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„Diesmal verschafft der Regisseur Luk Perceval Gorkis Drama über Mitglieder einer dekadenten Bürgerepoche neue Energien und macht es für uns, die wir heute nicht mehr ähnlich intensiv von besseren Zeiten träumen wie die Menschen damals, verständlich, nachvollziehbar, modern und unterhaltsam. Perceval hat sein 13-köpfiges Ensemble zur Premiere am Thalia-Theater in eine Art Selbsthilfegruppe für Sinnsucher verlegt. Da treffen der naiv menschenfreundliche Wissenschaftler Pawel (Jens Harzer) und seine Frau Jelena (Oda Thormeyer) auf lauter Menschen, die von schönen Gedanken leben und sich an Worten berauschen. "Das Ziel unseres Lebens ist, dass die Menschheit sich entwickelt", verkündet Pawel. Sie sitzen auf einem Tapeziertisch (Bühne: Katrin Brack), hinter ihnen schimpft eine alte, ehemalige Hausangestellte (Marina Wandruszka) über die modernen Zeiten und malt kindliche Landschaften auf eine rotierende Leinwand. Russland ist nur noch eine Illustration. Diese Leute - Egoisten, Zyniker, Gescheiterte - schütten ihre Sehnsüchte voreinander aus, legen ihre Defekte bloß. Meist dreht es sich um Beziehungsprobleme, Affären, die nicht klappen, unausgelebte Liebschaften, brutale Realitäten. So oder so ähnlich könnte sich das Ganze auch in einer bürgerlichen Hamburger Wohnküche abspielen.“ - Hamburger Abendblatt

 

„Eine Liebeserklärung zum Auflachen. (...) Einen unterhaltsamen, traurigkomischen Abend hat Perceval da gebaut. Einen, der mit durchweg guten Schauspielern von Menschen und ihren Sehnsüchten erzählt, von ihren Masken, Versteckspielen und seltsamen Träumen. Jens Harzers Pawel blinzelt dann und wann verträumt hinter seiner Hornbrille hervor, Hans Kremer klemmt seine Hände in den Hosentaschen fest, bevor er in der Rolle des Malers Dimitri Pawels Frau Jelena (Oda Thormeyer) seine Liebe erklärt – doch diese lacht auf. Sie lacht herzhaft, aber nicht laut genug: Denn auch unter ihrem Lachen schimmert tiefe Traurigkeit.“ - nachtkritik.de

 

„Aber weder diese heitere Interpunktion wie die seltenen Ausflüge ins Zwischenmenschliche ändern etwas daran, dass diese extreme Karikatur von Coolness eine Anti-Inszenierung bleibt, von der man spürt, wohin sie eigentlich will. Sie macht sich interessant durch harsche Verweigerung von Erklärungen, Thesen und Nageboten, eine vergangene historische Konstellation in die Gegenwart umzubiegen.“ - Süddeutsche Zeitung

 

„Luk Perceval hat am Hamburger Thalia Theater Maxim Gorkis Durchhaltedrama "Kinder der Sonne" - entstanden 1905 nach der gescheiterten russischen Revolution - nicht nur inszeniert, er hat es umgeschrieben. Und seine Fassung verlegt den Akzent in Tschechow-Nähe, hin zum Schattenreich zwischen Hoffen und Verzagen. Perceval hat auf Requisite, Musik und Lichtwechsel verzichtet. Er lässt die Dramaturgie absichtsvoll auf der Stelle treten und die Figuren konsequent aneinander vorbeireden. Einmal singt Tilo Werner eine russische Weise, erst leise, dann tänzelnd, am Ende tobt er splitterfasernackt über die Bühne. Eine herrliche Verzweiflungsnummer. Grundlos, folgenlos, hoffnungslos. (...) Perceval, Oberspielleiter in Hamburg, verkleinert die Vorlage aufs (Selbst)Beziehungsdramatische, um so seine Grundfrage ins Übergroße steigern zu können: Wie soll man heute, nach allen Utopien und jenseits des Glaubens an eine sonnige Menschheitszukunft, nicht resignieren? Und wie geht Theater in solchen Zeiten? Bei Perceval ist es ein Abgesang- und Klagetheater, ein Schimpf- und Trauergebet an die untergehende Sonne.“ - Frankfurter Rundschau

 

„Immer wieder kommentieren die Schauspieler die Theaterarbeit. Tilo Werner singt russisch, gerät dabei derart in Rage, dass er sich die Kleider vom Leib reißt, und singt und singt, bis ihn Christina Geiße, die seine Ehefrau gibt, resolut auf den Arm nimmt und wegträgt. "So "n Clown", sagt Harzer, woraufhin der wieder auf die Bühne stürmt und brüllt, er sei alles andere als ein Clown. Er will nicht den Theaterzampano geben, das lässt Perceval durch diese Szene ausrichten, denn der Mann trägt exakt das Hutmodell, das der Regisseur bevorzugt. Auch der Verweis aufs Theatertherapeutische ist selbstverständlich ironisch gemeint, Aufs Seelenzergliedern verzichtet man, jeder spricht seinen Text gerade aus, als blicke er in eine Kamera. Perceval verzichtet allerdings auf Videos und auch auf Musik. Er stellt die Schauspieler ins Zentrum, aber er lässt sie da oft auch nur stehen. Es ist eine fragile Arbeit zwischen Komik, Schnoddrigkeit und Melancholie. Ein Abend, der ins nur abweisend Zynische abzufallen droht.“ - Stuttgarter Nachrichten

 

„Luk Perceval hat "Kinder der Sonne" mit einem hervorragenden Ensemble inszeniert und den Fokus auf das Unfertige, das diese Menschen ausmacht, gelegt. Naive Zeichnungen werden den gesamten knapp zweistündigen Abend auf das Papier gemalt, gestalten ein Bühnenbild, signalisieren, dass hier etwas im Werden ist. Perceval und seine Dramaturgin Beate Heine haben Gorkis Original stark gekürzt und improvisierte Passagen hinzugefügt, so dass der schwierige, zum Teil arg kopflastige Text manchmal eine schnodderige Leichtigkeit bekommt und stärker in die Gegenwart holt.“ - shz.de

 

„Frisch wirkt das Werk auf diese Weise, kein bisschen verstaubt scheint die Geschichte zu sein. In deren Mittelpunkt der Visionär Pavel, gespielt von Jens Harzer steht. Er will ein Elixier erfinden, das die gesamte Menschheit glücklich macht. Doch vor lauter Forschung vernachlässigt er seine Ehefrau – und für die Cholera, die unter den Armen des Dorfes tobt, interessiert er sich gleich gar nicht. Regisseur Perceval begegnet der Unerlöstheit und Ratlosigkeit der insgesamt 13 Figuren vor allem – mit Humor, Pavel wird von Jens Harzer ganz hervorragend, als Mann mit unendlichem Sendungsbewusstsein gespielt. In der Rolle des unterdrückten Kirill legt Tilo Werner eine unfassbar komische Tanzeinlage hin und zwar nackt – und selbst das verliebte Fräulein von Marina Galic hat etwas tragikomisches. Eine kühle aber sehr unterhaltsame Inszenierung.“ - NDR 90.3