Falli
ng Man

Beim Betreten des Zuschauerraums fällt der Blick unweigerlich auf den Schleier in Form einer großen Kunststoffplane, der den Blick auf die Bühne versperrt.

 

Während einige Zuschauer noch tuscheln, das hinge sicher mit den konjunkturpaketfinanzierten Umbaumaßnahmen zusammen, reißt Keith den Schleier fort und gibt den Blick frei auf das Dunkel einer Art Dachschräge, welche die Figuren und deren Erinnerungen beherbergt: das Bühnenbild von Philip Bußmann. Die Schauspieler klettern durch sechs Öffnungen in diesem Dach auf die Bühne hinab, fallen oder verschwinden wieder über die Leitern.
Der gleichnamige Roman „Falling Man“ von Don DeLillo handelt von dem Weiterleben nach dem Anschlag auf das World Trade Center am 9. September 2001. Hauptfigur ist der Überlebende Keith, dessen Weg aus dem brennenden Turm ihn nach dem Terrorangriff zurück zu seiner Ex-Frau führt. Für die Bühne in der Gaußstraße haben Sandra Strunz (Regie) und Beate Heine (Dramaturgie) DeLillos Roman bearbeitet, wobei die Sprache der Vorlage erhalten blieb.
Zwar sind Keith (Sebastian Rudolph) und Lianne (Cathérine Seifert) wieder vereint, doch die beiden bleiben einander fremd. Keith spricht nicht über das Erlebte, aber die Erinnerungen sind stets präsent. Immer noch bedeckt die Asche des Anschlags Haupt, Haar und Kleidung, immer wieder wird sie von den Beteiligten neu aufgewirbelt und droht Keith zum Verzweifeln zu bringen. Und auch die Zwillingstürme sind in Form von zwei Scheinwerfersäulen das ganze Stück hindurch anwesend. Die Aktentasche, welche er aus dem Turm mitgenommen hat, führt Keith zu einer Frau, Florence (Birte Schnöink), mit welcher er ein Verhältnis beginnt. Die beiden tauschen sich über den Geschehensablauf am 11.09. aus, und doch scheint auch hier kein Raum zu sein das Erlebte tatsächlich zu verarbeiten. Immer wieder taucht der in den Trümmern umgekommene Freund Rumsey (Daniel Lommatzsch) auf. Er bohrt in Keiths Erinnerungen, wird gar in manchen Momenten zu Keith – Vergangenes und Gegenwart wirbeln durcheinander. Überhaupt scheinen alle hier mit Erinnerungen zu hadern: Liannes Schreibgruppe, ihre Mutter Nina (Barbara Nüsse), welche selber erste Anzeichen seniler Vergesslichkeit zeigt und ihr langjähriger Liebhaber Martin (Rafael Stachowiak), der die eigene (terroristische) Vergangenheit verdrängt.
Keith gibt sich dem Pokerspiel hin und doch kehren wir schließlich gemeinsam mit ihm zurück in den Turm, zu Rumsey. Am Ende verschließt Keith den Blick auf die Bühne wieder mit der Plane. Zurück bleiben die Erinnerungen.


Katarina Ćurić