden", sagt Ojasoo. "Ene-Liis und ich haben ja beide Systeme mitbekommen, das sozialistische und das kapitalistische. Die Menschen hier haben das nicht. Wir stehen also gewissermaßen zwischen zwei Welten. Aber auch das lässt sich für unsere Arbeit nutzen, wir können essenzielle Fragen schärfer formulieren." […]  "Im Theater können wir Fragen aufwerfen und träumen. "Die Truppe versucht, auf der Bühne eine neue Gesellschaft zu formen, in der die Einzelnen füreinander Verantwortung tragen, und in der sie ihre eigenen Wünsche und Vorstellungen auch mal mutig unterordnen, um der Gemeinschaft zu dienen - fuck your ego. Ein Denksport wird das für die Zuschauer, die den Abend auch dann verstehen können, wenn sie noch niemals von Makarenko gehört haben. Ene-Liis Semper sagt: "Die Schauspieler geben dem Publikum Denkimpulse, die etwas im Kopf anstoßen. Was daraus entsteht, kann größer sein, als das Schauspiel auf der Bühne."“ - Welt am Sonntag
 
„Sebastian Zimmler zappelt mit allen Gliedern, ächzt und speit. Seine Position ist nicht die bequemste. Kopfüber steckt er in einer Blechtonne mit Wasser. Aber Schauspielern wird nichts geschenkt. Schon gar nicht bei dem energetischem Verausgabungstheater, für das die beiden estnischen Theatermacher Tiit Ojasoo und Ene-Liis Semper stehen. Derzeit proben sie im Thalia in der Gaußstraße einen Abend mit dem Titel "Fuck your ego!", der am 26. April zur Uraufführung gelangt. Nein, kein launiges Jugendstück. Sondern ernster gesellschaftsutopischer Stoff auf Basis der Ideen des russischen Schriftstellers, Pädagogen und Kommunarden Anton Makarenko. […] Ojasoo vermittelt eine mitreißende Dynamik, die bislang allen international gefeierten Produktionen des Theaters NO99 aus dem estnischen Tallinn zu eigen ist. Junges athletisches Theater, gleichermaßen Text, Tanz und Ausdrucksmitteln des Performativen verpflichtet. Die Hamburger konnten dies bei des Lessingtagen bereits zweimal bewundern. Vor zwei Jahren begeisterten die Esten mit einem unverfrorenen ironisierten Beitrag zur Debatte um Kunstförderung in "Wie man einem Toten Hasen die Bilder erklärt". Zehn Darsteller wuchsen darin, Joseph Beuys gleichnamiger Kunstaktion von 1965 zitierend, auf klug choreografierte Weise zur sozialen Plastik. Bei den diesjährigen Lessingtagen beglückte Sebastian Nüblings multilinguale Umsetzung der "Three Kingdoms" von Simon Stephens mit deutscher, britischer und eben estnischer Beteiligung.“ - Hamburger Abendblatt Live