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„Dimiter Gotscheffs "Antigone des Sophokles" im Thalia Theater ist eine grandiose Ensembleleistung“ - Hamburger Abendblatt

 

„Sie ist weder Heldin noch Opfer. Die rasende "Antigone des Sophokles" von Patrycia Ziolkowska in der Thalia-Inszenierung von Dimiter Gotscheff ist von Anfang an Gegnerin und Täterin. Und ein Erlebnis. […] Konzentriert auf den Ausdruck des Wortes und plastisches Körperspiel, verleiht Gotscheff dem Gewicht des Stücks über Staatsräson und Widerstand eine schwebende Leichtigkeit. Unterstützt von Karin Bracks Rauminstallation, in der Seifenblasen platzen und Heimorgelklänge dauerberieseln. […] Einander neckend, den tödlichen Ernst wegscherzend, liefern sich Antigone und Bernd Grawerts siegestrunkener Machtclown Kreon das finale Rampenduell. Im aussichtslosen Kampf verwandelt Ziolkowska Ohnmacht in lachende Verachtung für den Despoten. […] Am Schluss findet das bewegte Publikum erst langsam zu Beifall, steigert ihn dann aber zu Bravos für eine großartige Ensembleleistung.“ - Hamburger Abendblatt

 

„Katrin Brack hat mit diesem gleitenden Pneuma mal wieder ihr Talent für das Genial-Schlichte bewiesen. […] Geradezu schüchtern, als wollten sie die Arbeit des Regisseurs nicht stören, erweitern Bracks atmosphärische Setzungen die Möglichkeiten des Spiels in ihrem subtilen philosophischen Minimalismus.“ - Süddeutsche Zeitung

 

„Mit Neben gefüllte Seifenblasen regnen von der Decke herab, in den leeren Raum und auf den Erdhaufen in der Mitte der Bühne. Unablässig zerplatzen sie in der Luft und am Boden, verteilen kleine Nebelwölkchen, als wären sie Vorboten des Tages, an dem Thebens Bürger gestorben und mit Staub bedeck sein werden. Die Seifenblasenmaschinerie im Schnürboden pustet rhythmisch wie ein riesiges Notbeatmungsgerät, als läge die Stadt Theben bereits im Koma. Dieses meisterlich-mythische Bühnenbild von Katrin Brack bildet den Rahmen für Dimiter Gotscheffs Inszenierung der Antigone des Sophokles von Bert Brecht am Hamburger Thalia Theater. Gotscheff inszeniert das Stück als Fabel zweier Fanatiker, die sich ineinander verbissen haben: Kreon (Bernd Grawert) hat Antigones Brüder in einen Krieg um Erz geschickt. Der eine Bruder, im Krieg gefallen, darf standesgemäß beerdigt werden. Der andere jedoch, als Dissident von Kreon persönlich erschlagen, soll unter offenem Himmel verrotten. Als Strafe für den Verrat wird ihm der Zugang ins Reich der Toten verwehrt. Antigone (Patrycia Ziolkowska) widersetzt sich dem Befehl Kreons und beerdigt ihren Bruder. Aber nicht heimlich, im Gegenteil: Ihr Klagegesang hallt durch den Bühnenraum, während sie sich durch einen Haufen Erde wühlt, Dreck schleudert, sich mit Erde einreibt und auf ihr tanzt wie ein Derwisch. Diese Beerdigung ist ein Ritual, die Trauerarbeit einer vor Kummer fast Wahnsinnigen. Als man Kreon die festgenommene Antigone vorführt, fordert er sie achselzuckend auf, einfach mal „Tschuldigung“ zu sagen, um der Todesstrafe zu entgehen. Antigone explodiert: Ihren Körper gespannt wie eine zum Sprung bereite Raubkatze, schleudert sie ihm ihre Anklage entgegen, die Worte brechen aus ihr hervor, sie würgt und spuckt voller Abscheu. Animalische Wut trifft auf herablassende Süffisanz, heiliger Ernst auf ketzerischen Spott. Aus dieser Spannung ergeben sich durchaus komische Elemente, die den Zuschauern einige befreite Lacher schenken Gotscheff zeigt die Engstirnigkeit der Radikalen, die nichts um sich herum wahrnehmen.“ - Die Zeit

 

