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hee ade?

„Meri, Paul, der Fremde und Ich“ bei den Lessingtagen 2010

 

Klebrig, zuckersüß, bitter im Abgang. Ganz pelzig die Zunge. Ich trinke meinen schwarzen Tee, der mir beim Betreten der Garage des Thalia Theaters in der Gausstraße von einem türkischen jungen Mann überreicht wird. „Darf ich Ihnen Kekse anbieten?“, fragt mich eine kleine Frau mit weißem Kopftuch und streckt mir das Tablett entgegen. Ich greife zu. In der einen Hand den Tee, in der anderen den Keks bahne ich mir den Weg durch eine Landschaft aus bunten Kissenbergen und Orientteppichen. Heute wird hier nicht Theater gespielt, sondern es wird Theater gezeigt.

Mit einem Projektor werden Theaterszenen auf die weiße Mauer der Garage geworfen. Dazwischen moderieren die zwei Darsteller Sakine Azak und Sedat Tas, sowie die Regisseurin Christiane Richters. Sie sind heute hier, um ihr Projekt „Meri, Paul, der Fremde und Ich“ vorzustellen. Die Moderationen sind etwas träge, das Publikum auch. Irgendwie bekommt das Ganze keinen richtigen Schwung, der Aha-Effekt bleibt aus. „Das ist langweilig“, höre ich Jugendliche vor mir sagen.

Wackelige Bilder erzählen von Jugendlichen aus Wilhelmsburg. Davon was Heimat für sie bedeutet, welche Sehnsüchte sie haben und mit welchen Klischees sie umgehen müssen. Ein türkisches Mädchen mit I-Pod sitzt in der U-Bahn einer Frau gegenüber: „Kann die nicht mal weggucken? Die starrt auf das Kabel. Die denkt, das ist eine Bombe. Die sind doch immer so jung die Selbstmordattentäter.“ Simon Yussuf Müller hasst Schule. „Schule ist Stress. Am liebsten würd ich gar nicht mehr hingehen.“ Im Film erzählt er von seinem verstorbenen Opa und vom Beten: „Wenn ich in der Moschee bin, wird mir immer warm ums Herz.“. Es folgt ein Kurzfilm über das bosnische Mädchen Meri, die mit ihrer Mutter aus dem Kriegsgebiet flüchten musste. Ein sehr berührender Film, der den Höhepunkt des Abends bildet.

Am Ende des Abends zitiert die Regisseurin einen Spruch von einem mitgebrachten Zeitungsschnipsel: „Heimat ist, was man nicht ertragen kann, wenn man dort ist und nicht los lassen kann, wenn man weg ist.“ Wichtig bei dem Projekt sei gewesen, sich mit Klischees zu beschäftigen, sagt Christiane Richters. „Wie findet ihr unsere Religion?“, fragt ein Junge aus dem Publikum. „Welche? Ich kann sie dir ja nicht ansehen.“, sagt Sakine Azak und lacht. Für sie sei Glaube nichts Fassbares, darüber könne man nicht urteilen. Die Schubladenfragen aus dem Publikum ebben nicht ab: Warum können Muslime nur Muslime heiraten? Warum trägst du Kopftuch?

Wenn das Ziel des Theaterprojektes war, über Klischees aufzuklären, dann wird spätestens beim Publikumsgespräch klar, dass hier irgendetwas nicht verstanden wurde.


Nina Draxlbauer