Lessing 2.
0 - Freiheit, Fre
undschaft, Facebook

Lessing im Netz: von Charly & Egge

 

Das Thalia Theater und N-JOY haben das gemeinsames Pilotprojekt „Lessing 2.0“ probiert. Anlässlich der Lessingtage 2011 sollten dem Projekt zwei Hauptmotive Lessings dienen. User durften auf Facebook durch ihre Kommentare eine Geschichte zu den jeweiligen Themen „Freiheit“ und „Freundschaft“ fortschreiben. Ich gehe davon aus, dass in den ersten beiden Zusammenstellungen der Kommentare so wenig Lessing zu finden war, dass ein dritter Anlauf „Wir fragen: Lessing?“ gestartet wurde. Das Ziel des Ganzen war am Ende aus diesen Inhalten ein Theaterstück zu entwerfen.
Im Zeitraum des „Postens“ verfolgte ich hin und wieder die Kommentare und war über viele Beiträge einfach nur verdutzt. Zwischen Gefängnis, Dunkelheit, Schmerz und Gitterstäben wurde plötzlich ein Musikwunsch gepostet. Ich fragte mich: was will das Thalia Theater daraus nur machen?!
In der Zentrale präsentieren uns auf der Bühne Charly Tucker alias Mirco Kreibich, Egge Krause, gespielt von Thomas Niehaus, und Jörg Pohl als Hagen Beck, der aber nur in einer Videoprojektion zu sehen ist, den ganzen Spaß. Durch eine Comedy-Lesung, wie ich sie noch nie erlebt habe, tragen Charly und Egge den zusammengestellten Text vor. Hagen ist von den beiden anderen Chaoten irgendwo im Haus eingesperrt. Er brüllt, jammert und macht Versprechungen, um aus dem „Gefängnis“ befreit zu werden. Aber er bleibt den Abend über verdammt. Egge und Charly führen die Lesung ohne ihn durch. Charly beginnt den Text. Es ist noch keine Zeile vergangen, schläft Egge bereits. Das liegt an seinem Kindheitstrauma mit den Hörspielkassetten. Jetzt könne er nicht mehr anders als schlafen, sobald etwas vorgelesen wird. Also soll Egge weiter vorlesen, wenn er schon nicht aufmerksam zuhören kann. Währenddessen versucht Charly durch die kuriosesten Geräusche für Spannung zu sorgen.
In einem ständigen Wechsel lesen und spielen Charly & Egge uns die Geschichte vor. Sie stellen dieses seltsame Textgefüge fantastisch dar. Ihr Umgang mit den jeweiligen Textpassagen ist herrlich. Den Musikwunsch, der plötzlich zwischen den ernsten Zeilen auftritt, erfüllen die beiden dann auch. So seltsam sie es finden: der Text zum Song wird verteilt und alle sollen im Chor mitsingen. Egge gibt daraufhin seinen Kommentar dazu ab: „…da hat wohl jemand nicht verstanden, worum es ging“.
Als es dann endlich um die Frage „Lessing?“ geht, fallen Antworten wie „nimmt man zwei Buchstaben weg, heißt es Essig...“. Da brauchen Charly und Egge nur eine Augenbraue heben oder die Augen rollen und Lachen ist angesagt. Es sind sehr alberne, seltsame, sich wiederholende und absonderliche Sätze gepostet worden, die vielleicht eben deshalb die richtige Grundlage für diese lustige Show darboten. Das Thalia Theater hat bewiesen, dass sie aus jedem Stoff ein Stück machen können. Nicht der Text, sondern die Darstellung dessen war genial. Auch wenn Lessing im Netz verloren gegangen ist, haben Charly & Egge seine Themen einfallsreich wieder aufgefangen.


Mozhgan Rabbany