Pressestimmen
zu Peggy Picket
sieht das G
esicht Gottes

„Seit Albees "Wer hat Angst vor Virginia Woolf" die ultimative Ehe-Schlacht gezeigt hat, [...] sind Paare das schönste Bühnenfutter. Nun lässt Roland Schimmelpfennig, der meistgespielte zeitgenös-sische deutsche Autor, in seinem neuen Stück "Peggy Pickit sieht das Gesicht Gottes" zwei befreundete Ehepaare miteinander ringen. Über die richtigen Lebensentwürfe, Selbstverwirk-lichung und Ideale. An zwei aufeinanderfolgenden Abenden gab es Premieren des Stücks: in Berlin am Deutschen Theater, wo Martin Kusej mit Starbesetzung die Uraufführung inszenierte [...], und in Hamburg, wo Wilfried Minks mit dem Thalia-Ensemble die witzigere, gehaltvollere und gelungenere Aufführung präsentierte. Denn er holte aus dem mageren Text einer nicht sehr tiefsinnigen, kargen Versuchsanordnung, die viel behauptet, aber wenig sagt, das Optimum heraus. So wurde aus einem dünnen Kammerspiel ein modernes Lustspiel, dank Oda Thormeyer, Matthias Leja, Gabriela Maria Schmeide und Tilo Werner, die aus ihren Mittvierzigern und deren Lebensbilanz desillusionierte Zeitgenossen machten. [...] Auf der auch von Wilfried Minks entworfenen Bühne stehen Cocktailstühle, Weinflaschen und kleine Knabbereien. [...] Eppendorf lässt grüßen. Zum Rauchen geht man raus. Über allem schwebt ein riesiger Ballon, eine Weltkugel. Unglaublich schön, aber auch in Gefahr, jederzeit zu platzen. Ja, die Welt ist in Gefahr, aber jeder Einzelne eben auch. […] Am Ende gab's viel Applaus für Regie und Ensemble [...].“ - Hamburger Abendblatt

 

„Schimmelpfennig erweist sich in „Peggy Pickit“ einmal mehr als enorm versierter und disziplinierter Szenenkondensator. In knappsten Dialogen, versehen mit Stummelsätzen, Wiederholungsschleifen und Off-Kommentaren der vier redenden Personen, lodern hier die Konfliktherde der (ehelichen) Innen- wie der (bürgerlichen) Außenwelt auf. Doch so richtig zünden und brennen wollen sie nicht, [...] wobei Minks’ Inszenierung sehr viel wärmer, lebendiger und komödiantischer ist als Kušejs Berliner Bedeutungshuberei mit schwerem Moralkeulenschlag. [...] Für die abwesenden Kinder [...] führt Schimmelpfennig Stellvertreter-Figuren in Form von zwei Puppen ein: Die eine heißt Peggy Pickit und ist mithin die Titelheldin des Stücks, eine Art Barbiepuppe aus Gummi. Die andere ist ein holzgeschnitztes Mitbringsel aus Afrika, sie nennen sie Annie-Abenie. Die permanent zu Tränen gerührte, aufkommende Peinlichkeitsmomente gerne zuquatschende Liz lässt beide Puppen immer wieder im Dialog miteinander treten, mit verstellten Kinderstimmen. Was Oda Thormeyer in Hamburg ganz klasse macht, weil sie es an der Grenze zur Hysterie tut.“ - Süddeutsche Zeitung

 

