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ilia Galotti

„Denn Marco Štorman, Jahrgang 1980, hat eine durchaus sehenswerte „Emilia Galotti“ auf die Thalia-Bühne in der Gaußstraße gebracht. Es ist die Eigenproduktion des Thalia Theaters anlässlich der Lessingtage. Der Lessing der Lessingtage, sozusagen. Trotzdem ist die Inszenierung in der Gaußstraße, der bescheideneren Zweitbühne des Hauses, gerade richtig aufgehoben. Denn der zeitgemäße Zugriff gelingt Štorman weniger durch das Aufblättern eines gesamtgesellschaftspolitischen Panoramas – was bei den Themenfeldern Moral, Würde, Tugend versus die Dekadenz der Mächtigen inmitten der Wulff-Affäre(n) durchaus denkbar gewesen wäre – als vielmehr durch das glaubhafte Transponieren des Personals in durchweg heutige Charaktere. […] Das starke Ensemble nämlich ist eindeutig der Grund, für den es sich lohnt, diese Inszenierung zu sehen. Vor allem Jörg Pohl als willfähriger Marinelli mit Glitzercolt-Gürtelschnalle gibt einen fabelhaft präpotenten Möchtegern-Styler unter den verwöhnten Lessing-Hipstern und wird dabei trotzdem nicht zur Karikatur. Jede Nuance, jede Geste, jeder Blick stimmt. Emilias Mutter Claudia (eigentlich auch kein ganz spannender Charakter) wird bei Karin Neuhäuser zum schrulligen Althippie, streckenweise überzieht sie das bürgerliche Trauerspiel zur herrlich grotesken Komödie und hält sich dabei immer noch an Lessing, der schließlich schrieb: „Was kümmert es die Löwin, (...) in wessen Wald sie brüllt?“ Diese Löwin ist halt eine echte Rampensau. Hans Kremer als ihr Mann Odoardo – und vielleicht noch mehr als lässig aus der Hüfte Polaroids schießender „Maler“ Conti – steht ihr darin in nichts nach. Marina Galic zeigt ihre eifersüchtige Orsina als interessante, taktierende Frau mit eher unterkühlter Erotik. Sebastian Zimmler als Appiani und Thomas Niehaus als Prinz könnten wie Marinelli und Odoardo jeden Paul-Weller-Lookalike-Wettbewerb gewinnen oder – gäbe es sie noch – zumindest optisch sofort bei Oasis einsteigen. Nicht bloß deshalb wird diese bewusst neonkalte Inszenierung sicher gut von Schulklassen und anderen jungen Theatergängern angenommen werden. Sie ist nicht fulminant, aber sie ist schnell, sie hat sehr starke Momente und auch sehr, sehr komische, ohne dabei zu verflachen oder das Ganze zu verraten. Und das leuchtende Palindrom an der Rückwand mag inhaltlich verzichtbar oder schlicht ein wenig dick aufgetragen sein - es sieht aber ohne Frage ziemlich schick aus.“ - Hamburger Abendblatt
 

„Gerade noch haben Popjournalisten von Rang die Frage diskutiert, was denn den Hipster, diesen amerikanischen Nachfahr des europäischen Bohèmiens, so ausmacht, da sieht man ihn gleich in mehreren Varianten in einer äußerst lässigen Lessing-Inszenierung herumstehen. […] Emilia Galotti, Gotthold Ephraim Lessings Trauerspiel über die grausamen Folgen adeliger Arroganz und bürgerlicher Pflichterfüllung, landet in der Regie des gebürtigen Hamburgers Marco Storman ( Jahrgang 1980) im Paradies der Distinktionskünstler und in einer semirealen Gegenwart. Doch was passiert, wenn der Graben zwischen Prinz und Emilia auf ein paar Kapitalfragen zusammengeschnurrt, während ganz offensichtlich die Konsumwelt (Konsum von Menschen inklusive) gemeinsamer Wert- und Beziehungsrahmen bleibt? Funktioniert die Fabel noch? Dass sie funktioniert, ist in erster Linie dem genüsslich aufspielenden Ensemble zu verdanken, das sich aus der Transponierung der Figuren in die Welt der Schnösel einen sichtlichen Spaß macht und die minimalen Unterschiede, die dann doch noch zwischen Geld und Kunst bestehen, sorgfältig auspinselt. Jörg Pohl legt den Kammerherrn Marinelli als sozial schmieriges Superbrain an, der seine Befriedigung allein aus dem Abschnurren der Intrige saugt, alle körperlichen Freuden – Orsina ( Marina Galic ) küsst ihn einmal auf den Mund – jedoch mit Abscheu von sich weist. Für diesen Lustgewinn ist der Prinz zuständig, der als Reiche-Leute-Söhnchen mit kindlicher Gier nach der hübschen Emilia verlangt und sorglos über die Leiche ihres Bräutigams, des Grafen Appiani, hinweggeht. Emilia bleibt bei Franziska Hartmann längere Zeit nur Objekt der Begierde, um sich gegen Ende nicht nur vom eher ängstlichen als ungnädigen Herrn Papa, sondern auch von Lessing zu emanzipieren: Sie bittet nicht um ihre Erdolchung, sondern zieht ihrer Wege. Der Paradiesvogel unter all den Coolen, Reichen und Elitären ist Karin Neuhäuser als Emilias Mutter. Mit bunten Wallengewändern und Adrienne-Göhler-Frisur irgendwo zwischen Puffmutter und Galeristin angesiedelt, legt sie die Stirn in tiefe Sorgenfalten, als grüble sie über den Sinn des Palindroms nach, das in Neonbuchstaben über Frauke Löffeös Bühnenraum prangt : IN GIRUM IMUS NOCTE ET CONSUMIMUR IGNI. „Wir irren nachts im Kreis umher und werden vom Feuer verzehrt“ Kann eigentlich nur heißen: Wenn es überhaupt noch etwas aufzuklären gibt, Freunde, dann klärt euch über eure Begierden auf!“ - Theater Heute

