Was ist die besse
re Religion? Symp
osium

Szenen eines Gesprächs über die Religion

 

„An einer Kreuzung stehen zwei Wegweiser. Nach links geht es ins ‚Paradies‛, nach rechts zum ‚Vortrag über´s Paradies‛. Was macht der Moderne Mensch? Er biegt nach rechts ab.“

Frei nach Worten von H. Wölfflin betritt er, der Moderne Mensch, an diesen Sonntagvormittag das Theater statt sein Gotteshaus, ganz Ohr beim Symposium über die Religion. Gleich zu Anfang warnt Moderator Dr. Thomas Sparr (Suhrkamp Verlag): Es geht nicht um die private Religion der Experten. Es geht um die Experten-Antwort auf die Frage „Was ist die bessere Religion?“ Kann man das so klar trennen, wenn man gleichzeitig Kenner und Bekenner ist, also Experte und Religiöse/r in Personalunion? Lässt sich Religion von Emotionen, von Empfindungen, von Erfahrungen loslösen?

Die These, aus der die provokante Frage „Was ist die bessere Religion?“ geboren wird, geht von der „Rückkehr der Religionen“ aus, ihre erneute gesellschaftliche Relevanz in einer veränderten Welt. Gibt es da eine Optimallösung, welche Religion nun die richtige sei?Nebenbei bemerkt: bedauerlich, dass kein dem Islam zugehöriger Experte geladen ist, die Diskussionsrunde wäre ausgewogener gewesen.

„Ich kenne nur meine Religion“, gibt Dr. Petra Bahr zu bedenken (Kulturbeauftragte des REK in Deutschland). Kann man also nur von der eigenen religiösen Herkunft ausgehen? Und sollte dem Gegenüber schlichtweg Toleranz entgegenbringen? Tolerant sein heiße aber nur, „dass ich mich zusammenreiße bei etwas, was ich eigentlich schwer erträglich finde“, so Bahr. Tiefer gehe der Begriff „Amibiguitätstoleranz“ als die Fähigkeit, Vieldeutigkeit und Unsicherheit zur Kenntnis zu nehmen und ertragen zu können.

Welcher Maßstab kann aber angewendet werden, um eine Religion als „besser“ oder „schlechter“ zu bewerten? Wie sieht überhaupt das Wesen der einzelnen Religion aus, nötige Grundlage für einen Vergleich. Können wir von einem durchgehenden Wesen der Religion sprechen? „Nein“, meint Prof. Dr. Thomas Bauer (Institut für Islamwissenschaft und Arabistik an der Universität Münster). Denn Religionen wandeln sich, der Islam des 13. Jahrhunderts habe nichts mit dem Islam der Taliban gemeinsam. Die Religionsfrage muss also auch immer den wirtschaftlichen und politischen Kontext beachten. Also wird die Frage nach der besseren Religion damit unweigerlich zur Frage nach der besseren Gesellschaft? Doch wer darf diese Frage stellen?

Fragen über Fragen, leider darf am Ende das Publikum keine weiteren hinzufügen. Interessant vielleicht doch die eine noch: Warum dieses Symposium?

Prof. Dr. Michael von Brück (Religionswissenschaftler an der Universität München), antwortet ehrlich und keck: Es geht auch darum, Bücher mit Gesichtern zu verknüpfen, also die Autoren vom Verlag der Weltreligionen (Suhrkamp) vorzustellen. Also ein Werbe-Gag? Dafür ist der Eintrittspreis dann allerdings beachtlich…

Schließlich und letztlich kann das sonntägliche Symposium über die Religion im Lessingschen Geiste münden: alle Religionen seien „gleich wahr und gleich falsch“. Amen.

Kurze Frage im Backstage:

Pfadfinderin: „Frau Ederberg, Sie sagten während der Diskussionsrunde etwas lapidar, es könne auch gute Menschen ohne Religion geben. Das klingt, als sei dies eine Art Ausnahmeerscheinung. Könnte es nicht sein, dass Menschen ohne Religion sich so viele Gedanken gemacht haben, dass sie keine Religion mehr annehmen können?“

Gesa Ederberg: „Nein. Keine Religion zu haben ist intellektuell viel weniger herausfordernd, als wenn man sich auf eine Religion einlässt und darüber dann reflektiert. Sich auf den Alltag zu beschränken, das ist einfach. Aber in dem Chaos, in dem sich die Welt darstellt, bei all dem Bösen und Unrecht, was geschieht, dann zu sagen: Ich halte an einer Religion fest! Und reflektiere das auch noch entsprechend, finde ich intellektuell viel herausfordernder.“

Gäste Gesa Ederberg (Rabbinerin der Jüdischen Gemeinde zu Berlin), Dr. Petra Bahr (Kulturbeauftragte des Rates der Evangelischen Kirche in Deutschland), Prof. Dr. Helwig Schmidt-Glintzer (Sinologe und Direktor der Herzog-August-Bibliothek Wolfenbüttel), Prof. Dr. Thomas Bauer (Institut für Islamwissenschaft und Arabistik an der Universität Münster)


Natalie Lazar