Nils Be
rg Cinem
ascope

Ein Jazz-Konzert mit Web-Auftritt

 

Was haben ein pakistanischer Bräutigam, eine japanische Koto-Spielerin und eine Gruppe schwedischer Rentnerinnen gemeinsam? Sie alle jazzen in der Gaußstraße! Das glauben Sie nicht? Na gut, zugegeben, persönlich anwesend ist keiner von ihnen und einige wissen nicht einmal von ihrem Auftritt, aber ihre „YouTube“-Videos mit kleineren und größeren, mal amateurhaften, mal professionellen musikalischen Darbietungen flimmern auf einer großen Leinwand. Grandios interpretiert und unterstützt werden die vielfältigen Internetmusiker vom schwedischen Nils Berg Trio, das seinerseits – live und in Farbe – auf der Bühne für den Jazz sorgt.

Bei vielen der Videos ist unklar, wer sie warum und wo genau gedreht hat. Aber sie alle halten einen sehr intensiven und authentischen Moment fest: Da ist ein kleiner Junge in weißem Gewand, der auf einem Hügel in Afghanistan schüchtern in die Kamera singt; da ist ein Mädchen in Brunei, das mit ihrem Klassenkameraden lieber einen englischsprachigen Song singt, als Physik zu lernen; da ist eine japanische Flötenspielerin, die sich beim Musizieren hinter einem Blumenstrauß versteckt. Mit viel Gefühl und präzisem Timing verleihen Nils Berg (Saxophon, Komposition) Christopher Cantillo (Schlagzeug) und Josef Kallerdahl (Bass) diesen pixeligen Filmschnipseln aus aller Welt eine neue, jazzige Klangdimension. Sie binden die Melodien und Gesangsfetzen in eigene Kompositionen ein, ohne das Ausgangsmaterial völlig zu verfremden.

Wie kommt man auf solch eine Idee? „Wissen Sie, Künstler wie wir können sich leider kein großes Begleitorchester mit Harfen und allem drum und dran leisten. Deshalb hatte ich zuerst den Plan, meine Freunde in Schweden zu fragen, ob sie nicht mit ihren Instrumenten etwas auf Video aufnehmen könnten, damit wir ein virtuelles Ensemble für unsere Konzerte hätten. Aber dann kam mir der Gedanke, dass es viel ausgefallener und aufregender wäre, mit den Aufnahmen internationaler Amateure zu arbeiten,“ erklärt Nils Berg. Damit die Videos musikalisch brauchbar und jazztauglich werden, muss er sie aufwendig schneiden: „Ich versuche immer noch verzweifelt, mehr Komponist als Computerfreak zu sein.“

Dass sich die Mühe lohnt, zeigt dieser Abend. Die Mischung aus sanften, einfühlsamen Saxophonklängen, starken Basslinien und experimentellen Rhythmen mit Glöckchen und Topfuntersetzern kreiert im Zusammenspiel mit den Videos eine musikalische Weltreise. Das Publikum ist begeistert. „You make super music,“ ruft eine Dame in deutschem Englisch. Neue Fans dürfte das Trio mit seinem Projekt also gefunden haben. Und wer weiß, vielleicht hören demnächst ja auch ein paar der Internetmusiker live zu – dann wäre die musikalische Völkerverständigung wirklich gelungen.

 

P.S. Wer das Nils Berg Trio in Hamburg erleben möchte, hat beim diesjährigen Elbjazz-Festival die Gelegenheit.

Janne Kieselbach


Janne Kieselbach