 
„Regisseur gräbt den Emilia-Galotti-Menschen aus (...) Marco Štorman gelingt ein berührender, schneller, doch streckenweise überdrehter Lessing-Abend im Thalia in der Gaußstraße (...) Bei Štorman sind von Anfang an die höfischen Charaktere Typen in schräg schriller, bewusst cooler Aufmachung - der Prinz trägt Schlabberlook, Marinelli eine strassbesetzte Pistole als Gürtelschnalle, die dem fabelhaften Jörg Pohl als grinsender Strippenzieher zwischen Buckeln und Treten als Statussymbol dient. Gräfin Orsina (Marina Galic) dagegen ist eine kühl verletzte Garconne, während Appiani einen steifen Arm hat, wie Tellheim in Lessings „Minna von Barnhelm“. Merke: Beide sehnen sich nach einem ruhigen ländlichen Leben. Auf der Gegenseite die Galottis: Emilia, das langbeinige Girly mit Hot Pants, Mutter Claudia (Karin Neuhäuser ist hinreißend als warmherzig pragmatische, wie zum Ausgang fein gemachte Puffmutter) und Odoardo. Beide sind von wundervoller Herzenskomik in ihrem unbedingten Ernst. Alle aber werden auf spießigen Teakholzmöbeln oder am Boden platziert, zum Abruf bereit. Wir sehen dem akrobatischen Quatsch auf Rotkohl zu, wie sehen das Blut aus Appianis Mund fließen wie in einer Schauermoritat, wir registrieren Fein- und Grobheiten und sind erst dann zutiefst gefangen, wenn Lessing ganz rein gesprochen wird. Dann wird aus der kleinen Schaubude großes Theater.“ - Welt
 
„Mit fabelhaften Schauspielern, zu denen auch Hans Kremer und Karin Neuhäuser als Emilias Eltern gehören, hat Štorman den Bühnen-Evergreen umgesetzt. Seine „Emilia Galotti“ ist ein Stück über eine Ex-und-hopp-Gesellschaft, in der die reichen Jungs sich nehmen, was ihnen gefällt.“ - Hannoversche Allgemeine
 
„„Emilia Galotti“ ganz neu: Frische Dialoge und schrill-bunte Kostüme (...) Lessings Klassiker wurde kräftig entstaubt (...) Im Theater haben die Handelnden mächtig Dreck am Stecken! Sie inszenieren einen Überfall, bei dem Emilia Galotti verschleppt wird und ihr Verlobter ermordet. Der Prinz hat sich nämlich in sie verguckt und denkt, er kann sich nehmen, was er kriegen will – falsch! Bei Lessing stirbt Emilia schließlich aus der Hand ihres eigenen Vaters, in der neuen Inszenierung in der Gaußstraße (Regisseur: Marco Štorman) gesteht man ihr mehr Autonomie zu: Sie verschwindet einfach. Es ist nicht die einzige Modernisierung, die der Klassiker hier erfährt. Die Kostüme und Frisuren sind bunt und schräg, und immer wieder bricht sich auch ein auflockernd selbstironischer Ton die Bahn, der den Stoff entstaubt und auffrischt, ohne anbiedernd zu sein.“ - Hamburger Morgenpost