Made-in-vasion –
Die Welt im Ich/Da
s Ich in der Welt

Ein Selbstversuch (für Insider)

 

18 Uhr, Gaußstraße, Invasion; Eine Art Stille-Post-Spiel mit dem Begriff „Abulkasem“: eine Chiffre für etwas Unbekanntes. Der Junge, an dem der Name Abulkasem zeitweise hängen bleibt, bittet um eine Dolmetscherin. In fließendem Deutsch erzählt er von seinen vier Jahren in Deutschland, der Zuschauer soll sich vorstellen, er könne es nicht verstehen.

Wortgetreu wiederholt die Dolmetscherin. Bis das Original vergnügt von einer Musikkassette erzählt. Da erdichtet die Dolmetscherin plötzlich eine andere Version, „Bang a boomerang“ von ABBA wird zum „schnallte mir den Sprengstoffgürtel um“ – die Terroristenbiographie ist geboren… (mehr zum Stück: Blogeintrag 2011)

Und gleich weiter: 20 Uhr, Gaußstraße, Made in Paradise; Das Publikum stellt sich das Spielprogramm zusammen, tatsächlich eine neue Kombi aus Fragmenten (vgl. Blogeinträge vom Vortag).

Neben Darsteller Omar Ghayatt steht ein junger Physikstudent, ebenfalls Ägypter. Er ist der Dolmetscher.

Es ist nicht seine Schuld, er macht seine Sache sicher gut (ich unterstelle es ihm gerne – ertappt, genau um dieses Misstrauen, um das Verdächtigen geht es hier?!).

Dennoch, mir geistert Abulkasem durch den Kopf…ausgeliefert, wer nicht alles selbst kann und versteht, ist ausgeliefert – Three Kingdoms fällt mir ein, der Brite in Tallin, er begreift nichts (weiß er, dass er nichts weiß?) oder Sad Songs from the Heart of Europe, ich musste der Übersetzerin blindlings vertrauen…

Nächstes paradiesisches Fragment, ich verschwinde (freiwillig) unter einer Burka, ohgottogott ist das heiß hier unter diesen Stoffen, durch den Sehschlitz sehe ich lauter verhängte Unbekannte, höre Stimmen von ferne, meinen Atem, ich mache zwei Schwarzverhüllten ein Foto, aber es ist egal, ich könnte es auch von mir machen, sähe doch genauso aus, Fremdheit, vor mir selbst, wer um-alles-in-der-Welt bin ich (aha, das war doch eben Thema in Invasion, stopp, gestern im Nathan, oder nein, Gólgota Picnic – äh, warte, Faust-Marathon), um mich herum alle gleich, Hilfe, Invasion! da trugen sie doch auch diese Masken, alle vier Schauspieler gleich, alles gleicht – sich…!

Bilder aus fast 14 Tagen Theater ziehen durch mein Hirn, ähnlich, wie der Festivaltrailer im Foyer, aber nicht so sauber beschriftet, welches Datum, welches Ensemble, nein, mein Kopf spielt selbst Kurator und stellt Bilder, sogar komplette Szenen nebeneinander, sein Suchbegriff lautet heute Abend: Terrorismus, Islam, 11.September – die entsprechenden Synapsen verknüpft er dann, wie es ihm gefällt…BOUM (so nennt sich auch das nächste Fragment!), eine Frage ans Publikum: „Was wisst ihr über den Islam“, 10 Minuten Zeit, ich weiß nichts, Prüfungssituation, Black-Out, arghhhhh, ich muss hier raus, ich brauche – mein Ich in der Welt…braucht eine Bilderpause!!! (Alles abulkasem, oder was?!)


Natalie Lazar