„Peggy Pickit ist eine kleine Plastikpuppe. [...] Im Hamburger Thalia Theater ziert sie, kaum fingergroß, als lustiger Girlie-Korkenaufsatz eine Champagnerflasche. Der Titel des neuen Stücks von Roland Schimmelpfennig, das jetzt in zwei Inszenierungen seine deutsche Taufe erlebt, heißt: „Peggy Pickit sieht das Gesicht Gottes“. [...] Im Hamburger Thalia Theater, wo der leichtfüßige Altmeister Wilfried Minks das Stück in Szene schlenzt, ist an der Rampe ein weißes Tischtuch ausgebreitet, darauf ein Brotlaib, eine Salatschüssel, Gläser, Rotwein- und Champagnerflaschen. Hinterm Tischtuch vier gläserne Drehsessel. Über der Szene wandert im schwarzen Raum ein riesiger Leuchtglobus mit bunt strahlenden Kontinentflächen seine Umlaufbahn. Hoch oben, an der Balustrade des dritten Zuschauerrangs hat Minks ein Neondreieck installiert, in dem ein Neon-Auge glüht und aus dessen Seiten drei Strahlenbündel blitzen: das alte dreifaltige Symbol fürs Auge Gottes, aus dem nach jedem Akt ein grüner Laserstrahl auf die Korkenaufsatz-Puppe über der Champagnerflasche fällt. Peggy Pickit ist ihrem Gott hier mehr ironisch symbolisch verbunden. Und schaut allenfalls in humane Alltagsmasken, Oberflächengüteversiegelungen. Davon zeigt Oda Thormeyer als Liz die mondän hausfrauliche, Matthias Leja als Frank die penibel spießige, Gabriela Maria Schmeide als Carol die lebensfroh gepolsterte und Tilo Werner als Martin die liebenswert hilflose Version: jeder auf seinem Drehsessel, alle gleichsam in ständiger Bildtotale. Das Abendessen als Charakterkomödie. Unter Charakterlosen. [...] Wo Minks in Hamburg die Symbole (Gottesauge, Leuchtglobus) religions- und welthaltig ironisiert und seine Protagonisten schon mal still rauchend resigniert zum wandernden Weltgestirn hinaufglotzen lässt, da befiehlt Kusej in Berlin am Ende seiner sonst so aseptisch schönen Inszenierung, den ganzen Müll der Welt auf einmal von der sonst so sauberen Bühnendecke herabregnen zu lassen: Minks symboliert, Kusej symbollt. Wo in Berlin die Paare sich die Seelen zerfetzen, wobei die bös-verbitterte, dürre Carol der Sophie von Kessel wie mit vergifteten Klingen ins Dialogfleisch zu hauen scheint, da sitzt in Hamburg die mütterlich mollige Carol der Gabriela Maria Schmeide, heiter noch bei den abgründigsten Seitensprungberichten ihren kahlköpfigen, Unmengen von Rotwein in sich hineinschüttenden Männe Martin tätschelnd, einfach auf dem Schoß der tüchtigen Liz und lässt sich sanft ironisch streicheln. Kusej zeigt: Es ist alles noch viel schrecklicher, als ich es euch unmenschlich zeige. Minks zeigt: Es ist nichts so schrecklich, dass man es nicht menschlich zeigen kann. Kusej ist näher bei einem bösen, Minks näher bei einem lieben Gott. Dem Drama nahe waren beide. Es hält sie, so und so, wunderbar aus.“ - Frankfurter Allgemeine Zeitung

 

„Schnell, unterhaltsam, bissig, formal streng und doch emotional präsentiert [Minks] das Stück als Gesellschaftssatire mit Beunruhigungsfaktor. Weder moralische Wertung noch Bedeutungshuberei befrachten das ohnehin mit Klischees und Vorurteilen beladene Sujet. Keine gewichtigen Pausen betonen die für jedermann erkennbar verkorksten Beziehungen der beiden befreundeten Paare, die - mitleidlos betrachtet - ziemlich normal sind. Trocken und zielsicher treffen sie sich da, wo es richtig weh tut. Minks benutzt das Thema Entwicklungshilfe, um das Innerste der Vier nach außen zu stülpen: mit enormen Aggressionsschüben, Gemeinheiten und Kittungsversuchen. Am Ende ist nichts mehr so, wie es einmal war. [...] Minks verlässt sich in seiner klug austarierten Inszenierung vollkommen auf die Sprache, auf die Sprengkraft der Dialoge, die ein Thema mit Variationen so kunstvoll wie komisch umspielen.“ - Die Welt

