Operndo
rf Afrika, Zwis
chenstand

„Oper? Kenn ich nicht, ich kenn nur operieren. Und das brauchen wir hier.“

 

Mitten in einem der ärmsten Länder Afrikas wollte Christoph Schlingensief einen Ort für Einheit von Kunst, Leben und Tod entstehen lassen: das Operndorf Afrika, nahe der Hauptstadt Ouagadougou, in Burkina Faso.

Und dabei als Weißer vor allem eins: den Prozess beobachten, wie sich Kunst und Leben entwickeln. Er fordert noch von der Leinwand aus auf: „Ohne Facebook-Freunde dafür zu gewinnen, ohne einmischen. Einfach nur finanzieren.“ Darum wählte er Burkina Faso – er selbst konnte kein Französisch und wollte nicht die offizielle Landesprache beherrschen: auch für ihn galt „ohne reinquasseln“.

Am 8.Oktober 2010, etwa ein Jahr nach Schlingensiefs Tod werden 50 Kinder zwischen 6 und 9Jahren im „Operndorf“ eingeschult. Es gibt normalen Schulunterricht. Jeden Tag eine Stunde Kunst. Einmal in der Woche Film. Betreuer sind afrikanische Lehrer, Künstler, Tänzern und Musiker.

Es soll ein Ort entstehen, an dem die Weißen Afrika etwas „klauen“ könnten. Einmal mehr und immer weiter, im Laufe der Geschichte? Zeigt erst der Begriff „klauen“ – eben im Wortschatz des Kolonialismus –, dass man den Wert von Ideen und Kreativität ernst nimmt? Westliche Künstler, vom Geld korrumpiert, verkrustete „Darstellungsbeamte“ aus Opern und Theatern, sie alle sollen eines Tages im Operndorf in Begegnungen die „sinkende Batterien Europas“ neu aufladen.

Wie sich das Operndorf bis jetzt entwickelt hat, die Hütten, das Schul-, Festspiel- und Krankenhaus, wurde in einer Gesprächsrunde präsentiert. Eine zweite Bauphase soll folgen, Spenden sind erwünscht… Hier einige Schlaglichter des Abends (nicht immer ganz wortwörtlich):

Gäste: Aino Laberenz (Kostüm- und Bühnenbildnerin, Ehefrau von Christoph Schlingensief), John Bock (Künstler), Dr. Harald Falckenberg (Sammlung Falckenberg) und Matthias Lilienthal (Intendant Hebbel am Ufer), Moderation: Wolfgang Höbel (Journalist, Der Spiegel)

Was soll der Begriff „Oper“ im Operndorf? Laberenz: Oper als Begriff umfasst viele Kunstformen. In Burkina Faso sagte eine Frau: ,Oper kenn ich nicht, ich kenn nur operieren. Und das brauchen wir hier.‛ Lilienthal: Es gibt zwei Benutzerebenen: einmal nützliche Dinge für das Dorf wie Krankenhaus, Schule, und andererseits die Idee, einer Art afrikanischen Wagner-Ring Raum zu geben… Der Versuch Kunst und Leben zu verbinden, ist historisch gesehen bereits gescheitert. Falckenberg: Sich dem Scheitern nicht beugen! Das Operndorf als Utopie, Oase, Prinzip Hoffnung – dient für uns alle als Beispiel, auch für die Leute dort. Gibt es in Burkina Faso nichts Wichtigeres als ein Operndorf? Laberenz: Ziel ist es, Kunst und Leben zu vereinigen. Der Hilfscharakter ist dabei unausweichlich, wie Wasserleitungen legen – aber es soll nicht in Entwicklungshilfe abrutschen, sondern eine Begegnung auf Augenhöhe bleiben. Und auch als Archiv funktionieren, z.B. traditionelle Geschichten, Musikinstrumente bewahren. Was ist Ihre Meinung zum Operndorf? Bock: Schlingensief ging so vor: erst machen, dann denken – das Dorf ist die Überführung dieses Kunstgedankens. Sollten wir alle öfter machen. Der Prozess ist das Wesentliche, nicht das Ergebnis.


Natalie Lazar