„Patrycia Ziolkowska in Hamburg eine kraftvolle, fast unverschämt selbstbewusste Antigone. Wenn sie sich in dem Erdhaufen wälzt, unter dem sie gegen die Anordnung des Königs ihren Bruder begraben hat, singt sie entrückt wie bei einem archaischen Trauerritual. Meist in der Hocke, fühlt sie sich in Bodennähe wohler als auf Augenhöhe mit den anderen, die Gotscheff wie vergessene, seltsam verdrehte, in bizarre Zeremonien verstrickte Insassen einer Nervenklinik zeigt. […] Die meisterliche Bühnenbildnerin Katrin Brack verstärkt die surreale Atmosphäre durch spezielle, wunderbar zart herabschwebende Seifenblasen, die sich manchmal unterwegs, manchmal erst beim Aufprall in hauchfeine Rauchwölkchen auflösen und die an Pulverdampf und Machtverlust wie an geplatzte Träume erinnern.“ - Frankfurter Allgemeine Zeitung

 

„Patrycia Ziolkowska gewinnt der großen tragischen Gestalt des antiken Dramas ganz neue Seiten ab. Ihre Antigone ist eine wild gewordene Autistin im leeren Raum der Bühnenkünstlerin Katrin Brack. Wasserdampfgefüllte Seifenblasen tropfen hier vom Himmel wie dicke Tränen. Trotz des griechischen Faltenwurfs an ihrem offenen kurzen Kleid drängt sich sofort Gollum auf, jenes Wesen aus dem „Herr der Ringe“, das sich aus seiner Wirklichkeit verabschiedet, unter dem Schutz des Ringes, halb Tier, halb Mensch, unsichtbar überlebt und nach seinem Verlust viele hundert Jahre um ihn kämpft. Keine Herausforderung war diese Figur für die Leserphantasie, wohl aber für die Filmausstatter. Patrycia Ziolkowska schafft es einfach mit Körpersprache. […] Brecht lässt in seiner Version der Hölderlin-Übersetzung keinen Zweifel daran, dass Machtverhältnisse beliebig sind und Grausamkeit keine Motive kennt. Wollte man dem Regisseur dieses etwas abstrakten Abends etwas vorwerfen, müsste man Dimiter Gotscheff zurufen: Gibt es denn gar keine Hoffnung? In seinen besten Momenten gibt er zwei Antworten: Klingt die Sprache pathetisch und irre, liefern Kreon und Antigone den vernichtenden Subtext dazu in Zeichen – und Lautsprache und durchkreuzen so den hohen Ton. Am schönsten macht Grawert das im dramatischen Dialog mit dem Chor, der am Ende wie eine Slapsticknummer von Oliver Hardy und Stan Laurel gebaut ist: Oliver (der Chor / Oda Thormeyer) piekst Stan (Kreon) so lange in den Bauch, bis es nicht mehr zum Lachen ist. So treibt Gotscheff der Tragödie die Komödie wieder aus, die er in ihr gesucht und nicht wirklich gefunden hat.“ - Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung

 

„Sie spielen ihre Rollen. Und sie spielen sie - Bibiana Beglau in gleich drei Funktionen als Wächter, Bote und blinder Seher allen voran grandios. In einem durchaus brechtschen rätselhaften Ritual, dass keinen Spielraum für Individualität lässt. In einem Kammerspiel, einem Wortschlachthof, einem Satzballett. Patrycia Ziolkowska ist darin die Primaballerina. Sie gebiert Antigones Text fast mehr, als sie ihn spricht. Er schlingt sich aus ihr heraus. Er würgt sich durch, presst sich vor. Sie macht Ausdruckstanz mit Hölderlin.“ - Die Welt

 

„Was bleibt da also noch vom antiken Mythos? Nicht viel. Man könnte auch sagen: Er löst sich in Rauch auf. Womit wir beim Bühnenbild von Katrin Brack wären, dem Highlight des Abends, über das man in dieser Aufführung viel Zeit hat zu meditieren. Die Künstlerin hat hier zwei ihrer Lieblingswerkstoffe kongenial miteinander verbunden: Seifenblasen, mit Rauch gefüllt. Eine Maschine unter dem Bühnenhimmel, deren Konstruktion vermutlich eine eigene Geschichte wert wäre, pustet die Blasen in Serie. Im Scheinwerferlicht strahlen die Dinger hellweiß vor dem schwarzen Hintergrund, bis sie meist kurz vor dem Boden lautlos zerplatzen und nur ein Rauchwölkchen übriglassen. […] Es könnten Gewehrsalven sein, die keiner mehr hört, in einem Dauerkrieg, den keiner mehr wahrnimmt.“ - Frankfurter Rundschau