 

„„Peggy Pickit sieht das Gesicht Gottes“ versucht darüber hinaus, unser glattgebügeltes Gerede zu knacken. Schimmelpfennig zerreißt die Dialoge und lässt die Figuren neben sich stehend sich selbst kommentieren, wie er das schon oft getan hatte. Nur dass dieses Stück in viele Szenenschnipsel zerteilt ist, als ob wir einen Film vor uns hätten, den man beliebig schneiden kann. Es gibt zwei gleichberechtigte Ebenen, Handlung und reingeschnittener Subtext. [...] In Hamburg gibt es neuen Schwung. Die Aufführung von Wilfried Minks im Thalia ist schneller, leichter, aufgedrehter. Nach einer guten Stunde ist man durch. Fragt man sich in Berlin, ob man das überhaupt zusammenhängend spielen kann, ist hier die Antwort klar. „Peggy Pickit“ ist zunächst eine Komödie. [...] In Hamburg zeigt sich, dass „Peggy Pickit“ schnell eine intelligente Bühnenparabel wird, wenn man die Komödie spielt. Vier Personen geben vier Antworten auf den Skandal des afrikanischen Elends, die alle keine Lösungen sind. Und der Streit der vier kommt aus dem Leben, in das sie eingesperrt sind. Matthias Lejas Frank ist ein Kleinbürger, der sich mit seiner Rolle als Depp der Familie abgefunden hat. Oda Thormeyers Liz ist eine Gattin, die sich damit nicht abgefunden hat. Wenn sie sich am Ende über Frank beugt, um ihm ins Ohr zu brüllen, dass er von der Grausigkeit der Welt nichts verstanden hat, ist das sehr abgründig, sehr komisch und sehr vergeblich. [...] Deutlich aber zeigt sich in Hamburg: „Peggy Pickit“ ist richtiges Theater.“ - Frankfurter Rundschau

 

„In der Inszenierung am Thalia Theater Hamburg fantasiert Tilo Werner als Entwicklungshelfer Martin in einer furiosen kleinen Brandrede den Bau von Krankenhäusern herbei. Regisseur Wilfried Minks, mittlerweile 80 Jahre alt, geht spielerischer mit dem Text um und reiht ein paar schöne kleine Miniaturen aneinander. Sein Abend erzählt schmaler, weniger stilisiert. Das Schlussbild schafft sogar die überraschende Wendung in ein realistisches politisches Bild. Es will keiner schuld sein am Sterben in Afrika. Die beiden Frauen aber hocken auf dem Boden, kleben die zerrissenen Briefe, stecken der kaputten Puppe die Glieder zusammen. Ein Basteln mit Tesa - ein notdürftiges Reparieren der Kollateralschäden, die man eigenhändig angerichtet hat.“ - die tageszeitung

 

„In der Version des Hamburger Thalia Theaters, inszeniert von Regie-Veteran Wilfried Minks, verliert das dramatische Quartett keine Zeit mit Zwischentönen. Die Wohlsituierten erscheinen zum Wiedersehensdinner in Pullunder und Cocktailkleid, die Afrika-Helfer nicht mal Smart Casual: Carol in sandfarbener Langjacke, Martin in oller Jeans, wie es sich gehört. Dazu ein gedeckter Picknick-Tisch, ordentlich aufgereihte Stühle und eine drohend schwebende Weltkugel im Hintergrund: theatralische Old School. Passend dazu spielt Matthias Leja seinen Frank mit einer schneidenden, überdeutlichen Herrscherstimme, die an sich schon eine Karikatur ist - er setzt den kabarettistischen Tonfall, aus dem sich Minks' Inszenierung nie wieder befreit.“ - Spiegel Online