OTRO (or)
weknowitsal
lornothing

Rio, die Hauptstadt der Anderen?

 

Das Stück beginnt mit einer fast leeren Bühne, mit Ausnahme einiger Stühle. Und mit einer Frau. Eine Frau, die sagt, das ist ein Stuhl, dort ist die Tür. Sie bringt uns dazu, auf der Bühne ein Appartment zu sehen, ohne das dort irgend etwas wäre. Plötzlich begibt sie sich nach vorne, an den Rand der Bühne und sieht eine Frau im Publikum an und verkündet: "Ich bin jetzt du!" Und sie beginnt die Erzählungen in dieser Form fortzuführen. “Sie ging durch die Tür” und dann “aber ich wollte zurückkehren, sie wollte zurückkehren”. Als wäre sie sie, als wäre sie du.

Enrique Diaz und Cristina Moura sind die Regisseure dieses brasilianischen Stückes "Otro (or) weknowitsallornothing”. Das Stück erzählt mehrere Kurzgeschichten. Geschichten, die auf spielerische und symbolische Art und Weise versuchen, über das und den Anderen zu erzählen. Den Anderen, den wir sehen, das Andere, dass der Andere ist und das in Wahrheit das Andere in uns ist. Nach dem Theater erfuhr ich im Gespräch mit den Schauspielern, dass sie selbst Teile des Stückes erlebt hatten. Aus einer Feldforschung in der gigantischen Stadt Rio de Janeiro, die die "andere", informelle Hauptstadt Brasiliens ist, haben sie die Komposition der Geschichten synthetisiert. Es ist dieser Blick von ihnen, der das Stück prägt. Und dieser ist hintergründig immer tiefsinnig, auch wenn das vordergründige Bühnengeschehen lustig ist. Das Stück wird von einen Video-Bildschirm begleitet, der die im Stück angesprochenen Orte oder erzählten Begebenheit zeigt. So zeigt er etwa die erste Verabredung eines Liebespaares, welches sich nur aus dem Internet kennt. Um seine Liebe zu beweisen, verspricht der Junge, dass er mit verbunden Augen an den Ort des Treffen finden wird. Doch als er endlich dort ankommt, ist er allein. Der Schauspieler spielt diese Szene zusammen mit dem Video, doch auch er läßt den Jungen am Ende allein.

Die Musik von Lukas Macier begeleitet und ergänzt das Thema des Stückes. Immer dem Rhythmus der Szenen folgend, mal schreiend laut, mal leichtfüßig und leise mit langsamen Beat, mal gesungen, mal elektronisch. Manchmal gibt es kleine Choreographien. Choreografien mit Stühlen und von den Schauspielern gemeinsam getanzte, bis diese sich in Streit und Differenz über Kleinigkeiten auflösen. Ab einem bestimmten Punkt des Stückes beginnen die Dinge anders zu klingen, ernster. Die Darsteller sind nackt. Vielleicht versuchen sie auch, die Anderen so zu sehen, wie sie sind: ohne ihre Kleider und Masken, doch auch dies bleibt eine unserer Ideen. Denn sie sind die anderen und nicht wir.


Gabriela Riffel