 

„Patrycia Ziolkowska als Antigone ist in dieser Szene schlicht ein Ereignis. […] In Dimiter Gotscheffs gleichzeitig strenger und manieristischer Inszenierung im Thalia Theater ist der Krieg längst in das Innere der Figur gedrungen. Er durchzuckt ihre Körper. Der Text quillt aus ihnen hervor wie eine fremde Gewalt. Dabei scheint auf, was großes Theater zu bieten vermag: die Möglichkeit einer Erfahrung, an der alle vorgefertigten Sinnzuschreibungen zerplatzen wie Seifenblasen. Und mit Antigones Tod zieht für einen Moment etwas Anderes, noch Selteneres über die Bühne: Heiner Müller, Gotscheffs Lehrer, nannte das einmal das Schweigen des Theaters.“ - Die Tageszeitung

 

„Dieser Kreon allerdings ist eher ein Clown – dudelt zu Beginn und auf der Heimorgel Siegeshymnen, und «ganz Theben» (in Gestalt von drei Frauen) singt mit; nur Antigone nicht. Ihr Begräbnis des toten Bruders ist danach wie ein schmerzliches Ritual – wie exotische Macumba- oder Candomble-Magierin wiegt Patrycia Zyolkowska den Körper, bricht einen Sandhaufen auf und verstreut die Erde wie in ritueller Tanz-Trance auf der Bühne. Nach dieser großen Tat ist fast alles nur markiert – Gotscheff zelebriert die Gedanken des Textes, kaum dessen Handlung; er hat ja auch nicht viel davon. Die Figuren sind (wie Bibiana Beglau in den zwei grandiosen Botenberichten) am stärksten, wenn sie ganz von Text durchdrungen und Muskeln fast wie Worte sind; wenn sie (wie Christina Geisse und Thomas Niehaus) mit Worten Haltung dokumentieren; Posen, nicht Spiel. […] Aber wieder hat Katrin Brack ihm die Bühne als Zauber-Bild geschaffen.“ - kultiversum.de

 

„Staatsmacht steht gegen Menschlichkeit – König Kreon, hier gespielt von Bernd Grawert, verbietet bei Todesstrafe, den gefallenen Polyneikes zu beerdigen. Dessen Schwester Antigone, alias Patrycia Ziolkowska, tut es trotzdem, und ihr Trauergesang erschüttert. […] Diese Szene ist die stärkste in der Aufführung. Antigone – bleich das Gesicht, rotgerändet die Augen – kniet in der Bühnenmitte und wühlt in einem Erdhaufen, sie wirft die Erde klagend hoch, und tut in ihrer tiefen Trauer, die schon an Wahnsinn grenzt, das, was eben getan werden muss. […] Das ganze Ensemble meisterte die Herausforderung mit Würde und mit Klasse, viel Kraft wendeten die Darsteller auf um in gewünschter Weise zu agieren – vor dieser Leistung: Hut ab.“ - NDR 90,3

 

„Die „Antigone“ des Sophokles, übersetzt von Hölderlin, bearbeitet von Bertolt Brecht. Letzterer hat der Tragödie jeden Anflug hehrer Klassizität ausgetrieben und auch die Heldin der Menschlichkeit, Antigone, ätzendem Zweifel ausgesetzt. Deshalb ist es richtig, dass Patrycia Ziolkowska die Titelfigur ganz anders spielt als die Schulbuchweisheit es will. Eben nicht als jenes tapferes Mädchen, das König Kreons Autorität missachtet, indem es gegen dessen Verbot den toten Bruder beerdigt. Ihre Antigone handelt nicht im Namen der Humanität, sie handelt auf eigene Rechnung. Eingesponnen in den Kokon ihrer Individualität wird sie zur Egomanin, die eines bedingungslos auslebt: die Lust am Widerspruch. Den Konflikt zwischen ihr und dem nicht weniger egomanischen König (Bernd Grawert) inszeniert Gotscheff fast wie ein Clownsspiel. […] Ein Pas de deux der irgendwie Seelenverwandten, artistisch „getanzt“ vor allem von Patrycia Ziolkowska. Beeindruckend auch das Ensemble mit Bibiana Beglau […]“ - Lübecker Nachrichten