Don Carl
os im Räd
erwerk

"Wenn wir irgendwas gelernt haben, dann dass Regierungen sich nicht ändern lassen wollen“ –

 

„Don Carlos“ beginnt mit einer Textprojektion aus “Staatliche und terroristische Verschwörungen” von Julian Assanges am Eisernen Vorhang des Thalia Theaters.
Der einsame und depressiv scheinende Carlos (Mirco Kreibich) sitzt allein am Rande des Abgrunds mit einem Schild in seiner Hand: „Die schnöden Tage von Aranjuez sind nun zu Ende“. Während der Beichtvater des Königs Domingo (Victoria Trauttmansdorff) ihn von der Seite beschwatzt, dreht er mal lässig seinen Papierschild mit einer Revolverzeichnung um und schießt sich bildlich in den Kopf.
Nichts scheint ihn mehr aufzumuntern. Erst sein Herzensfreund Posa (Jens Harzer) erheitert sein Herz, indem er ihm Zugang zu seiner Geliebten, der Stiefmutter und Königin (Lisa Hagmeister) verschafft. Sie und ihre Liebe waren ihm einst versprochen, bevor der König Philipp (Hans Kremer) sie zur Frau nahm. Doch auch dieses Treffen wird vom König und sein Regiment, den schwarz gekleideten starren Männern, aufgelöst. Aufgelöst wirkt auch Carlos.
Und dann fährt der Eiserne hoch. Mirco Kreibich hängt sich zuerst daran fest, um aus der Höhe tief vor die Füße des Königs zu springen und um Versöhnung zu bitten. Der Bühnenraum fasziniert. Er besteht aus einem offenen gleichschenkligen Trapez und ist mit Matten gepolstert, die im Licht mal grau mal schwarz erscheinen. Die Figuren schmeißen sich im Laufe der Handlung öfters gegen sie, daher erinnert es mich an eine Gummizelle.
Der König Philipp misstraut und verschmäht seinen Sohn und die Bühne gerät in Bewegung. In Bewegung ist auch die rot gekleidete Flamencotänzerin, die Prinzessin Eboli wunderbar gespielt von Alicia Aumüller. Mit ihrem Tanz verführt sie Carlos und im leidenschaftlichen Gespräche kommen Geheimnisse ans Licht. Wieder dreht sich das Räderwerk. So wie sich die Gedanken der Figuren drehen, dreht sich auch das Bühnenbild und eröffnet immer neue Räume. Wer hat mit wem eine Affäre? Wer ist mit wem in einer Affäre? Politik und Leidenschaft.
Eboli fühlt sich zurückgewiesen und lehnt sich aus Eifersucht gegen Carlos auf. Der Herzog Alba (Matthias Leja) und Domingo schmieden eine Intrige gegen Carlos. Posa führt sein eigenes undurchschaubares Spiel. Sein Ziel ist es für Carlos eine Position zu schaffen, die ihm ermöglicht, eigene Ideale von Freiheit zu verwirklichen. Doch Carlos vergisst seine politische Pläne und verstrickt sich immer mehr in seine Herzensangelegenheiten.
Philipp, auf der Suche nach einem einzigen Menschen, der sein Sohn sein könnte, findet ihn nicht. Aus Pflichtgefühl zu Gott und der heiligen Institution fällt er Urteil gegen die Menschlichkeit. Die Eiserne fällt und der König ist ganz allein.
Drei Stunden sind voll von bedeutenden Textpassagen aus Schillers Drama in der Überarbeitung von Susanne Meister. Die Kostüme von Pauline Hüners sind schön, zum Teil historisch und zum Teil modern. Die Vielschichtigkeit der Bühne von Florian Lösche ist mitreißend, sie beherrscht die Atmosphäre. Ein ineinander sich drehendes Räderwerk mit geheimen Gängen als bestes Beispiel für einen totalitären Machtapparat. Aber auch für die Innenansicht der menschlichen Seele.
Als die Bühne sich in einer der vielen Szene zu drehen beginnt, erstarren die Schauspieler zu der Musik „Talk Show Host“ von Radiohead, wodurch ein Eindruck entsteht, in einem Don Carlos à la Romeo & Julia verloren zu sein.
Die Darsteller Mirco Kreibich und Jens Harzer sind einfach hervorragend. Das Premierenpublikum hat stark gejubelt. Zu Recht! . Die Inszenierung von Jette Steckel gefällt mir auch sehr. Eindrucksvoll!


Mozhgan Rabbany